Politik

Türkei: Erdogan will russische Luftabwehr-Raketen kaufen

Das Nato-Land Türkei will russische Luftabwehrraketen kaufen.
16.07.2017 21:05
Lesezeit: 2 min

Das Nato-Land Türkei will das russische Raketenabwehrsystem S-400 kaufen. Das berichtet Bloomberg unter Berufung auf anonyme türkische Regierungsvertreter. Die vorläufige Vereinbarung sehe vor, dass die Türkei im kommenden Jahr zwei S-400-Raketen-Batterien aus Russland bezieht. Ein Sprecher der russischen Waffenausfuhrfirma Rosoboronexport OJSC wollte sich noch nicht über die Einzelheiten des Abkommens äußern.

Ursprünglich wollte die Türkei ein vergleichbares System von China kaufen, musste das Projekt jedoch auf Druck der US-Regierung aufgeben, wie Bloomberg berichtet.

Die Russen sind sich folglich noch nicht so sicher, ob der überraschende Deal wirklich zustandekommt. Konstantin Makienko, Analyst am Moskauer Center for Analysis of Strategies and Technologies: „Der Deal ist ein klares Zeichen dafür, dass die Türkei von den USA und Europa enttäuscht ist. Aber ehe der Vorschuss nicht bezahlt ist und der Zusammenbau beginnt, können wir uns nicht sicher sein.“

Die Türkei erwartet sich von dem Deal vor allem einen Know-How-Transfer, weil die Türkei gerne ein eigenes Raketenabwehrsystem bauen würde. Doch dieses Ansinnen ist nach Makienkos Einschätzung unrealistisch. Die Türkei müsste „Milliarden investieren, um eine komplette Industrie aufzubauen“.

Das Pentagon zeigt sich vergleichsweise entspannt – und setzt darauf, dass das russische System in der Nato-Armee der Türkei nicht funktionieren werde. US-Verteidigungsminister James Mattis hatte am Samstag seine Zweifel angemeldet: „Diese Systeme werden niemals kompatibel sein mit den NATO-Systemen. Die Frage ist, ob die Türkei diese Raketen tatsächlich kaufen wird? Werden sie diese Systeme lediglich in einer Region einsetzen? Die Antworten auf diese Fragen müssen wir abwarten“, zitiert TurkishNY Mattis.

Der türkische Luftraum wird derzeit lediglich von türkischen F-16-Kampfjets geschützt. Ein Raketenabwehrsystem, das den Luftraum schützt, gibt es nicht. Der S-400 ist entworfen, um Flugzeuge, Drohnen oder Raketen zu erkennen, zu verfolgen und dann zu zerstören. Es ist das fortschrittlichste integrierte Luftabwehrsystem Russlands mit einer Reichweite von 400 Kilometern.

Hintergrund für die Unzufriedenheit der Türkei mit der Nato ist das schwer gestörte Verhältnis zu Deutschland. Die Türkei hat Bundestagsabgeordneten einen Besuch auf dem Nato-Stützpunkt im türkischen Konya untersagt. Das Auswärtige Amt teilte am Freitag sieben Mitgliedern des Verteidigungsausschusses mit, dass die türkische Regierung um eine Verschiebung ihrer für Montag geplanten Reise gebeten habe - ohne einen neuen Termin zu nennen. Als Begründung gab Ankara den derzeitigen Zustand der Beziehungen an. Die Nato will jetzt zwischen beiden Seiten vermitteln.

In Konya sind 10 bis 15 deutsche Soldaten stationiert, die sich am Einsatz von Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen. Wegen eines Besuchsverbots für Abgeordnete auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt Incirlik hatte die Bundesregierung im Juni entschieden, die dort stationierten 260 Soldaten mit ihren Tornado-Aufklärungsflugzeugen abzuziehen. Die Verlegung nach Jordanien hat bereits begonnen.

