Unternehmensporträt

Bäder für Kreuzfahrtschiffe: Wie Stengel mit Serienfertigung Maßstäbe setzt

Ob für Disney Cruise Line oder Carnival Cruises: Mit Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe zeigt die Stengel GmbH aus Ellwangen, wie ein Mittelständler mit Systemfertigung und Automatisierung international erfolgreich ist.
31.10.2025 16:45
Aktualisiert: 07.11.2025 16:45
Lesezeit: 6 min
Bäder für Kreuzfahrtschiffe: Wie Stengel mit Serienfertigung Maßstäbe setzt
Die Stengel GmbH aus Ellwangen baut jährlich 10.000 Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe und zeigt, wie deutsche Systemfertigung global bestehen kann (Foto: Stengel GmbH).

Stengel-Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe – auf den Weltmeeren unterwegs

Ellwangen ist eine Kleinstadt auf der Ostalb zwischen Aalen und Crailsheim und liegt rund 700 Kilometer von der Nordsee entfernt. Dennoch ist Ellwangen gewissermaßen auf den Weltmeeren unterwegs – in Form von Nasszellen auf Kreuzfahrtschiffen. Denn wenn auf der Meyer Werft in Papenburg ein neuer Ozeanriese für Disney Cruise Line oder Carnival Cruises vom Stapel läuft, stammen die Bäder sehr wahrscheinlich aus den Werkshallen von Stengel in Ellwangen-Neunheim.

Die Stengel GmbH, gegründet 1967 von Alois Stengel, hat sich in fast sechs Jahrzehnten vom regionalen Blechverarbeiter zum globalen Systemlieferanten für Werften, Hotelausstatter und Bauunternehmen entwickelt. Heute beschäftigt das Familienunternehmen rund 850 Mitarbeitende und fertigt auf über 108.000 Quadratmetern Produkte, die von Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe über Großküchen bis zu Systembädern für Wohnanlagen reichen.

„Wir sind mit den Kunden mitgewachsen, aufgrund von sehr guten, überdurchschnittlichen Mitarbeitern“, sagte Betriebsinhaber Josef Stengel bereits 2017 in einem Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung. Aus anfänglich einfachen Stahlkonstruktionen für regionale Auftraggeber hat sich ein industrieller Systemlieferant entwickelt, der heute Werften wie Meyer mit Bädern beliefert. „Und wir sind Weltmarktführer für Nasszellen für Kreuzfahrtschiffe“, so Stengel im selben Interview weiter. Die fünfzigtausendste ging 2019 nach Papenburg.

Vom Metallbauer zum industriellen Serienfertiger

Die Ursprünge des Unternehmens liegen in der Metallverarbeitung. In den 1970er-Jahren belieferte Stengel vor allem regionale Maschinenbauer und Handwerksbetriebe mit maßgefertigten Stahlkonstruktionen und Blechkomponenten für Anlagengehäuse und technische Verkleidungen. In den 1980er-Jahren folgten erste Aufträge aus der Gastronomie: Edelstahlküchen und Arbeitselemente, die bald zum Markenzeichen wurden und den Grundstein für das heutige Geschäft mit Miniküchen und Systemmöbeln legten.

Mit dem Eintritt von Josef Stengel in die Geschäftsführung, dem Sohn des Firmengründers, begann in den 1990er-Jahren der Übergang vom Handwerk zur industriellen Serienproduktion. CAD-gestützte Fertigung und ein neu aufgebautes Vertriebsnetz in Ost- und Westeuropa machten das Unternehmen zu einem skalierbaren Systemlieferanten für metallverarbeitende Komplettlösungen. „Wir verstehen uns als Systemlieferant, der von der Konstruktion bis zur Auslieferung alles aus einer Hand bietet“, heißt es passend in einem Unternehmensflyer.

Ab 2005 investierte Stengel gezielt in Automatisierung und Prozessintegration. Am Stammsitz in Ellwangen-Neunheim entstanden Stanz- und Laserzentren, automatisierte Abkantzellen sowie ein modernes Warenlager. Diese technologischen Grundlagen ebneten den Weg in die Serienfertigung kompletter Nasszellenmodule für die Schifffahrt.

Einstieg in die Kreuzfahrtbranche – dann kam die Pandemie

Der Einstieg in die Schiffbau begann bei Stengel vor gut anderthalb Jahrzehnten. 2011 erweiterte das Unternehmen seine Montagekapazitäten in Ellwangen, um erstmals maritime Nasszellenmodule in Serie für die Kreuzfahrtindustrie zu fertigen.

Ein Jahr später entwickelte Stengel ein eigenes Verfahren für Leichtbau-Fliesenwände, die die Anforderungen an Gewicht, Brandschutz und Korrosionsbeständigkeit im Schiffbau erfüllen. 2016 nahm die Tochtergesellschaft MS Maritime im litauischen Plungė die Produktion auf, ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Meyer Werft, das bis zur Corona-Pandemie rund um die Uhr Baugruppen und Vormontageelemente für den europäischen Werftenmarkt fertigte.

