Finanzen

Schweizer Energiewirtschaft steckt wegen fallender Preise in der Krise

Sinkende Strompreise, große Konkurrenz und neue gesetzliche Regelungen belasten die Schweizer Energiewirtschaft. Die geplante Liberalisierung des Strommarktes wird deswegen weiterhin sehr kritisch gesehen. Sogar von europäischer Ebene kommen Anforderungen.
28.08.2015 00:03
Lesezeit: 2 min

Die Schweizer Elektrizitätswerke und Energieversorgungsunternehmen werden in den kommenden Monaten zunehmend auf Maßnahmen zurückgreifen, die ihre Kosten senken. Während die Kosten weiter steigen, rechnen 70 Prozent der Unternehmen eher mit gleich bleibenden oder sogar weiter sinkenden Strompreisen. Schon jetzt befinden sich die Energiegroßhandelspreise auf niedrigem Niveau. Im Rahmen einer Umfrage von Ernst & Young (EY) gab die Mehrheit der Firmen an, dass alles rund um Restrukturierungsprojekte und Kostenoptimierung an Bedeutung für sie gewonnen hat. Zwei Drittel erachten es als notwendig und wichtig, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Weniger als die Hälfte der befragten Unternehmen erwarten in den kommenden drei Jahren einen guten bis sehr guten Geschäftsverlauf.

Die sinkenden Marktpreise an den Strombörsen sind insbesondere für Energieversorger mit eigenem Produktionspark eine große Herausforderung“, bestätigt auch ‚Energie Wasser Bern‘. So mussten bei dem öffentlich-rechtlichen Unternehmen aufgrund der tiefen Großhandelspreise im Geschäftsjahr denn auch eine Wertberichtigung von 7.5 Millionen Schweizer Franken auf dem Produktionsteil der Energiezentrale Forsthaus vorgenommen werden. Insgesamt sank das operative Ergebnis im vergangenen Jahr um 11,9 Millionen Franken.

Die Strompreise seien in erster Linie aufgrund „der angespannten Konjunktur in Europa und der da­ mit verbundenen geringen Stromnachfrage respektive des Kraftwerksüberangebots tief“, sagte Urs Meister vom Think Tank avenir suisse. „Gleichzeitig sind die Preise für Kohle, Gas und CO2-Zertifikate relativ tief, wodurch die Betriebskosten der fossilen Kraftwerke gering sind.“ Das Kraftwerksüberangebot werde außerdem durch die wachsende Einspeisung der subventionierten erneuerbaren Energien akzentuiert. Neben den gesunkenen Öl- und Gaspreisen führt auch die Aufwertung des Schweizer Franken zu einem Preisverfall. „Weil der Schweizer Strommarkt klein und offen ist, werden die Preise im Großhandel durch die größeren benachbarten Märkte bestimmt.“, so avenir suisse. Und die Schweizer Stromproduzenten können nicht wie andere Brachen ihre Wertschöpfung ins Ausland verlegen. „Kraftwerksbetreiber müssen daher nach der Freigabe des Wechselkurses Mitte Januar 2015 mit einem zusätzlichen Preisabschlag (gemessen in Franken) von etwa 13Prozent kalkulieren.“ Die aktuellen Preis- und Wechselkursentwicklungen illustrierten, dass das Stromgeschäft der Kantone alles andere als ein sicheres Business ist.

Zusätzlich bereitet den Unternehmen aber auch die geplante Marktliberalisierung Schwierigkeiten. So sollen die Endverbraucher ab 2018 die Möglichkeit haben, ihr Energieversorgungsunternehmen frei zu wählen. Während 33 Prozent der Unternehmen den Zeitpunkt der Marktliberalisierung befürworten, empfinden immerhin 37 Prozent ihn als zu früh. Fast ein Drittel stellt sich sogar gänzlich der Liberalisierung entgegen. Eine vollständige Liberalisierung des Strommarktes ist aber Voraussetzung für eine Anbindung des Schweizer Strommarktes an den EU-Binnenmarkt.

Zuletzt ging es bei den Diskussion um die Schweizer Stromwirtschaft vor allem um die Situation der Wasserwerke. „Die schwierigen Marktverhältnisse werden die Schweizer Energiebranche auch in den nächsten Jahren begleiten. Zahlreiche Kraftwerkstechnologien wie die Wasserkraft werden mittelfristig – ohne politische Eingriffe – weiterhin nicht rentabel wirtschaften“, so Alessandro Miolo von EY. „Die geplante Strommarktöffnung für alle Schweizer Endkunden wird zudem den Kostendruck auf der Vertriebsseite erhöhen.“ Über mögliche Maßnahmen zur Unterstützung der Schweizer Wasserkraftbetreiber gibt es bereits etliche Diskussionen. Die befragten Energie-Unternehmen befürworten zeitlich befristete Maßnahmen zu 54 Prozent. Wenn dann sollten diese Maßnahmen jedoch eher individuell, auf das jeweilige Unternehmen und dessen wirtschaftliche Situation angepasst, unternommen werden.

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