Anders als Incirlik ist Konya ein Nato-Stützpunkt. Die Türkei hatte Anfang Juni bei einem Besuch von Außenminister Sigmar Gabriel ausdrücklich zugesagt, dass die Abgeordneten die deutschen Soldaten in Konya besuchen dürfen. Daraufhin wurde der Besuch von sieben Abgeordneten für den 17. Juli geplant. Sie wollten mit einer Maschine der Bundeswehr von Berlin direkt nach Konya fliegen. Obwohl die Luftwaffenbasis dort ein Nato-Stützpunkt ist, handelt es sich um türkisches Territorium. Die türkische Regierung kann den Besuch daher untersagen.

Der Streit wird damit aber zu einem Fall für die Nato. Die Awacs-Besatzungen bestehen zu einem Drittel aus deutschen Soldaten. Ohne sie könnte der Einsatz nur schwer fortgesetzt werden. Deswegen schaltete sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg als Vermittler ein. Er hoffe, dass sich beide Seiten auf einen Termin für eine Visite einigen könnten, erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Wochenende nach Gesprächen mit deren Außenministern Mevlüt Cavusoglu und Sigmar Gabriel. Stoltenberg erklärte, Konya sei für die Unterstützung der Türkei und im Kampf gegen die Extremistenmiliz IS ein wichtiger Standort. Bisher wirke sich der Streit aber nicht auf die Flüge der Awacs-Aufklärungsmaschinen aus, für die die Bundeswehr einen Teil der Besatzung stellt. Der Nato-Chef sagte zudem, Besuche von Abgeordneten bei Soldaten in Nato-Einsätzen seien normal. "Wir hoffen, dass Deutschland und die Türkei einen für beide Seiten akzeptablen Termin für einen Besuch finden können."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik NATO: Geringeres Plus bei Verteidigungsausgaben
01.09.2025

Die Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten steigen weiter, doch das Tempo verlangsamt sich. Während Europa und Kanada aufholen wollen,...

DWN
Finanzen
Finanzen Pharma-Aktien: Sollten Anleger in der schwachen Phase einsteigen?
01.09.2025

Pharma-Aktien haben 2025 ein schwaches Jahr hinter sich – trotz steigender Medikamentennachfrage und solider Quartalszahlen. Politische...

DWN
Finanzen
Finanzen US-Börsen: KI-Blase, Goldpreis bei 4.000 Dollar und die Schwäche des Septembers
01.09.2025

September gilt historisch als der schwächste Monat für Aktien – doch Analysten sehen Chancen. Während OpenAI-Chef Sam Altman vor einer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kapitalfonds erhöhen Druck im Machtkampf um die Bavarian Nordic-Aktie
01.09.2025

Der Machtkampf um die Bavarian Nordic-Aktie eskaliert: Vorstand und Fonds drängen auf Annahme des Übernahmeangebots, während...

DWN
Politik
Politik Flugzeug mit Ursula von der Leyen betroffen von GPS-Störung
01.09.2025

Ein ungewöhnlicher Zwischenfall sorgt für Aufsehen: Ein Flugzeug mit Ursula von der Leyen an Bord gerät ins Visier einer mutmaßlich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Berufungsgericht: Trump-Zölle sind illegal
01.09.2025

Das US-Berufungsgericht hat Trumps Strafzölle für ungesetzlich erklärt – doch vorerst bleiben sie in Kraft. Nun entscheidet der...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Innovation zur Verstaatlichung: Wo die Intel-Aktie gescheitert ist
01.09.2025

Intel galt einst als Inbegriff amerikanischer Technologieführung. Doch Milliardenverluste, strategische Fehltritte und politische...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mehrheit der Beschäftigten gegen längere Arbeitszeiten
01.09.2025

Viele Beschäftigte lehnen längere Arbeitszeiten klar ab – trotz politischer Forderungen und wirtschaftlicher Argumente. Eine aktuelle...