Berlin, Bauern und Abgeordnete gegen die EU-Kommission: Streit um Verteidigung, Ukrainehilfen und Agrarbudgets
Die EU-Kommission hat am Mittwoch ihren Vorschlag für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen präsentiert – mit einem Rekordvolumen von fast zwei Billionen Euro. Doch die Reaktionen aus Deutschland und den Bauernverbänden fielen umgehend ablehnend aus. Auch zahlreiche Europaabgeordnete übten scharfe Kritik. Die Gründe für die Unzufriedenheit sind vielfältig.
Deutschland kündigte an, dass es den geplanten Haushalt der Europäischen Union für die Jahre 2028 bis 2034 nicht mittragen werde. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nannte das Paket den "ehrgeizigsten Haushaltsvorschlag aller Zeiten".
Europas Zukunft im Blick: Sicherheit, Technologie und Schuldenabbau
Im Zentrum des Plans stehen der Ausbau der europäischen Sicherheit, die Förderung strategischer Technologien sowie die Rückzahlung pandemiebedingter Schulden. Die EU plant, einen Wettbewerbsfonds mit einem Volumen von 409 Milliarden Euro aufzulegen, zudem 131 Milliarden Euro in Verteidigung, Sicherheit und Raumfahrt zu investieren. Weitere bis zu 100 Milliarden Euro sind für den Wiederaufbau der Ukraine vorgesehen.
Berlin warnt: Kein Blankoscheck für Brüssel
Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, dass eine derart umfassende Erhöhung des EU-Haushalts "nicht akzeptabel" sei – gerade in einer Phase, in der alle Mitgliedstaaten gezwungen seien, ihre nationalen Haushalte zu konsolidieren.
Zudem lehnt Berlin die geplante Einführung einer Mindestbesteuerung für Unternehmen mit über 100 Millionen Euro Umsatz ab, wie sie die Kommission vorschlägt.
Während Deutschland den Entwurf als überambitioniert und kostspielig bewertet, bemängeln EU-Abgeordnete andere Aspekte: Aus ihrer Sicht fehlen Investitionen in den Klimaschutz sowie ausreichende Mittel für die Agrarpolitik.
Haushaltskommissar Piotr Serafin erklärte, dass 300 Milliarden Euro für die Landwirtschaft eingeplant seien – deutlich weniger als die 387 Milliarden Euro im aktuellen Haushalt. Besonders die Kürzung der 270 Milliarden Euro an Direktzahlungen stößt auf Ablehnung.
"Schwarzer Mittwoch" für Europas Bauern
Die Kommission plant, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) neu auszurichten. Teile des Agrarbudgets sollen in andere Haushaltstitel umgeschichtet werden. Das Ziel: mehr Spielraum für andere politische Prioritäten. Doch auf dem Land regt sich Widerstand.
Hunderte Landwirte demonstrierten am Mittwoch in Brüssel gegen den Haushaltsvorschlag. Die Lobbygruppe Copa-Cogeca sprach vom "Schwarzen Mittwoch" und warf der Kommission vor, die gemeinsame Agrarpolitik "durch die Hintertür zu zerstören".
Die Proteste erinnerten an die europaweiten Bauernaufstände des Vorjahres – ausgelöst durch Billigimporte, niedrige Erzeugerpreise und überbordende Umweltauflagen. Nun droht eine neue Eskalation.
Belastungsprobe für Deutschland
Für Deutschland ist der Haushalt in mehrfacher Hinsicht relevant: Berlin zählt zu den größten Nettozahlern der EU und müsste einen erheblichen Teil der Zusatzmittel aufbringen. Zugleich steht die Bundesregierung unter Druck, die Belastung für Landwirte zu begrenzen, die bereits durch hohe Produktionskosten und Bürokratie geschwächt sind. Auch der geplante Wettbewerbsfonds könnte deutsche Industrieinteressen beeinträchtigen, wenn Fördermittel ungleich verteilt würden.
Der ungarische Premier Viktor Orbán, traditioneller Kritiker Brüssels, nutzte die Debatte für eigene Zwecke. Er warf der EU vor, mit dem neuen Haushalt Kiew zu bevorzugen, während europäische Bauern geopfert würden. "Die Ukraine erhält Milliarden, die Landwirte verlieren", sagte Orbán.
Zwei Jahre Haushaltsstreit stehen bevor
Der Vorschlag markiert den Auftakt zu einem zweijährigen Verhandlungsmarathon zwischen dem Europäischen Parlament und den 27 Mitgliedstaaten. Viele Regierungen – allen voran Deutschland und die Niederlande – zögern, den EU-Etat weiter aufzustocken.
Anders als in der vorherigen Finanzperiode ist die EU nun hoch verschuldet: Nach der Pandemie nahm sie 800 Milliarden Euro auf. Ab 2028 fallen dafür jährlich 25 bis 30 Milliarden Euro an Rückzahlungen an.
Der aktuelle EU-Haushalt 2021–2027 umfasst rund 1,2 Billionen Euro, gespeist aus nationalen Beiträgen und Einnahmen wie Zöllen. Der neue Vorschlag sieht vor, den nationalen Anteil leicht zu erhöhen – von 1,13 Prozent auf 1,15 Prozent des Bruttonationaleinkommens, zuzüglich 0,11 Prozent zur Schuldentilgung.
Neue Einnahmen: Plastikabgabe und CO₂-Gebühren
Zusätzlich will Brüssel jährlich 58 Milliarden Euro aus fünf eigenen Einnahmequellen einnehmen – darunter eine Plastikabgabe, CO₂-Gebühren und eine Abgabe auf nicht recycelten Elektroschrott.
Frankreichs Europaminister Benjamin Haddad lobte den Vorstoß der Kommission. Doch sein niederländischer Amtskollege Eelco Heinen erklärte trocken, der Entwurf sei "zu groß". Viele Europaabgeordnete nannten den Entwurf hingegen "unzureichend".
"Wir erleben de facto einen Investitions- und Ausgabenstopp", erklärten mehrere Haushaltsabgeordnete in einer gemeinsamen Stellungnahme.