Wirtschaft

Gefährliche Illusion: Fracking funktioniert in Europa nicht

Energie-Fachleute zweifeln am Fracking in Europa: Die Fördermethode ist innerhalb der EU zu teuer. Der Widerstand innerhalb der Bevölkerung ist groß. Die Amerikaner wollen dagegen ihre Fracking-Technologie rasch in die Ukraine bringen - um Kiew von Russland loszueisen.
13.05.2015 00:10
Lesezeit: 3 min

Die Energieminister der sieben führenden westlichen Industriestaaten (G7) wollen der Ukraine dabei helfen, die Energie-Abhängigkeit von Russland zu verringern. In einer gemeinsamen Erklärung riefen sie unter anderem Weltbank und Internationalen Währungsfonds (IWF) auf, vor allem im Energiebereich «sich an unseren Anstrengungen zur Unterstützung der Ukraine und anderer besonders gefährdeter europäischer Länder zu beteiligen».

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte zum Abschluss des Treffens am Dienstag in Hamburg, die G7 müssten Kiew noch sehr lange unter die Arme greifen: «Niemand glaubt heute, dass der Ukraine-Konflikt vollends gelöst ist.» Der amerikanische Energieminister Ernest Moniz bot den Europäern mittelfristig Flüssiggas-Exporte aus den USA an. Das könnte vor allem für einige osteuropäische EU-Länder, die ihren Bedarf zu 100 Prozent mit russischem Gas decken, eine Alternative sein.

Doch die Realität sieht ganz anders aus.

Voller Zuversicht hatte das britische Energie-Unternehmen Cuadrilla Resources im Jahr 2009 ein Büro in Polen eröffnet, um den US-amerikanischen Schiefergas-Boom in Europa nachzuahmen. Schließlich gab es auch auf dem europäischen Kontinent Schiefergas-Ressourcen und die Fracking-Industrie wurde als zukunftsweisend eingestuft.

Doch nach sechs Jahren ist es der Firma immer noch nicht gelungen, eine Förderanlage in Betrieb zu nehmen, obwohl die polnische Regierung das Fracking vehement unterstützt. Hinzu kommt, dass die Öl-Riesen Exxon Mobil, Chevron und Royal Dutch Shell mittlerweile von Fracking-Investitionen in Polen absehen. „Es ist nicht einfach (…) Die Kosten für Förderanlagen sind in Europa um ein vielfaches höher als in den USA. Außerdem werden wir bei jedem Schritt mit Vorschriften konfrontiert“, zitiert Bloomberg den Cuadrilla-Direktor für Dienstleistungen auf dem polnischen Markt, Marek Madeja.

Trotz des Wunschs der Europäer, sich von russischen Gas-Importen zu lösen, hat sich die Schiefergas-Förderung als Blindgänger erwiesen. Schwierige geologische Bedingungen, umständliche Vorschriften und der Krieg im Osten der Ukraine haben die anfängliche Begeisterung der Fracking-Anleger regelrecht schwinden lassen. Der Ölpreis-Verfall unter die 50-Dollar-Marke machte die Förderung in Europa schließlich komplett unmöglich. Die Euphorie ist verflogen. Michael Barron von der Eurasia Group in London sagt, dass die Fracking-Industrie in Europa im Gegensatz zu den USA keine bahnbrechende Entwicklung einleiten werde. Doch auch in den USA ist der Fracking-Boom mittlerweile vorbei.

Das ist vor allem eine schlechte Nachricht für die Ukraine, die ihre Abhängigkeit von Energie-Importen aus Russland reduzieren möchte. Der Energie-Konzern Shell hat seine Operationen in Donezk bereits eingestellt. Doch auch der Konzern Chevron, der im Westen der Ukraine tätig gewesen ist, stellte im Dezember 2014 all seine Operationen ein. Innerhalb der EU kommt als weitere Einschränkung für die Fracking-Industrie hinzu, dass es innerhalb der Bevölkerung einen größeren Widerstand gegen die Fracking-Technologie als in den USA gibt. Die Nato behauptet, dass Russland europäische Umweltaktivisten beim Widerstand gegen das Fracking fernsteuert. Die Kommunen in Großbritannien beäugen vor allem den Einsatz von Chemikalien mit Argwohn. Fracking führe nicht nur zur Umweltverschmutzung, sondern erhöhe auch die Erdbeben-Gefahr, argumentieren sie. „Europa ist viel dicht besiedelter als die USA. Die Menschen leben hier viel näher an den Bohrungen und Förderanlagen“, so Barron.

