Finanzen

Hypo-Desaster in Österreich: Selbst Zypern war besser bei der Banken-Rettung

Die österreichische Regierung hat bei der Rettung der Skandal-Bank HGAA offenbar mehrfach fahrlässig gehandelt. So unterblieb 2009 trotz mehrfacher Warnung eine Prüfung vor der Not-Verstaatlichung. Selbst in Zypern ist die Banken-Rettung professioneller abgelaufen, kritisiert der Banken-Experte Achim Dübel.
14.03.2014 14:31
Lesezeit: 5 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die HGAA muss vom Steuerzahler gerettet werden. Warum sind „Bad Banks“ bei den Politikern so beliebt?

Achim Dübel: Österreich implementiert das Anstaltsmodell, das im deutschen Gesetz von 2009 mit dem unaussprechlichen Namen „Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz“ als Bad-Bank-Version für die Landesbanken vorgesehen war.

Der Kernunterschied zur privaten Bad Bank ist, dass wirtschaftlich keine Vermögensübertragung an Dritte stattfindet und damit das Problem der Wertbestimmung der Aktiva bei der Übertragung beziehungsweise der Risikoverteilung zwischen Verkäufer und Käufer entschärft wird. Denn beim Anstaltsmodell haften die – öffentlichen - Alteigentümer der abgebenden Bank für alle Verluste aus den zu übertragenden Aktiva wieder in der aufnehmenden Anstalt.

Das Anstaltsmodell wird auch deshalb gewählt, weil damit die öffentlichen Eigentümer faktisch alle Schulden der Altbank garantieren. Bei den deutschen Landesbanken betraf das insbesondere den Nachrang, also als Eigenkapitalersatz geltende Schulden, deren Investoren deutsche Politiker schützen wollten. Bei der Hypo Alpe Adria schützt man damit auch die ungesicherten Bonds und Einlagen.

Generell ist das Risiko bei allen Bad-Bank Varianten hoch, dass die Gläubiger der Altbank nicht zur Haftung herangezogen werden. In einigen Fällen kann man sogar sagen, dass ihr eigentliches Ziel der Schutz dieser Gläubiger ist. Der Mechanismus sind zu hohe Aktivawerte bei der Übertragung, die zu zu geringen Abschreibungen bei der Altbank führen. Das hat ja im Fall WestLB auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen, denn die absurd hohen Wertansätze der Erstbefüllung der Ersten Abwicklungsanstalt 2009/10 führten zu massiven Subventionierungen der Gläubiger.

Die Neigung von Banken, sich trotzdem an einer privaten Bad Bank zu beteiligen, muss dann über Subventionen stimuliert werden. Bei der spanischen Bad Bank sind das Bevorzugungen bei Gewinnausschüttungen und Haftungsübernahmen des Staates. Auch Österreich hatte ja umfangreiche Subventionen der Banken diskutiert, wie Befreiungen von der Bankenabgabe. Zum Glück wurde wenigstens dieses Modell nicht weiterverfolgt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Republik Österreich hat die HGAA von Bayern gekauft, offenkundig ohne ausreichende Prüfung. Wie kann das geschehen?

Achim Dübel: Strategie und Durchführung der Verhandlungen durch den österreichischen Bund waren unprofessionell.

Zunächst waren die Bayern durch die erwähnte Haftung der Alteigentümer bei Landesbanken im deutschen Gesetz gewarnt und hoch motiviert. Diese geht ja weit über die sonst übliche Haftung durch die Kapitalanteile hinaus – das heißt, nicht nur sie sind wertlos, sondern es werden noch weitere Haftungen verlangt. Das Gesetz ist damit im internationalen Bankenrecht ein absolutes Unikat. Es wurde bereits Mitte 2009 verabschiedet, ich war im Juni im Haushaltsausschuss des Bundestags einer der Kommentatoren. Offensichtlich wurde der Vorgang in Wien nicht sehr intensiv verfolgt. Die Bayern hatten dann bis Dezember 2009 Zeit, sich bei Hypo Alpe Adria ihre Strategie zurechtzulegen und ihr Team aufzustellen.

