Im griechischen Schulden-Poker hat ein Vermittlungsversuch von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorerst noch keinen Durchbruch gebracht. Es bleibe bei den diskutierten Reformen für Griechenland immer noch ein deutlicher Unterschied zwischen den Plänen der Geldgeber und Athens. Das teilte ein Kommissionssprecher in Brüssel am Sonntagabend mit.
Die weiteren Verhandlungen müssten jetzt in der Eurogruppe geführt werden, in der sich die Euro-Finanzminister treffen. Das nächste Treffen der 19 Ressortchefs ist an diesem Donnerstag in Luxemburg geplant.
«Präsident Juncker bleibt überzeugt, dass mit verstärkten Reformanstrengungen auf der griechischen Seite und politischem Willen auf allen Seiten eine Lösung bis Monatsende gefunden werden kann», so der Sprecher.
Juncker warnte vor verheerenden Folgen eines griechischen Austritts aus der Euro-Währungsunion. Dies wisse auch Tsipras, sagte Juncker am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. «Er weiß, dass die Lage sich zuspitzt. Ich habe ihm das in allen Farben und in mehreren Sprachen nahegebracht.»
«Ich wehre mich seit Monaten gegen den vermeintlich einfachen Weg, den man als Grexit bezeichnet», so Juncker. «Träte Griechenland aus der Währungsunion aus, wäre die Europäische Union nie mehr dieselbe. Denn es wäre dann der Beweis dafür angetreten worden, dass doch einige Integrationsfortschritte in der EU eben nicht irreversibel sind.»
Am 30. Juni läuft das schon zwei Mal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland auf europäischer Seite aus. Am 30. Juni muss Athen auch rund 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Athen hat die Zahlung der ersten Raten auf diesen Betrag zurückgehalten. Wenn am 30. Juni nicht gezahlt wird, würde dies nicht automatisch die Staatspleite bedeuten: IWF-Chefin Christine Lagarde müsste das offiziell mitteilen, wozu sie 30 Tage Zeit hat.
Am Samstag hatte sich Junckers engster Mitarbeiter Martin Selmayr mit Nikos Pappas, dem engsten Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, getroffen.
In Athener Regierungskreisen hieß es, man werde «auf keinen Fall Kürzungen von Renten und Löhnen oder der Erhöhung der Mehrwertsteuer wie für die Elektrizität» zustimmen. Der zu den Geldgebern gehörende IWF bestehe auf Rentenkürzungen in einer Höhe von 1,8 Milliarden Euro jährlich, hieß es.
Allerdings zeigt die Zeitung Kathimerini, dass es im Frage der Pensionen sehr wohl Ansätze gibt, auf die man sich einigen könnte, etwa im Hinblick auf das Pensionsantrittsalter. Griechische Frauen haben derzeit einen Pensionsanspruch mit 59 Jahren, können also drei Jahre früher in die Rente gehen. Das zweite Thema ist kritischer, weil es vor allem die kleinen Leute trifft: Der IWF fordert eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 23 Prozent. Es ist denkbar, dass sich die Syriza eine etwas geringere Erhöhung abkaufen lässt.
Der Kommissionssprecher teilte mit, es sei einiger Fortschritt am Wochenende erreicht worden. Die Pläne von Geldgebern und Griechenlands lägen auf einer jährlichen Basis um etwa zwei Milliarden Euro auseinander, das entspreche 0,5 bis 1 Prozent der Wirtschaftsleistung. «Außerdem bleiben die griechischen Vorschläge unvollständig», bemängelte der Sprecher. Das bedeutet, dass man sich beim Primärüberschuss in der Mitte treffen könnte.
Im Bereich der Schulden wird über einen versteckten Schuldenschnitt diskutiert. Allerdings hat der griechische Finanzminister Varoufakis die Variante ins Gespräch gebracht, der ESM könnte die EZB-Kredite übernehmen, die Ende Juli fällig werden. Dies hätte den Vorteil, dass mit dieser Variante auch der IWF gut leben kann, weil dann das Risiko immer mehr in Richtung der Euro-Zone verschoben wird. Der IWF will wie Varoufakis einen Schuldenschnitt, weil allen Beteiligten klar ist, dass die Schulden in ihrer derzeitigen Höhe nicht tragfähig sind.
Die Dramaturgie, mit der die Verhandlungen in der Öffentlichkeit begleitet werden, entspricht dem Ziel beider Parteien: Die Syriza muss intern einen Verhandlungserfolg vermelden können, um die Einigung im Parlament durchzubekommen. Hier besteht im übrigen das größte Risiko für die Euro-Retter: Sie können nicht abschätzen, ob es nicht innerhalb der Syriza zu einer Palastrevolte gegen Tsipras kommt. Dann würden nämlich Neuwahlen fällig, und es ist unklar, wie in dieser Zeit ein neuer Deal verhandelt werden könnte. Daher versucht man in der EU, Tsipras eine goldene Brücke zu bauen, um ein erneutes Chaos in Athen zu verhindern.
Die EZB wird die griechischen Banken vorerst weiter mit Notkrediten (ELA) unterstützen. Erst wenn diese Kredite wegfallen, müsste Griechenland Kapitalverkehrskontrollen einführen. Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff fordert diese Maßnahme in der NZZ.