Deutschland

Brand-Katastrophe Titisee: Unternehmen dürfen nicht bei Sicherheit sparen

Die Ursache für den verheerenden Brand in einer Behindertenwerkstatt in Titisee war nach Polizeiangaben eine Explosion eines Gasofens. Wie es dazu kommen konnte ist unklar. Sicherheits-Experten warnen Unternehmer, in Zeiten der Krise bei den Sicherheitsstandards zu sparen.
27.11.2012 17:36
Lesezeit: 2 min

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Über die Brandursache in der Caritaswerkstatt St. Georg in Titisee wird weiterhin spekuliert. Bei einer Pressekonferenz wurde mitgeteilt, dass das Feuer durch eine Explosion in einem gasbefeuerten Heizgerät im zweiten Obergeschoss des Gebäudes der Caritas ausgelöst wurde. Offenbar drang Gas aus dem Gerät und wurde unter noch nicht geklärten Umständen entzündet. Der leitende Oberstaatsanwalt Peter Häberle sagte es habe einen „unkontrollierten Gasaustritt“ gegeben. Die Oberstaatsanwaltschaft habe nun ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet mit der Anschuldigung der „fahrlässigen Tötung“.

Laut Regierungspräsidentin Bärbel Schäfer war der vorbeugende Brandschutz absolut ordnungsgemäß. Keiner der Verstorbenen habe sich im Bereich der Fluchtwege befunden, sagte sie bei der Pressekonferenz. Der Caritasverband sieht sich unterdessen Kritik ausgesetzt. So hätte das Gebäude zum Beispiel keine Sprinkleranlage gehabt, die den Brand hätte löschen können, berichtet eine regionale Zeitung. Die 14 Todesopfer seien alle einer Rauchvergiftung erlegen. Inwiefern die Lüftung und Rauchableitung in der Werkstatt ausreichend war ist derzeit noch klar.

Fest steht aber, dass laut der aktuellen Landesbauordnung Baden-Württembergs auch Einrichtungen für Behinderte als Sonderbauten gelten und deshalb besonderen Sicherheitsstandards unterliegen. Sie gilt seit 2010. Die Bauordnung stellt besondere Anforderungen an Lüftung und Rauchableitung. Davor waren Behinderten-Einrichtungen davon noch ausgenommen. Die Caritaswerkstatt St. Georg wurde in den 1970er Jahren errichtet und in den Jahren 2000 bis 2002 saniert. Für die Sanierung galten also noch die alten Brandschutzkriterien.

Auf Anfrage von Deutsche Wirtschafts Nachrichten bei der Architektenkammer Baden-Württemberg wies deren Sprecher, Jochen Stoiber, darauf hin, dass Gebäude, die vor 2010 errichtet wurden, den neuen Sicherheitsstandards angepasst werden können. Es werde also von Fall zu Fall entschieden, ob eine Verbesserung des Arbeitsschutzes bei Behindertenwerkstätten nötig sei. Grundsätzlich bestünden keine verbindlichen Verpflichtungen für die Erstellung von Rettungskonzepten in Behinderten-Einrichtungen, so Stoiber weiter. Dieses Thema sollten Behörden in Zukunft noch intensiver ins Auge fassen“, meint Stoiber.

Auch der Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg nimmt den Gesetzgeber in die Mangel. „Wir haben z.B. in Stellungnahmen im Gesetzgebungsverfahren immer auf die Problematik der Stufenfolge in Rettungswegen hingewiesen“, teilte Jutta Pagel-Steidl, Geschäftsführerin des Verbandes, Deutsche Wirtschafts Nachrichten mit. Die Vertreter der Wirtschaft hätten dies nie thematisiert und vielmehr auf die Kosten verwiesen, kritisiert Pagel-Steidl. Ihre Forderung nach Barrierefreiheit sei immer mit Blick auf Mehrkosten zurückgewiesen worden.

Barrierefreiheit werde von Seiten der Wirtschaft und von der Gesellschaft häufig noch immer als „Sonderbauform für behinderte Menschen“ angesehen, so der Verband. Das Bewusstsein für einen Nutzen für alle werde dabei vergessen. „So tragisch diese Brandkatastrophe auch ist, vielleicht trägt sie zu einem Umdenken bei“, hofft Pagel-Steidl. In Deutschland sterben jährlich 400 Menschen durch Brände.

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