Finanzen

Gefahr für Steuerzahler: EZB blendet 800 Milliarden Euro Risiko aus

Wegen der Nicht-Berücksichtigung von Staatsanleihen könnte die EZB bei ihrem Bilanz-Check Risiken in Höhe von 800 Milliarden Euro übersehen. Rund 64 europäische Großbanken sind betroffen, so eine Studie. Obwohl diese Banken den Bilanz-Check überstehen werden, haben sie dennoch zu wenig Kapital für den Krisenfall. Die schwachen Banken sind trotz bestandenen Tests weiterhin von Kapitalhilfen ihrer Regierungen abhängig.
15.09.2014 00:28
Lesezeit: 3 min

Die EZB-Bilanzchecks können einer neuen Studie zufolge Auswirkungen auf die angestrebte Glaubwürdigkeit haben. Insgesamt 64 der größten Banken in Europa weisen insgesamt 806 Milliarden Euro von sogenannten gewichteten Risiko-Aktiva auf. Dies bezieht sich auf die von den Banken gehaltenen Staatsanleihen, die im „Gesundheitscheck“ nicht bewertet bzw. komplett überprüft werden. Staatsanleihen gelten nach internationalen Regeln nämlich als „risikofrei“.

Gewichtete Risikoaktiva, die nach der Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls bemessen werden, werden insofern deutlich, als die Eigenkapitalvorschriften nun verschärft werden und daher eindeutigere Prüfungen erfordern als jene einfachen „Bilanz-Momentaufnahmen“, die aktuell von der EZB vorgenommen werden. Denn im Grunde müsste sichergestellt werden, dass ein echtes Risikoprofil erstellt wird und genügend Kapital zur Deckung etwaiger Verluste zur Verfügung steht, wie Reuters berichtet.

Mit anderen Worten: die Banken könnten die letzte Runde des Bilanz-Checks der EZB überstehen und immer noch „zu wenig Kapital oder zumindest zu wenig überschüssiges Kapital aufweisen – sofern die gehaltenen Staatsanleihen mit einberechnet werden“, sagte Sascha Steffen von der Berliner European School of Management and Technology (ESMT). Gemeinsam mit Josef Korte von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main ist Steffen Autor der Studie.

Die EZB ist derzeit dabei, die Risiken in den Bankbilanzen zu prüfen. Dabei werden die kurzfristig zur Verfügung gestellten Mittel (also die Liquidität – die die EZB bereits mit dem ersten Tender LTRO zur Verfügung stellte!), die Verschuldung sowie die Refinanzierungsfähigkeiten des jeweiligen Instituts geprüft. In Stufe zwei (Asset Quality Review) werden die faulen Kredite in den Bilanzen bewertet, die ausreichende Rückstellungen erfordern. Ein hartes Kernkapital von acht Prozent bildet hierbei die Basis. Banken, die diese Zielquote nicht erreichen, können dabei mit staatliche „Auffangmöglichkeiten“ rechnen. Stufe drei ist der Stresstest, unter Vorgabe von Risiko-Szenarien. Endgültigen Ergebnissen werden im November vorliegen.

Zuletzt hatte Steffen im Januar eine Studie vorgelegt, wonach deutschen, italienischen und französischen Banken rund 770 Milliarden Euro Eigenkapital fehlen, um bei Finanzkrisen zu bestehen.

In Deutschland gilt die Commerzbank als Wackelkandidat beim Stresstest. Wegen der anhaltenden Ertragsschwäche liege die harte Kernkapitalquote im härtesten Stressszenario wohl nur bei 5,1 Prozent. Dies hatten Analysten des italienischen Instituts Mediobanca errechnet. Als Risikopositionen bzw. faulen Krediten, zählen Immobilien- und Schiffskredite, die in der internen „Bad Bank“ lagern – davon allein 18 Milliarden Euro Schiffskredite.

Finanzvorstand Engels erklärte noch im Mai, dass die vom Steuerzahler gerettete Bank keine Rückstellungen bilden oder Wertberichtigungen vornehmen werde. Größter Anteileigner der Commerzbank mit 17 Prozent ist der Bund und damit der Steuerzahler. Bisher hat Finanzminister Schäuble vergeblich versucht, die Bank endgültig loszuwerden.

Auch Risiken bei den Landesbanken stehen noch offen. Zur Frage der Risikobewertung der Bankbilanzen gehören beispielsweise die HSH Nordbank, die 27 Milliarden Kredite für Schiffskredite ausreichte, sowie die 18 Milliarden Euro, die die Nord-LB an die krisengeschüttelten Reeder ausreichte.

Darüber hinaus sind die Bewertungen der Staatsanleihen von Bedeutung.

In den EU-Bestimmungen der Bilanzierungsvorschriften werden Staatsanleihen als risikolos bewertet und müssen nicht mit Eigenkapital unterlegt werden, was Bundesbankpräsident Jens Weidmann seit Längerem beanstandet und als „Illusion der Risikolosigkeit“ kritisiert.

Die EU-Bestimmungen zur Behandlung von Staatsschulden (also der in den Bankbilanzen befindlichen Staatsanleihen) wurde vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht gegeißelt. Dieser hatte eine realistische Einschätzung der Risiken in den Bankbilanzen gefordert. Die Logik dahinter war, dass Staaten, die sich ihre Staatsanleihen durch Banken abkaufen lassen, dadurch quasi die Lizenz zum Gelddrucken erhalten.

Entscheidungsträger in der EU, mit Blick auf das gemeinsame Marktrecht, erweiterten die Regeln, damit die Banken die als risikolos geltenden Staatsanleihen auch von anderen EU-Ländern kaufen konnten. Dies mit der Begründung, dass sie eine stabile Basis für Länder mit massiven Defiziten bilden könne. Und um darüber hinaus die Banken mit liquiden Vermögenswerten zu versorgen – ein weiteres Ziel der politischen Entscheidungsträger.

Ein EZB-Sprecher sagte, die EZB würde keine Prüfung der Risikogewichtung der Staatsanleihen beim Asset Quality Review vornehmen. Er fügte jedoch kryptisch hinzu: „Die Stresstests sind Teil der Bankenprüfung und insofern werden Staatsanleihen hinsichtlich des Kapitalbedarfs nicht mehr als ,risikolos‘ behandelt.“

Spanische und italienische Banken tragen das höchste Risiko hinsichtlich der gehaltenen Staatsanleihen.

Die von Steffen durchgeführte Studie besagt, dass sehr schwache Banken wie auf Zypern oder in Belgien und den Niederlanden, wie auch spanische und italienische Banken weiterhin Kapitalhilfen ihrer Länder benötigen werden.

Insgesamt gibt es Bilanzrisiken von 3,75 Billionen Euro, wie die Financial Times im März berichtete. Das sind 58 Prozent der Risiken bei den Großbanken.

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