Finanzen

Wall Street geschockt: JP Morgan verzockt zwei Milliarden Dollar

Nach Börsenschluss musste der Chef von JP Morgan, Jamie Dimon, eingestehen, dass seine Bank im zweiten Quartal bei riskanten Finanzwetten 2 Milliarden Dollar verloren hat. Am Ende könnte es ein echter Crash werden: Wenn es ganz schlecht läuft, drohen 20 Milliarden Dollar Verlust. Nun geht an der Wall Street die Angst um: Haben wir wieder ein systemisches Problem?
11.05.2012 00:28
Lesezeit: 2 min

Zum Thema:

Davos: Als die Welt von Jamie Dimon noch in Ordnung schien

Jamie Dimon, der Chef von JP Morgan, wirkte beim Analysten-Call am Donnerstagabend nervös und angespannt. Kein Wunder: Die Nachricht, die er zu verkünden hatte, schlug an der Wall Street ein wie eine Bombe. In der Investment-Abteilung (CIO) der Bank wurde im laufenden Quartal ein Verlust von 2 Milliarden Dollar mit synthetischen Papieren (Wetten) erzielt. Dem steht ein Gewinn von einer Milliarde in anderen Bereichen gegenüber, nach Steuer bleibt ein Verlust von 800 Millionen Dollar.

Die eilends einberufene Telefonkonferenz gab den meisten Analysten Anlaß zu sehr grundsätzlichen Überlegungen. Die meisten Fragen wollte und konnte Dimon, wie üblich, nicht im Detail beantworten. Aber der Vorgang als solcher ist beunruhigend.

Zum einen, weil das zweite Quartal noch läuft. Dimon räumte auch ein, dass der Verlust wegen der volatilen Märkte noch wesentlich höher ausfallen könnte. Der Finanzblog Zerohedge hat ausgerechnet, dass es unter bestimmten Umständen zu einem Verlust von 20 Milliarden Dollar kommen könnte.

Dimon betonte auffallend oft, dass der Verlust durch Fehler im Mangament und bei den Traders verursacht worden sei, durch schlechtes Urteil und mangelnde Kontrolle. So etwas wolle er in seiner Firma nicht sehen. Auffallend auch, dass Dimon ganz bewußt versuchte, den Verdacht im Keim zu ersticken, es könne sich hier um ein fundamentales Problem der Zockerindustrie US-Banken handeln. Dimon: "Nur weil wir dumm waren, heißt das nicht, dass alle anderen auch dumm sind."

Erst auf Nachfrage räumte Dimon ein, dass der Verlust auch mit dem insgesamt kritischen Umfeld zu tun haben könnte. Beobachter fragen nun: Liegen da bei JP Morgan - und wenn dort, dann auch vermutlich bei anderen Institutionen - noch viel mehr Leichen im Keller? JP Morgan hatte die US-Subprime-Krise auffallend gut überstanden. Platz noch nach der Immobilienblase eine neue Blase mit anderen, synthetischen Kreditprodukten?

Die nächste Frage, die sich stellt: Kommt jetzt der ganze große Schlamm ans Tageslicht? JP Morgan war in den vergangenen Wochen ins Visier von Regulatoren und der Konkurrenz geraten, weil ein einzelner Trader in London (Bruno Iksil, genannt der "Wal von London") so viele kritische Einzelpositionen hält, dass er damit einen Crash auslösen könnte. Dimon soll seine Turbo-Trader im CIO ermuntert haben, noch aggressiver zu spekulieren. Heute sagt Dimon, er habe gewollt, dass sie es "besser" machen.

Für die Finanzindustrie kommt die Hiobsbotschaft von JP Morgan zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Ab Juli soll die sogenannte "Volcker-Rule" gelten, eine regulatorische Maßnahme, die zu wilde Spekulationen begrenzt. Im Moment betreiben die Banken gerade heftiges Lobbying in Washington, um Ausnahmeregelungen durchzusetzen. Die 2 Milliarden-Bombe von JP Morgan ist Wasser auf die Mühlen derer, die eine wirksame Regulierung fordern.

Aber auch Barack Obama wird die Nachricht nicht gerne hören. Denn JP Morgan ist eine sogenannte "systemrelevante" Bank. Die bedeutet: Wenn ewtas schiefgeht, muss der US-Steuerzahler die Bank retten. Eine handfeste Bankenkrise ist jedoch das letzte, was Obama in der heißen Phase des Wahlkampfs brauchen kann.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Putins Imperium zerbröckelt: Aserbaidschan demütigt den Kreml – mit Hilfe der Türkei
10.07.2025

Aserbaidschan widersetzt sich offen Moskau, schließt russische Propagandakanäle und greift zur Verhaftung von Russen – ein Tabubruch in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Gasfeld vor Zypern könnte Europas Energiestrategie neu ausrichten
10.07.2025

Ein neues Erdgasfeld vor Zypern könnte zum Wendepunkt in Europas Energiepolitik werden.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Jahreszahlen zeigen das ganze Ausmaß der Krise beim Mischkonzern
10.07.2025

Jetzt ist der Milliardenverlust bei der Baywa amtlich: Das Minus von 1,6 Milliarden Euro ist vor allem auf Abschreibungen bei der...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Rechnung für die Private-Equity-Branche: 79 Milliarden
10.07.2025

Donald Trumps Zollkurs und globale Kriege setzen der Private-Equity-Branche massiv zu. Was hinter dem dramatischen Kapitalschwund steckt...

DWN
Politik
Politik „Kleiner Lichtblick für die Ukraine“ nach Trumps Kehrtwende
10.07.2025

Der Kurswechsel der USA beim Waffenlieferprogramm für die Ukraine dürfte die Gespräche europäischer Staats- und Regierungschefs in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende: Industriestandort gefährdet
10.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Schuldenkrise: Droht der Dollar-Kollaps? Was Anleger jetzt wissen müssen
10.07.2025

Die USA spielen mit dem Feuer: Zölle, Dollar-Schwächung und wachsende Schulden bedrohen das globale Finanzsystem. Doch es gibt Strategien...

DWN
Finanzen
Finanzen Hochsteuerland: Staat zockt Menschen ab - Von einem Euro bleiben Arbeitnehmern nur 47 Cent
10.07.2025

Bis zum 13. Juli arbeiten die Menschen in Deutschland in diesem Jahr nach Angaben des Bundes der Steuerzahler für die Staatskasse. Der...