Politik

Russland: Mittelschicht will eigenen Weg, keine westlichen Modelle

Forscher haben herausgefunden, dass Russlands neue Mittelschicht nicht zum Kern der Opposition gegen Präsident Putin wird. Im Gegenteil: Der aktive Teil der russischen Gesellschaft verliert seinen Glauben an westliche Modelle und will einen eigenen russischen Weg gehen.
04.03.2016 00:51
Lesezeit: 1 min

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Russlands neue Mittelschicht zeigt sich in der wirtschaftlichen Krise standhafter als erwartet. Zwar leidet auch sie an sinkendem Einkommen, Entlassungen und gekürzten Sozialleistungen, wie eine soziologische Studie der Akademie der Wissenschaften ergibt, aber die Menschen schnallen den Gürtel enger, leben von Erspartem oder suchen sich mehrere Jobs. Die Mittelschicht sei nicht geschrumpft.

Das Soziologische Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften forscht seit 2003 in Zusammenarbeit mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zu Reformen und Mittelschicht in Russland.

„Die Mittelklasse versteht das alles als vorübergehende Schwierigkeiten“, sagte die Wissenschaftlerin Natalja Tichonowa bei der Vorstellung der Studie in Moskau laut dpa. Deshalb formiere sich kein Protest gegen die Führung von Präsident Wladimir Putin. Mittelfristig drohe nach dem Aufzehren der Ersparnisse aber ein sozialer Abstieg.

Im Konflikt mit dem Westen seit 2014, nach Sanktionen und Gegensanktionen sinkt die Zahl derer, die für Russland eine westliche Entwicklung wollen. Binnen eines Jahres bis 2015 wurde ein Rückgang dieser Einstellung um 5 Punkte auf 27 Prozent gemessen.

Nun setzen 73 Prozent der Mittelschicht auf den „eigenen Weg“ Russlands, wie er vom Kreml verfolgt wird. Tichonowa sagte, in Moskau, wo die Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt am größten seien, gebe es den größten Aufschwung an Patriotismus.

Der Studie zufolge schrumpfte das verfügbare Einkommen für jedes Mitglied einer Mittelschichtfamilie um 1.400 Rubel auf 22.600 Rubel (280 Euro) monatlich. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sanken die Realeinkommen in Russland um 3,5 Prozent. 2016 werden die Russen voraussichtlich noch einmal 3,7 Prozent weniger im Geldbeutel haben. Auch das Bruttoinlandsprodukt ging 2015 um 3,9 Prozent zurück.

Anders als in der Finanzkrise 2009 hat die Mittelschicht ihren Anteil an der russischen Bevölkerung in der neuen Krise gehalten. Er mache weiter etwa 44 Prozent aus, sagte der Forscher Michail Gorschkow.

Weder zu zaristischen noch zu sowjetischen Zeiten gab es in Russland eine mittlere Schicht aus Selbstständigen und qualifizierten Angestellten. Diese Gruppe wuchs aber während des Ölbooms in Putins ersten Regierungsjahren ab 2000. Experten hatten erwartet, dass diese Schicht irgendwann auch mehr politische Mitsprache und einen eigenen Weg fordern würde.

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