Finanzen

Deutsche Sparer werden für den Export-Rausch zahlen müssen

Der Export-Boom der vergangenen Jahre könnte für die deutschen Sparer in einer weltweiten Rezession zum Bumerang werden. Der Vermögensverwalter Pimco sieht großen Handlungsbedarf für Deutschland: Die Regierung müsse schnell in die Zukunft des Wirtschaftsstandortes investieren, um im globalen Wettbewerb nicht abgehängt zu werden.
09.04.2016 01:49
Lesezeit: 4 min

Die Notwendigkeit, Währungsrisiken bei internationalen Investitionen abzusichern, hat sich seit Aufhebung des Systems von Bretton Woods Anfang der 1970er Jahre deutlich erhöht. Seitdem gibt es kein System fester Wechselkurse mehr und Währungen schwanken relativ frei. Mithilfe von Instrumenten wie der Analyse historischer Schwankungsbreiten und aktueller Einflussfaktoren versuchen Fondsmanager deshalb, das Währungsrisiko zu bestimmen und Risiken für das verwaltete Portfolio zu minimieren.

Währungen unterscheiden sich von anderen Anlageklassen, weil Werte nur im Vergleich zu anderen Werten definiert werden können. Alles ist relativ, es gibt kaum absolute Kennziffern, mit denen gearbeitet werden kann. Zudem gibt es zahlreiche Faktoren, die auf den Kurs einer Währung einwirken, jedoch nur schwer abzuschätzen sind. „Letztendlich bilden Währungskurse Nettokapitalströme ab, die in eine Währungszone hinein oder aus ihr herausfließen“, sagte Thomas Kressin, Senior Vice President und Portfoliomanager bei Pimco in München und Leiter des europäischen Währungsteams, den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.

Fließt Kapital in ein Land oder einen Währungsraum, wertet dessen Währung tendenziell auf. In der Eurozone hat dieser Mechanismus jedoch zu hohen Ungleichgewichten und Spannungen zwischen den Mitgliedsstaaten geführt – insbesondere in Bezug auf Deutschland, das seit Jahren hohe Handelsüberschüsse mit seinen Nachbarn erzielt: Vor Einführung des Euro führten die deutschen Exporterfolge zu einer stärkeren Deutschen Mark, was mittelfristig dazu führte, dass deutsche Exporte im Ausland wieder unattraktiver wurden und andere Handelspartner mit schwächeren Währungen wieder aufholen konnten, sagt Kressin. Dieser Kreislauf steigender und fallender Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Ländern sei jedoch inzwischen durch die Gemeinschaftswährung Euro unterbunden worden.

Die Folge davon ist, dass das Verhältnis des Exporteurs zum Importeur zementiert wird, weil die Importeure keine eigene Währung mehr haben, die abwerten und die heimische Industrie zu verstärkten Exporten veranlassen könne. Auch für Deutschland hat dies langfristig negative Konsequenzen: Die jährlich steigenden Exportüberschüsse repräsentieren ständig steigende Forderungen gegenüber dem Ausland, deren Rückzahlung mit steigendem Volumen tendenziell immer unsicherer werde. Von möglichen Zahlungsschwierigkeiten dieser Länder werden letztendlich die deutschen Sparer betroffen sein, so Kressin.

Kressin kritisiert in diesem Zusammenhang eine allzu starke Exportorientierung in der öffentlichen Debatte: „Die öffentliche Diskussion in Deutschland wird meines Erachtens am falschen Ende geführt, indem nur auf die Kreditnehmer geschielt wird. Die Frage ist jedoch, ob die deutschen Unternehmer die Waren, die sie exportiert haben, irgendwann in Euro wieder zurückgezahlt bekommen. Das Geschäftsmodell Deutschlands muss verändert werden, um positive Barwerte zu schaffen.“

Die große Veränderung der vergangenen 30 Jahre besteht nach Meinung des Pimco-Managers darin, dass der reale Warenverkehr bei der Bestimmung eines Wechselkurses inzwischen an Bedeutung eingebüßt hat. Dieser werde heute auch in hohem Maße durch den globalen Kapitalverkehr beeinflusst, der die Anlage von Geldern zu einer bestmöglichen Rendite zum Ziel hat. Solche Geldströme repräsentieren keine Waren oder Dienstleistungen mehr, ihr Zweck besteht darin, rentabel angelegt zu werden. Hierin liegt teilweise auch die expansive Geldpolitik der EZB begründet. Diese beabsichtigt mit der Herabsetzung des Leitzinses und des Einlagenzinses nicht zuletzt, den eigenen Finanzmarkt für Investoren unattraktiver zu machen, um die Allokation von Geldern in Euro zu dämpfen und dadurch den Wechselkurs der Gemeinschaftswährung zu schwächen – wovon man sich eine Stimulierung der Wirtschaft verspricht.

