Nur jedes fünfte Unternehmen sieht wirtschaftliche Lage als gut
80 Prozent der deutschen Unternehmen würden wieder in Slowenien investieren. Ein beachtlicher Wert – und doch kein gutes Signal: In Bulgarien liegt dieser Anteil bei 95 Prozent, in Tschechien bei 91 Prozent, so die Wirtschaftspublikation Finance.si. Die hohen Arbeitskosten sowie das wirtschaftlich-politische Umfeld werden von deutschen Unternehmen in Slowenien als größte Risiken eingeschätzt. Das ergab eine Konjunktur- und Investitionsklimastudie der Deutsch-Slowenischen Industrie- und Handelskammer (AHK), die im März durchgeführt wurde. Arbeitskosten bleiben somit ein zentrales Sorgenfeld, und die Hoffnung auf eine baldige Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ist gering.
An der Umfrage beteiligten sich in diesem Jahr 108 Unternehmen – 43 Prozent aus dem verarbeitenden Gewerbe, 36 Prozent aus dem Dienstleistungssektor. Die Studie wurde in 15 Ländern Mittel- und Osteuropas durchgeführt. Slowenien landete auf Platz neun – im Vorjahr noch auf Rang eins. Bei der Digitalisierung punktet das Land, doch strukturelle Schwächen gefährden seine Standortattraktivität.
„Die Hauptaussage der diesjährigen Umfrage ist: Es gibt kaum Hoffnung auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Slowenien. Die Standorttreue ist gefährdet, vor allem, weil es bei chronischen Problemen keine Fortschritte gibt. Positiv sind hingegen Digitalisierung sowie Forschung und Entwicklung“, fasst Dagmar von Bohnstein, Präsidentin der AHK Slowenien, zusammen.
So bewerten deutsche Unternehmen die aktuelle wirtschaftliche Situation: 15 Prozent halten sie für gut, 66 Prozent für befriedigend, 19 Prozent für schlecht (Vorjahr: 16 Prozent). Der Blick in die Zukunft fällt noch düsterer aus: Nur sechs Prozent erwarten Besserung (Vorjahr: 10 Prozent), 54 Prozent rechnen mit Stagnation, 40 Prozent mit einer Verschlechterung.
In der eigenen Branche sehen 20 Prozent der Befragten die Lage positiv, jedoch stieg der Anteil negativer Bewertungen im Vergleich zum Vorjahr deutlich – von 22 auf über 31 Prozent.
Die eigene Geschäftslage bewerten 40 Prozent als gut – ein Anstieg um sieben Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. 45 Prozent halten sie für zufriedenstellend, 15 Prozent für schlecht (Vorjahr: 8 Prozent).
Hauptsorgen: Arbeitskosten und Wirtschaftspolitik
Wie schon in früheren Jahren gelten die hohen Arbeitskosten als größtes Geschäftsrisiko – 60 Prozent der Unternehmen nannten sie als zentrale Herausforderung (Vorjahr: 69 Prozent). Deutlich gestiegen ist der Anteil jener, die die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen als Risiko einstufen: 55 Prozent sehen darin ein zentrales Problem (Vorjahr: 51 Prozent). An dritter Stelle steht die Nachfrage (53 Prozent).
Deutlich gesunken ist der Anteil der Unternehmen, die den Fachkräftemangel als Risiko sehen – 41 Prozent gegenüber 56 Prozent im Vorjahr. Ob das auf eine tatsächliche Verbesserung oder lediglich auf mehr Automatisierung zurückzuführen ist, bleibt offen.
Positive Standortfaktoren: Digitalisierung und Zahlungsmoral
Als positive Faktoren heben Unternehmen die fortschreitende Digitalisierung, das Vertrauen in lokale Zulieferer und die gute Zahlungsmoral hervor. 63 Prozent der Unternehmen gaben an, dass ihre Geschäftspartner Zahlungsfristen zuverlässig einhalten – elf Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Steuern, Löhne, Gesetzgebung – Kritik an Rahmenbedingungen
An erster Stelle der Kritik steht erneut die hohe Steuerbelastung – 83 Prozent halten sie für zu hoch. Es folgen erneut die Arbeitskosten (64 Prozent) und eine als zu rigide empfundene Arbeitsgesetzgebung (63 Prozent, Vorjahr: 49 Prozent). Zudem wird häufig auf komplizierte Verwaltungsverfahren, ein intransparentes Steuersystem, geringe Effizienz im Kampf gegen Korruption und ein unberechenbares regulatorisches Umfeld verwiesen.
Auf die Frage nach den drei wichtigsten Standortvorteilen nannten die Unternehmen am häufigsten: hohe Flexibilität der Wirtschaft, gute Qualifikation des Fachpersonals, strategische Lage, innovationsfreundliches Umfeld und ein insgesamt stabiles Geschäftsklima.
80 Prozent würden erneut Slowenien wählen – aber ohne Aufwärtstrend
Insgesamt 80 Prozent der befragten Unternehmen würden Slowenien erneut als Standort wählen – exakt so viele wie im Vorjahr. Dennoch ist das laut von Bohnstein kein ermutigender Wert: Die Zahl stagniert und liegt deutlich unter den Werten anderer Länder der Region. In Tschechien würden 91 Prozent der befragten deutschen Firmen erneut investieren, in Bulgarien sogar 95 Prozent.
„Die Standorttreue zu Slowenien ist gefährdet, weil das Land keine Fortschritte bei seinen chronischen Schwächen macht“, so von Bohnstein. Nahezu jedes fünfte Unternehmen denkt darüber nach, den regionalen Sitz oder Teile der Aktivitäten in andere Länder zu verlegen – vor allem nach Kroatien, gefolgt von Ungarn und Bosnien-Herzegowina.
Investitionsbereitschaft bleibt gering
Wie sieht es mit neuen Investitionen aus? Nur 21,3 Prozent der befragten Unternehmen planen in diesem Jahr höhere Investitionsausgaben – ein ähnlicher Wert wie im Vorjahr. 44,4 Prozent wollen das Niveau halten, 34,3 Prozent wollen weniger investieren. Die neuen gesetzlichen Maßnahmen zur Investitionsförderung, die seit April in Kraft sind, beurteilen nur neun Prozent als positiv.
„Unsere Aufgabe ist es auch, deutschen Unternehmen beim Markteintritt in Slowenien zu helfen. Früher gab es dazu mindestens einige Anfragen pro Jahr. In den letzten zwei Jahren kam keine einzige ernsthafte Nachfrage mehr“, betont Katja Stadler, Geschäftsführerin von Deslo – AHK.
Slowenien wird weiterhin als Standort mit moderner digitaler Infrastruktur und innovationsfreundlichem Klima bewertet. Doch strukturelle Schwächen könnten dem Land mittelfristig seine Standortattraktivität kosten, warnt die AHK.