Weltwirtschaft

Ölpreis-Verfall gefährdet Staatsfonds von Russland und Norwegen

Lesezeit: 2 min
16.12.2015 02:35
Der Ölpreisverfall führt dazu, dass die Einnahmen der Staatsfonds von Saudi-Arabien, Russland und Norwegen zurückgehen. Die Staaten finanzieren über ihre Fonds unter anderem die Sozialausgaben für ihre Bürger.
Ölpreis-Verfall gefährdet Staatsfonds von Russland und Norwegen
Seit Mitte 2014 hält der Ölpreis-Verfall an. (Grafik: ariva.de)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der anhaltende Ölpreisverfall kann nach Einschätzung von Experten einige Staatsfonds schon bald in Bedrängnis bringen. Denn klamme Regierungen plündern infolge geringerer Einnahmen aus dem Geschäft mit dem „Schwarzen Gold“ zum Teil die Kassen ihrer Fonds, um Haushaltslücken zu schließen. Die Renditen der Fonds werfen derzeit allerdings zu wenig ab, um die Defizite auszugleichen. Dies könnte wiederum dazu führen, dass die Fonds andere Beteiligungen wie Aktien in größerem Stil abstoßen müssen, um an Bargeld zu kommen. Fachleute befürchten, dass sich dieser Prozess beschleunigen und sogar in einen Teufelskreis münden könnte.

Daten der US-Investmentbank Morgan Stanley zufolge ist das Vermögen der Staatsfonds in den vergangenen 20 Jahren insgesamt auf bis zu sieben Billionen Dollar angewachsen. Doppeltes Pech haben jetzt aber vor allem Fonds, deren Gelder hauptsächlich aus dem Ölgeschäft stammen. Dazu zählen etwa die Investmentvehikel aus Saudi-Arabien, Russland und Norwegen. Denn die Ölpreise sind seit Juni 2014 um mehr als zwei Drittel auf unter 40 Dollar je Fass gefallen. Damit brechen den Staatsfonds die Einnahmen weg. Hinzu kommen mäßige Renditen im laufenden Geschäft, weil die Weltwirtschaft schwächelt. Insgesamt hält Norwegen über den Fonds Anteile an 9000 Unternehmen und verfügt über 1,3 Prozent sämtlichen Aktienbesitzes weltweit.

„Russland wird bis 2017 in einer sehr schwierigen Finanzsituation sein“, sagen die Analysten der Bank Unicredit. „Ende nächsten Jahres wird kein Geld mehr im Öl-Reserve-Fonds sein und es gibt ein enormes Defizit im Pension-Fonds.“

In den ersten neun Monaten dieses Jahres zogen laut eVestment, einem führenden Anbieter von globalen Investment-Datenanalysen, Vermögensverwalter rund 27 Milliarden Dollar aus Staatsfonds ab. Allein im dritten Quartal waren es 19,5 Milliarden Dollar.

Große Ölförderer wie Saudi-Arabien haben angesichts der Misere bereits damit begonnen, ihre Reserven anzuzapfen. Das Vermögen des saudischen Staatsfonds Sama sank im Oktober auf den niedrigsten Stand seit Ende 2012. „Diese Zahlen lassen mich nachts nicht mehr schlafen“, sagt Sony Kapoor, Chef der Denkfabrik Re-Define und Gastdozent an der London School of Economics. Und auch der Internationale Währungsfonds warnt: Saudi-Arabien könnte seinen finanziellen Fundus in weniger als fünf Jahren aufbrauchen, wenn das Königreich seine Staatsausgaben nicht in den Griff bekommt.

