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Urlaub macht krank: Warum immer mehr unter der Freizeitkrankheit leiden

Kopfschmerzen, Erschöpfung, Fieber – ausgerechnet im Urlaub? Die Freizeitkrankheit trifft immer mehr Menschen. Warum Erholung krank macht und was wirklich hilft.
14.07.2025 07:23
Lesezeit: 2 min
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Freizeitkrankheit: Wenn Entspannung den Körper lahmlegt

Lange geplant, sehnsüchtig erwartet – und kaum beginnt der Urlaub, schlägt die Krankheit zu. Studien zeigen: Immer mehr Menschen, besonders junge, werden ausgerechnet an freien Tagen oder im Urlaub krank. Obwohl Urlaub der Erholung dienen soll, kehren viele Menschen zunehmend erschöpft und krank zurück. Die Ursache: Sie erkranken während ihrer freien Zeit. Dieses Phänomen trägt bereits einen eigenen Namen – die sogenannte Freizeitkrankheit (engl. Leisure Sickness).

Laut einer Umfrage der deutschen IU Internationalen Hochschule gaben 19,3 Prozent der Befragten an, an Wochenenden oder im Urlaub häufig oder sogar immer Krankheitssymptome zu verspüren. Insgesamt haben 71,9 Prozent der Teilnehmer bereits Erfahrungen mit der Freizeitkrankheit gemacht. „Die Freizeitkrankheit äußert sich vor allem am Wochenende oder während des Urlaubs durch Symptome wie Müdigkeit, Kopf- oder Bauchschmerzen, Schnupfen oder Fieber“, erklärt Dr. Stefanie Andre, Autorin der Studie.

Eine mögliche Ursache liegt im Nervensystem: Während Stressphasen dominiert das sympathische Nervensystem, die sogenannte „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion. Für Regeneration ist hingegen das parasympathische Nervensystem zuständig. Wer jedoch dauerhaft unter Spannung steht, hat Schwierigkeiten beim Wechsel in den Erholungsmodus – der Körper reagiert auf Entspannung mit Erschöpfung.

Perfektionismus, ständige Erreichbarkeit und fehlende Erholung

Besonders anfällig für die Freizeitkrankheit sind Perfektionisten und Menschen mit starkem Kontrollbedürfnis. Die ständige Erreichbarkeit über digitale Geräte verhindert das mentale Abschalten – das Gehirn bleibt im Arbeitsmodus, echte Erholung bleibt aus.

Frauen sind häufiger betroffen als Männer. „Viele Frauen tragen neben dem Beruf noch die Verantwortung für den Haushalt. Damit bleibt kaum Raum für wirkliche Erholung. Auch während der freien Zeit sorgen familiäre Verpflichtungen oft dafür, dass vollständiges Abschalten unmöglich ist. Diese Dauerbelastung führt zu den bekannten körperlichen und psychischen Reaktionen der Freizeitkrankheit. Besonders in Berufen mit hoher emotionaler Belastung kann chronische Erschöpfung zu einem stillen Risiko für Gesundheit und Arbeitsqualität werden“, warnt Dr. Andre.

Auch Jüngere leiden überdurchschnittlich oft an der Freizeitkrankheit im Vergleich zu älteren Berufstätigen. Ein Grund dafür: Die junge Generation verbringt ihre Freizeit häufig passiv – etwa beim Scrollen durch soziale Netzwerke oder beim Konsum von Serien und Filmen. Die Studie zeigt, dass Menschen, die ihre Freizeit aktiv und sinnvoll gestalten, deutlich seltener an der Freizeitkrankheit erkranken.

Was hilft gegen die Freizeitkrankheit?

Unternehmen können gezielt zur Vorbeugung beitragen, indem sie eine Unternehmenskultur etablieren, die echte Erholung ermöglicht. Dazu gehören Weiterbildungsangebote, Vorbildfunktionen der Führungskräfte, flexible Arbeitszeiten und klare Kommunikationsregeln.

Doch laut Dr. Andre liegt die Verantwortung nicht allein bei den Arbeitgebern: „Gesundheit ist eine gemeinsame Aufgabe von Unternehmen und Beschäftigten. Arbeitgeber müssen geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Doch die besten Angebote wirken nur, wenn die Mitarbeitenden bereit sind, diese aktiv zu nutzen. Das bedeutet: Jeder trägt Eigenverantwortung. Auch im Arbeitsalltag müssen Pausen, Bewegung und bewusste Erholung eingeplant werden – und während Urlaub und Freizeit gilt es, konsequent Abstand zu beruflichen Themen zu halten“, so die Expertin.

Die IU Internationale Hochschule befragte für ihre repräsentative Studie 2.004 Erwerbstätige im Alter von 16 bis 65 Jahren in Deutschland. Die Freizeitkrankheit ist auch hierzulande ein wachsendes Problem. Gerade die deutsche Arbeitskultur mit ihrer hohen Leistungsorientierung und ständiger Erreichbarkeit begünstigt das Phänomen. Besonders besorgniserregend: Die junge Generation ist stärker betroffen, was langfristig zu Produktivitätsverlust und erhöhtem Krankenstand führen kann.

Die Freizeitkrankheit ist mehr als ein kurioses Randphänomen – sie zeigt, wie stark Dauerstress und fehlende Erholung unsere Gesundheit gefährden. Wer nicht rechtzeitig gegensteuert, riskiert, dass selbst der ersehnte Urlaub zur Belastung wird. Arbeitgeber und Beschäftigte müssen gemeinsam Verantwortung übernehmen, um Erholung wieder möglich zu machen.

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