Sodann hatten die Bayern bereits beim Kauf der Hypo Alpe Adria 2007 einen eigenen Wirtschaftsprüfer, Ernst & Young, mit der Prüfung der Bank beauftragt, der schon damals zahlreiche Warnsignale nach München sandte. Zwar wurden sie von der bayerischen Politik beim Kauf in den Wind geschlagen, aber sie waren natürlich Management und Wirtschaftsprüfern der BayernLB bekannt. Auch die Nationalbank und die FMA hatten in Wien Warnungen über die Aktivaqualität der Bank abgegeben. Im Sommer 2009 waren die Probleme der Bank dann allgemein bekannt. Unter diesen Vorzeichen muss man es als fahrlässig bezeichnen, dass Österreich dann Ende 2009 keine eigene Prüfung durch Wirtschaftsprüfer hat durchführen lassen, sich im Vertrag mit einer symbolischen Kapitalspritze zufriedengegeben und auf einen Besserungsschein verzichtet hat.

Das hat selbst Zypern 2013 besser hinbekommen. Dort hat man sich inmitten einer Staats- und Bankenkrise für Prüfung und Festlegung der letztlichen Gläubigerbeteiligungsquote bei der Bank of Cyprus 4 Monate Zeit gelassen. Ein paar Monate Unsicherheit hätte die BayernLB zwar gestört, sie aber nicht umgebracht und Österreich hohe Folgekosten erspart. In diesem Zusammenhang muss man auch den Druck der EZB und hier von Hr. Trichet, der v.a. Sorge um die systemrelevante BayernLB hatte, kritisieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gegen den damaligen Finanzminister Josef Pröll wurden alle Ermittlungen eingestellt. Müsste er bestraft werden?

Achim Dübel: Wenn das Prinzip 'Dummheit schützt vor Strafe nicht' noch gilt, dann ja. Es gibt genügend Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht der Untreue, und das gilt sicher auch für die Beamtenebene. Man wird ihnen zwar den Druck der EZB zugute halten, aber das kann nicht reichen. Der Staat muss sich gegen das Versagen seiner Organe schützen können, alleine schon, um eine Wiederholung unwahrscheinlicher zu machen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was geschieht mit den faulen Krediten der Bad Bank?

Achim Dübel: Die Bank hat ja bereits eine interne Bad Bank, die man wohl weiter befüllen und dann in die besagte Anstalt umdeklarieren wird. Die Anstalt wird sich wohl wie im Fall WestLB/Erste Abwicklungsanstalt eines speziellen Kredit-/Forderungsbearbeiters bedienen. Das können weiter die zu verkaufenden Balkantöchter sein oder dritte Firmen. Das Wertaufholungspotential ist letztlich eine Frage von Kostenstrukturen und den richtigen Anreizen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es bei der HGAA überhaupt eine Chance, die Gläubiger zu beteiligen?

Achim Dübel: Das ist ohne Kenntnisse der Details von Task Force-Bericht und anderen Gutachten schwer zu beurteilen. Es gibt vor allem zwei relevante Gruppen, die BayernLB, und die Einleger und ungesicherten Gläubiger in den Balkantöchtern. Von den wenigen ungesicherten Bondgläubigern, die nicht vom Land Kärnten garantiert wurden, wird man nicht satt werden.

Die Gläubiger der Balkantöchter sind wohl die interessanteste Gruppe bei der Frage Insolvenz, dann sie würde ja ein automatisches Zahlungsmoratorium an alle Gläubiger der Gruppe bedeuten. Aber man hat sie durch die interne Bad Bank wahrscheinlich schon weitgehend entlastet, gleichzeitig haben auch die lokalen Finanzmarktaufseher und vor allem Einlagensicherer Druckmöglichkeiten. Man denke an Zypern, wo man ad-hoc bei den Banken den Rang der vom Staat gesicherten Einleger gegenüber Interbankforderungen verändert hat. Trotzdem scheint das Zahlungsmoratorium noch nicht ganz vom Tisch zu sein. Das könnte man auch in der Anstaltslösung über eine Zwangsverwaltung der Töchter durchsetzen. Um das genau zu beurteilen bräuchte man die Details der Finanzierungspositionen, differenziert auch nach Banken und Leasinggesellschaften.