In Frankreich befinden sich die größten Schiefergas-Reserven Europas. Doch die Regierung in Paris will die Technologie nicht zum Einsatz bringen. Das derzeit gültige absolute Fracking-Verbot wird mindestens bis zur Präsidentschaftswahl 2017 halten. Spanien verfügt ebenfalls über beträchtliche Ressourcen und hat bereits einige Förderlizenzen erteilt. Allerdings konnten bisher noch keine Bohrungen vorgenommen werden, weil die erforderlichen Umweltlizenzen fehlen. In einigen Regionen des Landes wurde Fracking verboten. In Dänemark hat der Energie-Riese Total zwei Konzessionen erhalten und wird noch im aktuellen Jahr mit der Fracking-Förderung beginnen.

Der Bloomberg-Analyst Philipp Chladek meint, dass russische Gas-Importe der günstigste Weg für die EU sei, um sich mit Energie einzudecken. Das werde sich auf unabsehbare Zeit nicht ändern. „Der Traum war, dass Fracking Europa in die Unabhängigkeit führen wird. Doch dieser Traum hat sich nicht erfüllt (…) Ich würde nicht sagen, Fracking in Europa ist tot. Aber es ist schwieriger als man dachte“, so Chladek.

Wie insgeheim die Öl- und Gas-Manager der internationalen Energie-Riesen insgeheim über Fracking denken, wenn sie persönlich von Bohranlagen betroffen sind, verdeutlicht ein Fall aus dem vergangenen Jahr. So ist der Chef von Exxon Mobil dafür bekannt, die umstrittene Gasfördermethode gegen jede Kritik zu verteidigen, außer es geht um sein Eigentum. Er protestierte gegen den Bau eines Wasserturmes, der für das Fracking gebraucht wurde. Der Exxon-Chef hatte nämlich Angst, dass sein Grundstück an Wert verliert.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Misserfolg bei Putins Wirtschaftsforum in St. Petersburg: Die marode Kriegswirtschaft interessiert kaum jemanden
23.06.2025

Das Wirtschaftsforum in St. Petersburg sollte Russlands wirtschaftliche Stärke demonstrieren. Stattdessen offenbarte es die dramatische...

DWN
Politik
Politik Zwangslizenzen: EU hebelt den Patentschutz im Namen der Sicherheit aus
23.06.2025

Die EU will künftig zentral über die Vergabe von Zwangslizenzen entscheiden – ein tiefer Eingriff in das Patentrecht, der die...

DWN
Technologie
Technologie Umfrage: Zwei Drittel für europäischen Atom-Schutzschirm
23.06.2025

Eine Forsa-Umfrage zeigt, dass eine deutliche Mehrheit der Deutschen den Aufbau eines europäischen nuklearen Schutzschildes befürworten....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: Internationale Anleger kehren der Wall Street den Rücken
23.06.2025

Ölpreise steigen, geopolitische Risiken nehmen zu – und Europas Aktienmärkte wirken plötzlich attraktiv. Während die US-Börsen ins...

DWN
Politik
Politik Personalmangel im öffentlichen Dienst - DGB fordert mehr Personal
23.06.2025

Milliardeninvestitionen sollen in Deutschland die Konjunktur ankurbeln. Doch Personalmangel in Behörden könnte den ehrgeizigen Plänen...

DWN
Politik
Politik Iran-Israel-Krieg: Internet überflutet mit Desinformation
23.06.2025

Falsche Videos, manipulierte Bilder, inszenierte Explosionen: Der Konflikt zwischen Iran und Israel spielt sich längst auch im Netz ab –...

DWN
Politik
Politik Aus Angst vor Trump: China lässt den Iran im Stich
23.06.2025

Chinas harsche Kritik an den US-Angriffen auf Iran täuscht über Pekings wahres Kalkül hinweg. Im Hintergrund geht es um knallharte...

DWN
Politik
Politik US-Angriff auf den Iran: Die Märkte bleiben erstaunlich ruhig
23.06.2025

Trotz der Angriffe auf iranische Atomanlagen bleiben die globalen Märkte ruhig. Doch die Straße von Hormus bleibt ein geopolitischer...