Ähnlich sieht es in Russland aus. Die dortige Regierung kündigte bereits an, 2017 seinem Staatsfonds Gelder entziehen zu müssen, um das Haushaltsloch zu stopfen. Sogar Norwegen dürfte sich wegen des Ölpreis-Verfalls im nächsten Jahr erstmals beim Staatsfonds bedienen, der vor mehr als zwei Dekaden gegründet wurde und ein Volumen von 835 Milliarden Dollar hat. Im zweiten und dritten Quartal schrieb er jetzt aber jeweils einen Verlust. Über den Fonds hält Norwegen Anteile an 9.000 Unternehmen und verfügt über 1,3 Prozent sämtlicher Aktien auf der Welt.

Man sollte einem Fonds nur Kapital in Höhe der Rendite entziehen“, erklärt Sven Behrendt, Chef der Genfer Beratungsgesellschaft GeoEconomica. „In dem Moment, wo man mehr Geld nimmt, stellt man den Zweck dieser langfristigen Anlagefonds infrage.“ Vermögensverwaltern zufolge könnten die Öl-basierten Staatsfonds ihre besten Zeiten bald hinter sich haben. Andere Staatsfonds aus Asien sind indes aufgrund ihrer Aufstellung nicht oder nicht so stark vom Ölpreisverfall betroffen.

Der Kampf um Marktanteile treibt den Ölpreis derzeit von einem Tief zum nächsten. Die OPEC-Staaten fluten den Weltmarkt regelrecht mit Öl, um Konkurrenten mit höheren Förderkosten aus dem Markt zu drängen. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Daher erwarten die Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs, dass sich der Preis für die US-Ölsorte WTI 2016 auf 20 Dollar je Barrel (159 Liter) nahezu halbiert.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionen für deutschen Mittelstand: Hidden Champions kämpfen um Aufmerksamkeit am Kapitalmarkt
24.12.2024

Investitionen für deutschen Mittelstand sind der Schlüssel, um die Innovationskraft der Hidden Champions zu stärken. Diese weltweit...

DWN
Panorama
Panorama Spendenbereitschaft Deutschland 2024: Einfluss von Einkommen und Alter auf die Spendenhöhe
24.12.2024

Die Spendenbereitschaft in Deutschland ist 2024 gesunken, trotz eines hohen Spendenvolumens von 12,5 Milliarden Euro. Der Rückgang...

DWN
Panorama
Panorama Klimawandel: 2024 wird das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen
24.12.2024

2024 wird das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und markiert eine Rekordabweichung von über 1,5 Grad Celsius zum...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Spritpreise: Drittteuerstes Tankjahr - 2025 könnte noch teurer werden
24.12.2024

Das Jahr 2024 war eines der teuersten Tankjahre aller Zeiten, kommendes Jahr sieht nicht besser aus: Zum 1. Januar steigt der C02-Preis von...

DWN
Politik
Politik Nach Amoklauf auf Weihnachtsmarkt in Magdeburg: Sicherheitslücken und Staatsversagen - Ist die innere Sicherheit in Gefahr?
24.12.2024

Nach dem tödlichen Amoklauf in Magdeburg werden wiederholt Defizite bei der Sicherheitslage deutlich. Der Grünen-Politiker von Notz...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Arbeitsmarkt: „Null-Bock-Tage“ im Job? Auszeiten im Arbeitsalltag – ein Arbeitsmodell für Deutschland?
24.12.2024

Der Krankenstand in Deutschland bleibt weiterhin auf einem hohen Niveau. Und das nicht ohne Grund: „Einfach mal durchatmen“ ist für...

DWN
Technologie
Technologie Kirche und Künstliche Intelligenz: KI-Jesus im Beichtstuhl verblüfft Kirchenobere
24.12.2024

Avatar direkt in der Kirche: Eine Schweizer Kirche hat in diesem Jahr mit künstlicher Intelligenz einen sprechenden Jesus kreiert, der in...

DWN
Panorama
Panorama Inklusion im Fußball: Wie Manchester United mit Pflegeprodukten für Männer vorangeht
24.12.2024

Manchester United setzt mit der Einführung von Pflegeprodukten für Männer mit Blasenschwäche ein wichtiges Signal für Inklusion im...