Der Streit mit der BayernLB läuft ja fast unabhängig von der Insolvenzfrage über die Anfechtung des von Pröll ausgehandelten Kaufvertrags. Die Forderungen der Bayern sind vom Bund für den Aufspaltungsfall der Bank garantiert, sodass die Juristen hier wohl zu dem Schluss gekommen sind, dass die Insolvenz kaum zusätzliches Druckpotential einbringt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was ist generell echte Alternative zur Bad Bank, wenn eine Bank in Schieflage gerät?

Achim Dübel: Grundsätzlich sind die Alternativen Schulden-Eigenkapital-Tausch, Good Bank (Teilabwicklung) und Dead Bank (Gesamtabwicklung/Insolvenz). Alle diese Modelle sind in der zwischen Juni und Dezember 2013 ausverhandelten EU Bankenrestrukturierungsrichtlinie vorgesehen. In allen Fällen werden die Gläubiger systematisch beteiligt.

Für eine Bank mit tiefen Solvenzproblemen wie die Hypo Alpe Adria kommen sicher nur die letzten beiden Modelle in Betracht. Beim Good Bank-Modell – angewendet etwa bei der Laiki auf Zypern – werden die guten Teile (Tochterfirmen, Aktiva) zusammen mit den höherrangigen Verbindlichkeiten wie vom Staat gesicherten Einlagen oder gesicherte Bonds wie Pfandbriefe verkauft. Der Rest wird abgewickelt und damit die ungesicherten Bondgläubiger und vor allem der Nachrang und das Eigenkapital belastet. Der Unterschied zur Gesamtabwicklung ist, dass in diesem Fall die gesicherten Einlagen ausbezahlt werden und der Einlagensicherer als Gläubiger gegen die Insolvenzmasse einspringt. Die gesicherten Bonds werden in der Regel bei einer Insolvenz abgesondert, leider oft zusammen mit erheblichen Übersicherungen, was die Insolvenzverwaltung nicht einfacher macht.

Diese Modelle funktionieren natürlich nur dann, wenn nicht Politiker auf die Idee kommen, den Großteil der Forderungen der Bank staatlich zu garantieren. Das ist die Ursünde im Fall der Hypo Alpe Adria, geborgt übrigens von den deutschen Landesbanken.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:Warum sträuben sich die Politiker in der EU so sehr gegen einen Bail-In?

Achim Dübel: Europa hat nie einen Bankentöter wie den U.S.-Präsidenten Franklin Delano Roosevelt gesehen, der 1933 den Einlagensicherer FDIC gründete und ihm weitreichende Befugnisse zur Abwicklung von Banken gab. Erst jetzt, 80 Jahre danach, kommen wir langsam über die Gründung eines zentralen Abwicklers namens Single Resolution Mechanismus (SRM) zu mit den USA vergleichbaren Strukturen.

Und auch wenn man den Abwickler hat und dieser professionell und vor allem rasch arbeitet, gibt es immer noch genügend Lobbygruppen, die Sonderbehandlungen wünschen und gut mit der Politik vernetzt sind. Das zeigen u.a. die US-Erfahrungen dieser Krise, wo man etwa die Gläubiger der Citibank nicht belastet hat, weil deren Manager und Aufsichtsräte mit dem Finanzminister Geither eng verbunden waren. In Europa sind wir noch weiter zurück als die USA und werden noch lange mit diesem Problem zu kämpfen haben.

Achim Dübel hat mit seinem Beratungsunternehmen FinPolConsult an zahlreichen Banken-Restrukturierungen mitgearbeitet, etwa in Zypern. Er wirkt als unabhängiger Gutachter und hat als solcher unter anderem Expertisen für die Gutachter für die Weltbank, die EU-Kommission und die EBRD verfasst.

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