Kernenergie-Aktien befeuert durch Politik und KI-Boom
Noch vor wenigen Jahren standen Kernenergie-Aktien auf den schwarzen Listen zahlreicher Investment- und Pensionsfonds. Nun entdecken immer mehr Anleger diesen bislang gemiedenen Sektor wieder für sich. Das berichtet das Wirtschaftsportal Børsen.
Der Vaneck Uranium and Nuclear Technologies Index, der die Entwicklung führender börsennotierter Unternehmen aus dem Bereich Kernenergie abbildet, ist innerhalb eines Jahres um über 40 Prozent gestiegen. Besonders drastisch legten die Aktien von Oklo A und Nuscale Power zu – beide Unternehmen entwickeln neuartige Reaktortechnologien. Die Aktie von Oklo A schnellte um unglaubliche 542 Prozent in die Höhe, Nuscale Power verzeichnete ein Plus von 271 Prozent.
Doch hinter dem Hype um Kernenergie-Aktien lauern hohe Risiken. Experten warnen vor überzogenen Bewertungen und spekulativen Exzessen. „Das erinnert mich an den Boom bei grünen Investments. Da heißt es: Wenn du dabei sein willst, musst du jetzt einsteigen. Doch die Gewinne fließen frühestens in zehn Jahren – trotzdem zahlen Anleger heute astronomische Preise“, sagt Lars Hytting, Anlagestratege bei Arthascope. Er warnt weiter: „Hinzu kommt das knappe Angebot. Wenn viele Investoren gleichzeitig auf Kernenergie-Aktien setzen, steigen die Kurse künstlich stark an.“
Rechenzentren treiben Nachfrage nach Kernenergie-Aktien
Ein entscheidender Treiber für die Renaissance der Kernenergie-Aktien ist der Boom bei Rechenzentren. Im Oktober des vergangenen Jahres schlossen die Tech-Giganten Amazon und Google Stromabkommen mit den Ingenieursfirmen X-Energy und Kairos Power. Diese entwickeln neuartige Reaktoren, die künftig Rechenzentren – insbesondere für Künstliche Intelligenz – mit Strom versorgen sollen. Zwar sind weder X-Energy noch Kairos Power börsennotiert, doch die Nachricht ließ den gesamten Markt für Kernenergie-Aktien nach oben schießen „Das Thema Kernenergie-Aktien ist eng mit dem Hype um Künstliche Intelligenz verbunden. Die zahlreichen neuen Rechenzentren verschlingen enorme Mengen Energie – deshalb steigen die Kurse. Und es wird erwartet, dass die Investitionen in diese Infrastruktur noch lange anhalten“, erklärt Oskar Barner Bernhardtsen, Anlagestratege bei Saxo Bank. Er fügt hinzu: „Von einer ausgewachsenen Blase würde ich noch nicht sprechen, aber wer jetzt einsteigt, kommt eindeutig zu spät zur Party.“ Unterstützung erhält der Markt zudem von politischer Seite. Seit Donald Trump erneut die US-Präsidentschaft übernommen hat, spricht er sich vehement für den Ausbau der Kernkraft aus. Im Mai unterzeichnete er ein Dekret zur Reindustrialisierung der amerikanischen Atomwirtschaft. Die USA verfügen bereits heute über die meisten kommerziellen Kernkraftwerke weltweit.
Solche Euphorie-Phasen sind am Aktienmarkt nicht neu. Vergleichbare Übertreibungen gab es bereits bei Cannabis-Aktien oder den sogenannten grünen Aktien.
Zwischen Überbewertung und Rendite – die Lage bei Kernenergie-Aktien
Auch etablierte Energiekonzerne profitieren vom Boom der Kernenergie-Aktien. So stieg die Aktie von Constellation Energy in den letzten drei Jahren um 414 Prozent, Vistra legte sogar um 715 Prozent zu. Das kanadische Bergbauunternehmen Cameco verzeichnete ein Kursplus von 242 Prozent. Doch die Bewertungen wirken teils absurd: Cameco wird derzeit zum 60-Fachen der erwarteten Gewinne gehandelt – bei einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20,5 für globale Standardwerte. Ähnlich spekulativ präsentieren sich die beiden aufstrebenden Reaktorbauer Nuscale Power und Oklo A. Trotz milliardenschwerer Börsenbewertungen – 4,7 beziehungsweise knapp 8 Milliarden Dollar – erwirtschaften beide Unternehmen noch keine Gewinne. Die Technologie steckt noch in der Entwicklungsphase, der kommerzielle Einsatz in Kernkraftwerken steht aus. Dennoch steigen immer mehr Privatanleger in den Markt für Kernenergie-Aktien ein. Laut der Investmentplattform Nordnet hielten im Januar letzten Jahres lediglich 457 beziehungsweise 2 skandinavische Anleger Anteile an Nuscale Power und Oklo A. Heute sind es 867 beziehungsweise 1222 Aktionäre – Tendenz steigend.
Doch die fehlenden Ertragskennzahlen werfen Fragen auf. „Müssen wir die Gewinne der nächsten 20 Jahre bereits heute einpreisen? Das könnte gefährlich werden“, warnt Lars Skovgaard, Anlagestratege bei Danske Bank. Er empfiehlt sicherheitsbewussten Anlegern den Einstieg über sogenannte ETFs – breit gestreute Fonds, die Kernenergie-Aktien mit unterschiedlichen Risikoprofilen bündeln.