Mit dem Pandemie-bedingten Einbruch der Reisebranche kam es dort zu einer deutlichen Drosselung. „Die Fertigung dort werden wir reduzieren, weil wir ab 2023 weniger Kreuzfahrtschiffe erwarten“, sagte der damalige Geschäftsführer Josef Stengel im Oktober 2022 gegenüber der Schwäbischen Post. Gleichzeitig seien die Werke in Ellwangen weiterhin voll ausgelastet gewesen. Strategisch reagierte das Unternehmen mit einer Beteiligung des Schweizer Baukonzerns Nokera, der im selben Jahr mit zehn Prozent einstieg, ein Schritt zur Diversifikation in den Bereich modularer Wohn- und Fertigbauelemente als Absicherung gegen die Schwankungen der Kreuzfahrtbranche.

Die heute am Stammsitz in Ellwangen-Neunheim gefertigten Nasszellen sind vollständig vormontierte Funktionsmodule aus Metall inklusive Rohrsystemen, Verkleidung, Elektroinstallation und Oberflächenfinish. Die schlüsselfertige Auslieferung erfolgt mit festgelegten Qualitätsprüfungen und Just-in-Sequence-Logistik.

Die zugrunde liegende Serienproduktion basiert auf automatisierten Stanz-, Laser- und Biegeprozessen mit angebundenen Materiallagern und 24-Stunden-Betrieb. Diese technologische Basis entstand durch gezielte Investitionen in Laserschneiden, Rohrbearbeitung, Pressen und Abkanttechnik, die Stengel seit den 2000er-Jahren schrittweise in den Produktionsablauf integriert hat.

Für Kreuzfahrtschiffe, die bei Meyer in Papenburg im Auftrag von Disney Cruise Line und Carnival Cruise Line entstehen, liefert Stengel seitdem die Nasszellenmodule. 2019 verließ die fünfzigtausendste das Werk in Ellwangen. Seither wächst der Markt für vorgefertigte Kabinensysteme parallel zur globalen Schiffsproduktion – und sorgt für volle Auftragsbücher auf der Ostalb.

Der Kreuzfahrtboom als Wachstumstreiber

Laut Cruise Industry News sollen bis zum Jahr 2031 acht Kreuzfahrtschiffe bei Meyer in Papenburg gebaut werden, für die Stengel die Badmodule zuliefern soll. Den Auftakt bildete im September 2025 die Disney Destiny, ein Neubau der Wish-Klasse mit rund 1.250 Kabinen und Platz für 4.000 Passagiere. Bis 2028 soll Meyer zwei weitere Schiffe der Baureihe für Disney sowie zwei Schiffe der Excel-Klasse für Carnival Cruise Line liefern, die mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden und energieeffizienter sind.

Ab 2028 folgen weitere Neubauten, darunter ein Schiff für den japanischen Freizeitkonzern Oriental Land Company, mit dem Disney in den asiatischen Markt einsteigen will, sowie drei weitere Schiffe für Disney Cruise Line. Insgesamt umfasst das Auftragsbestand von Meyer laut FAZ bis 2031 neun Großprojekte im Kreuzfahrtsegment mit einem Volumen von über 11 Milliarden Euro.

Hintergrund ist die anhaltend hohe Nachfrage nach Kreuzfahrten seit dem Ende der Corona-Pandemie. Laut dem Branchenverband Cruise Lines International Association (CLIA) reisten 2024 weltweit rund 34,6 Millionen Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen, für 2025 werden 37,7 Millionen erwartet. Neue Zielgruppen und zusätzliche Routen in Europa und Asien treiben das Wachstum weiter an. Davon profitieren die großen Reedereien ebenso wie ihre Zulieferer.

Von der Werkbank zur 24-Stunden-Fertigung

Die Grundlage dieser Wettbewerbsfähigkeit liegt in der Fertigungstiefe. In Ellwangen betreibt Stengel ein automatisiertes Stanz- und Laserzentrum im 24-Stunden-Betrieb. Über Materiallager mit mehr als 1.300 Plätzen werden Bleche automatisch zugeführt, geschnitten und gebogen.

Pro Jahr werden auf rund 56.000 Quadratmetern Produktionsfläche mehr als 14.000 Tonnen Blech verarbeitet. In der Rohrbearbeitung kommen Hochpräzisionslaser zum Einsatz, die selbst komplexe Konturen und Wandstärken bis zu zehn Millimetern schneiden können. Wie das Fachportal blechonline.de berichtet, nutzt Stengel bei der Steuerung seiner Pressen digital gekoppelte Systeme, die den Energieverbrauch senken und den Durchsatz erhöhen. Das Ziel ist eine Fertigung, die trotz steigender Lohn- und Energiekosten international wettbewerbsfähig bleibt.

