Die Zuspitzung im Streit zwischen der Regierung in Madrid und den Separatisten in Barcelona macht Anleger nervös. Sie warfen am Mittwoch Aktien und Anleihen des Landes aus ihren Depots. Der Leitindex der Madrider Börse verlor 1,1 Prozent auf 10.264 Punkte. Der Dax notierte unverändert, der französische Leitindex CAC 40 lag 0,1 Prozent im Plus. "Die Abspaltungstendenzen von Katalonien schlagen sich langsam auf die Börsenstimmung durch", sagte Händler Predrag Dukic vom Broker CM CApital Markets in Madrid. "Der Ton der Zentralregierung wird härter, das kommt am Kapitalmarkt nicht gut an."
Wenige Tage vor dem geplanten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien am 1. Oktober wurden bei mehreren Razzien Politiker festgenommen. Der Chef der Regionalregierung in Barcelona, Carles Puigdemont, warf dem spanischen Regierungschef Mariano Rajoy vor, die Trennungslinien hin zu einem repressiven Regime überschritten zu haben.
Unter den größten Verlierern an der Börse waren die Aktien der Banken Caixabank und Sabadell, die ihre Firmenzentralen in Barcelona haben. Caixabank verloren 2,2 Prozent, Sabadell 4,4 Prozent.
Die zehnjährigen spanischen Staatsanleihen waren bei Anlegern weniger beliebt als die anderer südeuropäischer Länder. Ihre Rendite stieg daher leicht an, während die der Nachbarstaaten zurückging.
Nach einer Polizei-Razzia gegen die Regionalregierung in Barcelona sind tausende aufgebrachte Katalanen auf die Straße gegangen. Vor dem Außenministerium kam es am Mittwoch zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. "Raus mit den Besatzungskräften!", schrieen einige Demonstranten. Zuvor hatte die spanische Militärpolizei bei einem morgendlichen Einsatz am Sitz der Regionalregierung 13 Mitarbeiter festgenommen.
Rund 4000 Demonstranten versammelten sich nach Polizeiangaben im Zentrum von Barcelona. Viele waren in die gelb-rote Flagge Kataloniens gehüllt, riefen "Unabhängigkeit" und "Wir werden wählen!" Eine einflussreiche Organisation für die Unabhängigkeit, die Katalanische Nationalversammlung (ANC), rief zu weiteren gewaltfreien Protesten auf. "Wir wollten wählen und sie erklärten den Krieg", erklärte der ANC-Chef Jordi Sanchez.
Unter den Festgenommenen war auch Josep Maria Jové, die rechte Hand von Vize-Regierungschef Oriol Junqueras. Jové war für die Koordinierungsarbeiten bei der Vorbereitung des für den 1. Oktober geplanten Referendums und für das Wirtschaftsressort zuständig.
Die Guardia Civil drang in die wichtigsten Büros der Regionalregierung in Barcelona ein, die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Regierungschef Carles Puigdemont, wie ein Sprecher der Regionalregierung sagte. Auf Anordnung eines Untersuchungsrichters in Barcelona seien insgesamt 22 Durchsuchungen vorgenommen worden, sagte ein Sprecher der Guardia Civil.
Bei einem weiteren Einsatz beschlagnahmte die Polizei zudem fast zehn Millionen Stimmzettel, wie das Innenministerium mitteilte. Aus einsatznahen Kreisen verlautete, die Zettel seien in Bigues rund 45 Kilometer nördlich von Barcelona konfisziert worden.
Puigdemont warf der spanischen Regierung vor, "de facto den Ausnahmezustand" über Katalonien verhängt zu haben. Auch seien die Autonomieregelungen für die Region praktisch ausgehebelt, etwa durch die verschärfte Kontrolle der Zentralregierung über seine Finanzen, sagte Puigdemont.
Bei einer turbulenten Sitzung des Parlaments in Madrid sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, mit den drastischen Maßnahmen erfülle er seine "Pflicht". "Zieht eure schmutzigen Hände von den Institutionen in Katalonien weg!", schimpfte der katalanische Abgeordnete Gabriel Rufián von der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC. "Der Wille des katalanischen Volkes kann nicht gebremst werden."
Sowohl die neun ERC-Abgeordneten als auch die acht Abgeordneten von Puigdemonts rechtsgerichteter Unabhängigkeitspartei PDeCAT verließen aus Protest gegen die Razzia das Parlament.
Derweil schaltete sich der FC Barcelona in den Streit ein: Der weltberühmte Fußballverein veröffentlichte am Mittwoch eine Erklärung, in der er unter Verweis auf sein "historisches Engagement für die Verteidigung des Landes" jede Handlung verurteilt, welche die Meinungs- und Entscheidungsfreiheit untergrabe. "Der Wille der Mehrheit des katalanischen Volkes" müsse Beachtung finden.
Der FC Barcelona hat sich in den Streit um das katalanische Unabhängigkeitsreferendum eingeschaltet und das Vorgehen der spanischen Zentralregierung verurteilt. Der weltberühmte Fußballverein veröffentlichte am Mittwoch eine Erklärung, in der er unter Verweis auf sein "historisches Engagement für die Verteidigung des Landes" jede Handlung verurteilt, welche die Meinungs- und Entscheidungsfreiheit untergrabe.
"Der Wille der Mehrheit des katalanischen Volkes" müsse Beachtung finden, erklärte die Barça-Führung. "Nach den Ereignissen der vergangenen Tage, insbesondere des heutigen" stelle sich der Verein auf die Seite "der Demokratie, der Meinungs- und Entscheidungsfreiheit".
Damit nahm der Top-Club Bezug auf die morgendliche Polizei-Razzia am Sitz der Regionalregierung in Barcelona und die dabei erfolgte Festnahme von 13 Mitarbeitern der Regionalregierung. Die Zentralregierung in Madrid versucht derzeit mit allen Mitteln, das für den 1. Oktober geplante Unabhängigkeitsreferendum der Katalanen zu unterbinden.
Die Geschichte des FC Barcelona ist eng mit dem katalanischen Nationalgefühl verknüpft, das er auch während der Franco-Diktatur (1939-75) hochhielt. Trotz mehrfacher Sanktionen durch die Europäische Fußball-Union (Uefa) waren im Barça-Stadion, dem Camp Nou in Barcelona, immer wieder Flaggen der Unabhängigkeitsbefürworter zu sehen.
Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy hat die Regionalregierung Kataloniens für die Verschärfung der Lage verantwortlich gemacht und zur Mäßigung aufgerufen. Die Befürworter einer Unabhängigkeit müssten ihre "Eskalation des Radikalismus und des Ungehorsams" beenden, sagte Rajoy am Mittwochabend in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache. "Noch ist es Zeit, größere Probleme abzuwenden."