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Die nackten Zahlen: Kein Ende der Euro-Krise in Sicht

Vor der EU-Wahl beeilen sich die Regierungen und die EU-Bürokraten, die Lage in den Euro-Krisenstaaten schönzufärben. Doch die nackten Zahlen zeigen: Es gibt keinen Aufschwung. Nach der Wahl müsste drastische Maßnahmen folgen, um die Euro-Zone vor der Implosion zu bewahren.
19.05.2014 02:48
Lesezeit: 3 min

Besonders vor den Europawahlen überbieten sich Regierungen der Eurozone mit getricksten Erfolgsmeldungen zum Euro. Griechenland gilt als definitiv gerettet, die Rückkehr der Krisenländer an die Weltfinanzmärkte als Siegel unter den Erfolgsmeldungen. Dabei treiben nur die extrem niedrigen und von den Zentralbanken manipulierten Zinsen und Renditen für normale Anlagen die Anleger, selbst auf hochriskante Anleihen aus den Krisenländern zu setzen und der dort etwas besseren Rendite hinterherzulaufen. Niemand der Erfolgsvermelder fragt sich öffentlich, was eigentlich passiert, wenn die Zentralbanken die Zinsen wieder auf ein normaleres Niveau anheben.

Schon ein kurzer Blick hinter die Kulissen zeigt, wie morsch noch das Gebälk ist, auf dem die angebliche Erfolgsstory ausgetragen wird. Im 1. Quartal 2014 lag die Wirtschaftsleistung der Krisenländer immer noch erheblich unter dem Vorkrisenniveau; dabei verlor Griechenland noch einmal 1,1 % gegenüber Vorjahr und hat gegenüber 2009 schon 19 % verloren (Abb. 15817). Die Krise geht bei Griechenland nun schon ins sechste Jahr, bei anderen ist es das fünfte oder vierte.

Die fast unverändert extrem hohe Arbeitslosigkeit vor allem in Griechenland und Spanien wirft die Frage auf, wie lange noch die Bevölkerungen die Sparpolitiken durchhalten. Verglichen mit vor der Krise sind allein in den 5 Krisenländern 6,8 Mio Menschen mehr arbeitslos oder insgesamt heute 11,4 Mio (Abb. 16566).

Auch die Inflationsraten sind in den Krisenländern immer noch nicht negativ, in den anderen Ländern, vor allem Deutschland, positiv genug, um den Anpassungsprozeß zu erleichtern; von Griechenland abgesehen, liegen sie weiter eng beieinander und auch die deutsche Inflation ist stark gefallen, statt gestiegen zu sein (Abb. 17269).

Die Anlageninvestitionen, die für Arbeitsplätze sorgen müßten, sind überall zwischen 20 und 60 % geradezu dramatisch eingebrochen, ohne daß eine wirkliche Erholung bisher erkennbar wäre (Abb. 15814). In Griechenland, das keine neueren Daten zu seinen Investitionen publiziert, ging die Industrieproduktion (ohne Bau) auch im letztgemeldeten Monat März 2014 um weitere 3,1 % zurück, die Bauindustrie verlor sogar weitere 5,9 %. - von Krisenende also keine Spur!

Nach dem letzten Wirtschaftsausblick der OECD wird die Staatsverschuldung gemessen an der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr weiter steigen (Abb. 16969). Damit ist es keinem der Krisenländer (außer Irland) bisher gelungen, auch nur ein Stückchen aus der Verschuldung herauszuwachsen, wie immer wieder erwartet wurde; und auch bei Irland ist es nur eine hoffnungsvolle Projektion für 2014, die von einer guten Entwicklung der irischen Exporte und damit der irischen Konjunktur abhängt. Allein um einen weiteren Anstieg der Verschuldungsquote zu vermeiden, müßten die Volkswirtschaften etwa um 3 % wachsen. Bei Griechenland wird 80 % der Staatsschuld von den Euroländern (vor allem Deutschland) und dem Währungsfonds getragen; umso weniger schert sich die griechische Regierung um ihre Verschuldungsquote und setzt statt dessen auf einen späteren Schuldenerlaß.

In der gedrückten Wirtschaftslage der Krisenländer wächst zudem der Anteil der faulen Kredite (Abb. 18353). Die Rating-Agentur Fitch prüfte die Bilanzen von hundert Banken der Eurozone. Der Anteil der angebrannten Kredite stieg im vergangenen Jahr um weitere 8,1 % auf über 1 Billion Euro. Dagegen stiegen die Reserven, die die Banken gegen Kreditverluste schützen sollen, nur um 7,5 % auf 570 Mio Euro. Bei 29 Banken lag der Anstieg des Anteils fauler Kredite sogar über 20 % und nur bei einem Drittel kam es zu einem Rückgang. Bei fast einer halben Billion nicht durch Rücklagen abgesicherter fauler Kredite, steht es um die betroffenen Banken nicht besonders gut. Viele der kränkelnden Banken kommen auch ihrer Aufgabe einer ausreichenden Kreditversorgung von Wirtschaft und Verbrauchern nicht mehr nach, und das obwohl nach neuen Berechnungen der EU-Kommission die Regierungen aller EU-Länder die Banken zwischen 2008 und 2012 mit 1,5 Billionen Euro an Subventionen gestützt haben (mehr als 12 % der gesamten Wirtschaftsleistung von 2012).

Nach der letzten Statistik der EZB gingen die Kredite der Banken im März 2014 insgesamt um weitere 2,2 % gegenüber Vorjahr zurück und davon an Unternehmen um 3 %; auch die OECD verzeichnet in ihrem neuesten Wirtschaftsausblick den fortbestehenden Einbruch (Abb. 18351). Die Zinsraten der Banken sind weiter - verglichen mit Deutschland und Frankreich - sehr hoch und bremsen die Erholung in den Krisenländern (Abb. 18352).

Damit sieht es in den Krisenländern längst nicht so gut aus, wie uns immer wieder weisgemacht wird und ist die Eurokrise längst nicht vorbei. Was soll eigentlich passieren, wenn die privaten Gläubiger der Krisenländer eines Tages erkennen, daß die Verschuldung immer höher wächst, und ihre leichtfertig angelegten Gelder abziehen wollen, oder wenn in USA die FED bzw. in Großbritannien die Bank of England die Zinsen anhebt, was schon von vielen Beobachtern erwartet wird, und damit Anlagen in diesen Ländern wieder attraktiver werden?

Joachim Jahnke, geboren 1939, promovierte in Rechts- und Staatswissenschaften mit Anschluss-Studium an französischer Verwaltungshochschule (ENA), Mitarbeit im Kabinett Vizepräsident EU-Kommission, Bundeswirtschaftsministerium zuletzt als Ministerialdirigent und Stellvertretender Leiter der Außenwirtschaftsabteilung. Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London, zuletzt bis Ende 2002 als Mitglied des Vorstands und Stellvertretender Präsident. Seit 2005 Herausgeber des „Infoportals“ mit kritischen Analysen der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung (globalisierungskritisch). Autor von 10 Büchern zu diesem Thema, davon zuletzt „Euro – Die unmöglich Währung“, „Ich sage nur China ..“ und „Es war einmal eine Soziale Marktwirtschaft“. Seine gesellschaftskritischen Analysen beruhen auf fundierter und langjähriger Insider-Erfahrung.

Sein Buch über das Ende der sozialen Marktwirtschaft (275 Seiten mit 176 grafischen Darstellungen) kann unter der ISBN 9783735715401 überall im Buch- und Versandhandel für 15,50 Euro bestellt werden, bei Amazon hier.

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