Politik

EU und Türkei: Nadelstiche gegen Russland, Steuergelder für Flüchtlinge

Lesezeit: 2 min
05.10.2015 10:30
Die Türkei und die EU dürften sich heute auf einen schmutzigen Deal verständigen: Erdogan macht gegen die Russen Stimmung und bekommt von der EU Milliarden, damit er die Flüchtlinge in der Türkei hält. Die Nato profitiert, die Flüchtlinge und die Steuerzahler kommen dafür auf.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Das Nato-Mitglied Türkei spielt im Syrien-Krieg eine üble Doppelrolle: Seit Monaten fliegen türkische Flugzeuge Luftangriffe gegen die Kurden in Syrien und im Nordirak. Ein völkerrechtliches Mandat dafür gibt es nicht. Erdogans Ziel: Ein von der Türkei kontrollierter Kurdenstaat, und die gleichzeitige Ausschaltung der PKK.

Dieser von der Nato unterstützte Plan gerät nun ins Wanken: Die Luftangriffe der Russen gegen Syrien scheinen Wirkung zu zeigen. Ärgerlich für Erdogan: Die Russen fliegen Angriffe gegen verschiedene Terror-Zellen, also auch gegen jene, die mit der Türkei und der Nato verbündet sind.

Die Türken können zwar mit den Russen keine direkte Konfrontation eingehen. Doch für Nadelstiche reicht es allemal – und damit erfüllt die Türkei den Auftrag der Nato als Bollwerk gegen Wladimir Putin: Die Türkei wirft Russland vor, den Luftraum des Landes verletzt zu haben. Am Samstag sei ein russischer Kampfjet an der Grenze zu Syrien über türkisches Gebiet geflogen, teilte das Außenministerium am Montag mit. Zwei Maschinen der türkischen Armee hätten das Flugzeug abgefangen. Daraufhin sei der russische Botschafter einbestellt worden. Russland müsse sicherstellen, dass sich ein solcher Zwischenfall nicht wiederhole, ansonsten sei es für „jegliche unerwünschte Vorkommnisse“ verantwortlich zu machen.

Zugleich verhandelt Erdogan in Brüssel mit der EU über Milliardenzahlungen der europäischen Steuerzahler an die Türkei. Diese verfolgt seit langem das Konzept, von der EU Geld zu verlangen, damit sie die angeblich in der Türkei wartenden zwei Millionen Flüchtlinge nicht in die EU weiterschickt. Dies war der ursprüngliche Plan der EU – der jedoch auch wegen einer schlechten Zahlungsmoral der EU gescheitert ist: Kurz vor der Flüchtlings-Welle hatte Erdogan geklagt, die EU habe ihm erst 30 Millionen Euro überwiesen und wolle ihn mit immer neuen Versprechungen vertrösten.

Am Montag trifft Erdogan nun mit der EU zusammen: Es wird erwartet, dass die EU der Türkei nun mehrere Milliarden Euro aus Steuergeldern überweisen wird, damit die Türkei die Flüchtlinge behält – die nicht zuletzt wegen der Eskalation durch die Nato überhaupt erst zu Vertriebenen wurden. Zugleich dürfte die EU Erdogan die baldige Erleichterung von Visa für türkische Staatsbürger versprechen. Weiterer Preis: Die EU schweigt zu den Militärangriffen der Türkei gegen die Kurden. Angela Merkel, die als Mastermind hinter diesem Plan vermutet wird, hat sich ganz bewusst bisher noch nie zum Krieg im Nahen Osten geäußert, um sich alle Optionen offenzuhalten. Auch für Erdogan, der schrittweise die Demokratie in der Türkei demoliert, fand die Kanzlerin in den vergangenen Tagen nur lobende Worte.

Speziell die Zahlung von hohen Summen ist äußerst problematisch: Zum einen werden die Flüchtlinge damit zu einer Art Handelsware, über die die Türkei verfügen kann. Vor allem aber ist nicht zu erwarten, dass die Türkei das Geld dazu verwenden wird, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge zu verbessern. Es ist anzunehmen, dass ein Großteil des Geldes, das von der EU wie immer als „Hilfsmaßnahme“ deklariert werden wird, in dunklen Kanälen versickert. Ähnlich ist es bei den meisten EU-Zahlungen an Rumänien und Bulgarien gewesen. Es gibt keine Kontrolle über die Gelder, und es wäre höchst erstaunlich, wenn ausgerechnet die Regierung Erdogan das Geld dazu verwenden würde, um den Lebensstandard der Flüchtlinge zu heben.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU-Kommission will stärkere Öffnung beim iPhone
19.12.2024

Dass Apples Geräte gut miteinander zusammenspielen, ist bisher ein Kaufargument. Brüssel will, dass es für Konkurrenten genauso läuft....

DWN
Technologie
Technologie Fernwärme-Anschluss in der Nähe? Die Zukunft des Heizens - wenn alles klappt
19.12.2024

Fernwärme rückt in den Fokus der Energiewende. Stadtwerke wie das MVV in Mannheim drehen jetzt langsam den Gashahn zu, doch was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Donald Trump verlangt Haushalts-Blockade der Republikaner
19.12.2024

Kurz vor den Feiertagen nimmt Donald Trump mit einer Forderung an seine Partei einen Stillstand der US-Regierungsgeschäfte in Kauf. Hat...

DWN
Politik
Politik Warum das Bundesverfassungsgericht abgesichert werden soll
19.12.2024

Grund für «Alarmismus» gebe es nicht, betont die Union. Dennoch ist auch sie mit im Boot bei dem Gesetzesvorhaben zum Schutz des...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krankenkassen Zusatzbeitrag 2025 steigt - jetzt wechseln!
19.12.2024

2025 steigen die Beiträge für viele gesetzlich Versicherte erneut. Grund sind steigende Kosten und fehlende Reserven bei den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unicredit baut Commerzbank-Anteil aus - kommt die Übernahme?
19.12.2024

Die italienische Großbank greift nach der Commerzbank und stockt ihre Kontrolle noch auf. Mailand betont, es handele sich lediglich um ein...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview mit FDP-Verteidigungspolitiker Marcus Faber: Wie kann die Ukraine Frieden gewinnen - mit oder ohne Waffen?
19.12.2024

Ende 2024 herrscht immer noch Krieg in der Ukraine, seit dem russischen Überfall vor fast drei Jahren – und die Lage eskaliert weiter:...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steigende Arbeitslosigkeit: Weniger Stellen, mehr Kurzarbeit – und der Personalbedarf sinkt weiter
18.12.2024

Die Arbeitslosenquote erreicht zum Jahreswechsel neue Höhen, während Unternehmen deutlich weniger Personal suchen und auf Kurzarbeit...