Bislang bewegten sich die großen Zentralbanken jedoch in unterschiedliche Richtungen. Während die EZB und die japanische Nationalbank ihre geldpolitischen Maßnahmen weiter ausgeweitet haben, hat die Fed im Dezember erstmals seit über neun Jahren wieder den Leitzins erhöht. Diese Divergenz stelle ein Problem dar. „Insbesondere deshalb, weil jede Fed-Entscheidung überproportionale Folgen auf die globalen Geldströme haben wird. Wegen der Anbindung des chinesischen Yuan an den Dollar wird sich eine Dollarstärke beispielsweise tendenziell auch in einem Anstieg des Yuan bemerkbar machen. Generell gilt, dass Geldpolitik ein zyklisches Instrument sein sollte, das nicht für eine dauerhafte Anwendung ausgelegt ist“, sagt Kressin.

Kressin geht mit Blick auf die kommenden Monate bezüglich wichtiger Währungen jedoch von einem ruhigeren Umfeld aus. „Das jüngste Treffen der G 20 in Schanghai könnte unseres Dafürhaltens nach ein – vielleicht auch nur stillschweigendes – Einverständnis erbracht haben, dass einerseits ein zu starker Dollar nicht wünschenswert ist und dass zweitens die Maßnahmen der nationalen Geldpolitik zur Stabilität der wichtigsten Währungen beitragen sollen.“ Weitere abrupte Abwertungen des chinesischen Yuan wie im August 2015 oder im Januar 2016 werde es wahrscheinlich nicht geben.

Auch das Verhältnis von Euro und Dollar wird sich aus Sicht des Währungsspezialisten einpendeln: „Der Dollar ist nach unserer Analyse schon sehr hoch bewertet und wir glauben, dass die Zeit der größten Dollaraufwertung hinter uns liegt. Das hat auch damit zu tun, dass die US-Notenbank auch mit Rücksicht auf den chinesischen Yuan künftig sehr vorsichtig agieren wird bei ihren weiteren Zinsschritten (wir rechnen nur mehr mit einer bis zwei Zinserhöhungen 2016) und andererseits EZB und BOJ die Zinsen kaum weiter in den negativen Bereich senken werden. Das Potenzial einer weiteren Ausweitung der Zinsdifferenz ist also begrenzt. Der Dollar dürfte in den kommenden Monaten innerhalb einer Bandbreite zu Euro und Yen notieren. Ein Unsicherheitsfaktor für den Euro bleibt dagegen die anstehende Abstimmung über einen Brexit.“

Die Aussichten für Erdöl werden von Kressin etwas positiver eingeschätzt, wovon auch der Rubel profitieren könne. „Fundamental betrachtet ist der Rubel wie die meisten Rohstoffwährungen günstig bewertet. Der Kurs des Rubel ist neben dem Ölpreis maßgeblich von geopolitischen Faktoren bestimmt. Bezüglich des Ölpreises erwarten wir tendenziell eine Stabilisierung bei rund 50 Dollar pro Barrel. Das sollte sich – bei unveränderter Lage bei den geopolitischen Faktoren – unterstützend für den Rubel auswirken.“

Sorgen bereitet Kressin hingegen die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland. In den vergangenen Jahren habe man gut davon gelebt, seinen Beitrag zum Aufstieg Chinas zu leisten. Insbesondere Ausrüstungsgegenstände und der Maschinenbau – Bereiche, in denen die deutsche Wirtschaft traditionell gut aufgestellt ist – seien gefragt gewesen. Diese Zeit geht nun zu Ende, weil China sein Geschäftsmodell hin zu mehr Binnenkonsum umstellt. Kressin kritisiert, dass es bislang keine Debatte darüber gibt, wie es in den kommenden Jahrzehnten weitergeht. „Seit der Agenda 2010 wurde nicht mehr die Frage gestellt, wie Wachstum geschaffen werden kann. Stattdessen dominiert die Frage, wie der erreichte Wohlstand verteilt werden kann. Auch auf EU-Ebene wird die Frage nach Innovation und Weiterentwicklung vernachlässigt. Nehmen Sie zum Beispiel die zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts lancierte Lissabon Agenda, die so gut wie keinerlei konkrete Folgen gehabt hat.“

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