Auch in der Endfertigung arbeitet das Unternehmen mit hoher Prozessintegration. Vom Tiefziehen bis zum Schweißen werden alle Arbeitsschritte dokumentiert und digital überwacht, ein Prinzip, das in der maritimen Fertigung ebenso gilt wie beim Bau vorgefertigter Bäder für Hotels, Wohnanlagen und Pflegeeinrichtungen im Hochbau.

Wachstum auf der Ostalb

Im Jahr 2021 begann Stengel, seine Produktionskapazitäten am Standort Neunheim deutlich zu erweitern. Auf dem Firmengelände entstand eine neue, rund 6.500 Quadratmeter große, zweigeschossige Montagehalle, die Anfang 2022 in Betrieb ging. Geschäftsführer Josef Stengel erklärte beim Spatenstich gegenüber der Ipf- und Jagst-Zeitung, dass der Neubau vor allem der steigenden Nachfrage nach Fertigbädern für den Hochbau diene.

Die Entscheidung erwies sich als strategisch richtig. Die Kreuzfahrtbranche verzeichnet seit dem Ende der Pandemie eine deutliche Erholung. Die Schiffe werden größer und hochwertiger ausgestattet. Bei der Meyer Werft entstehen derzeit Neubauten für Disney Cruise Line und Carnival Cruise Line mit 144.000 bis 180.000 Bruttoraumzahl (BRZ). Das sichert den Bedarf an vorgefertigten Nasszellen.

Wie der Mittelständler den Hochbau erobert

Zugleich hat sich der Hochbau zu einem zweiten Standbein entwickelt, mit der Produktion vorgefertigter Bäder für Hotels, Wohnanlagen und Pflegeeinrichtungen. In Neunheim laufen inzwischen bis zu 32 Fertigbäder pro Tag vom Band. Der Hochbauanteil am Gesamtumsatz von etwa 160 Millionen Euro liegt bei rund 20 Prozent (Stand 2023).

Neben einer ausgeklügelten Technologie spielt bei Stengel auch das Design eine zentrale Rolle. Schon in den 1980er-Jahren begann das Unternehmen, seine metallverarbeitende Kompetenz auf sichtbare Oberflächen zu übertragen.

In den 2000er-Jahren folgten erste komplett ausgestattete Edelstahlküchen für den Objektbau. Einen Meilenstein setzte Stengel 2012 mit der Entwicklung eines eigenen Leichtbau-Fliesenprinzips, bei dem Aluminiumverbundplatten keramische Fliesen ersetzen. Die Oberfläche wird im Digitaldruck individuell gestaltet und erfüllt gleichzeitig die Anforderungen an Brandschutz, Gewicht und Feuchtigkeitsbeständigkeit.

Diese Technologie kommt heute in den Nasszellenmodulen für Kreuzfahrtschiffe ebenso zum Einsatz wie in Fertigbädern für den Hochbau. Die Metallpaneele sind robust, leicht zu reinigen und kombinieren industrielle Präzision mit gestalterischer Freiheit. Auf Schiffen, wo Brandschutz, Raumökonomie und Gewicht entscheidend sind, bietet das System klare Vorteile: Aluminium- und Edelstahlkomponenten widerstehen Feuchtigkeit und Temperaturschwankungen, ermöglichen aber zugleich Oberflächen in Holz-, Stein- oder Betonoptik.

Das Ergebnis sind Module, die funktionale Industrieästhetik mit dem Komfort von Hotelinterieurs verbinden. Unter der neuen Geschäftsführerin Ines Kranz, die 2024 gemeinsam mit Josef Stengel die Leitung übernahm, soll die Verbindung von Technologie, Design und Nachhaltigkeit künftig noch stärker in den Fokus rücken.

Vom Kreuzfahrtschiff zum Ferienpark

Neben den maritimen Nasszellen bilden heute Systembäder für den Hochbau, modulare Miniküchen aus Metall und Komponenten für IT-Infrastruktur tragende Säulen des Geschäfts. Bereits in den 1990er-Jahren begann Stengel mit der Serienfertigung von Metallküchen, die heute unter anderem in Ferienparks, Hotels und Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden.

Ein Beispiel ist der Ferienpark Allgäu von Center Parcs, für den Stengel komplette Küchen- und Bademodule lieferte. Das Projekt folgte denselben industriellen Prinzipien wie der Schiffbau: skalierbare Serienfertigung und hohe Standardisierung.

Lehren aus Ellwangen: Was Stengel besser macht

Stengels Entwicklung zeigt, dass industrielle Systemfertigung aus Hochlohnländern erfolgreich sein kann. Entscheidend sind vertikale Integration, digitale Prozesssteuerung und die Fähigkeit, komplette Systeme statt einzelner Komponenten zu liefern. Für andere mittelständische Industrieunternehmen lassen sich daraus drei Lehren ableiten:

Erstens: Automatisierung sichert Marge und Qualität. Zweitens: Eigenentwicklung und Designkompetenz schaffen Differenzierung. Und Drittens: Langfristige Kundenbeziehungen entstehen durch Zuverlässigkeit, nicht Preisführerschaft.

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