Der russische Energiekonzern Gazprom treibt das Pipeline-Projekt Nord Stream II trotz starker Widerstände zusammen mit seinen europäischen Partnerunternehmen voran. Nachdem ein mögliches Veto der EU-Kommission durch einen Bericht des Juristischen Dienstes des Europäischen Rates vorerst verhindert wurde, bereitet nun Dänemark Hindernisse gegen den Bau der Pipeline vor.
Die EU-Kommission hatte in den vergangenen Monaten versucht, einen Platz am Verhandlungstisch der an Nord Stream II beteiligten Länder und Unternehmen zu erhalten. Sie argumentierte, dass der Bau der Pipeline zu einem zu starken Einfluss Russlands auf dem europäischen Energiemarkt führen werde. Die EU sei sich einig, nur Projekte zu unterstützen, die den Zielen der Energieunion entsprächen – darunter die Entwicklung vielfältiger Lieferwege und Versorgungssicherheit. Schon jetzt sei Russland der größte Lieferant und decke 42 Prozent aller Gasimporte in die EU ab. Mit Nord Stream 2 käme eine Kapazität von 55 Milliarden Kubikmeter pro Jahr hinzu – noch einmal so viel wie die erste Nord-Stream-Pipeline. Zusammen könnte die Trasse 80 Prozent russischer Gasexporte in die EU transportieren, heißt es in einem Entwurf der Kommission.
Dann käme noch mehr Gas von einem Partner, mit dem sich seit der Ukraine-Krise 2014 Spannungen aufbauen. Und zweitens flösse wohl mehr russisches Gas durch die moderne neue Pipeline und weniger durch alte Röhren via Ukraine und Polen. Beiden Ländern gingen Transitgebühren verloren, was vor allem die Ukraine finanziell träfe, deren Pipelinesystem marode ist.
13 Mitgliedstaaten äußerten damals Unterstützung für den Vorstoß, Deutschland enthielt sich. Die Bundesregierung hatte sich klar gegen ein Engagement der EU-Kommission ausgesprochen und argumentiert, dass es sich dabei um eine Angelegenheit der beteiligten Länder und Unternehmen handele.
Der Juristische Dienst des Europäischen Rates hatte den Ambitionen der Kommission nun Ende September einen schweren Dämpfer verpasst. Darin argumentieren die Experten, „dass schon die Grundannahme der Kommission fraglich sei, wonach das Pipelineprojekt als zusätzliche Lieferroute die Abhängigkeit der EU von russischem Gas erhöhe. Zudem ergebe sich weder aus der Gasrichtlinie von 2009 noch aus EU-Verträgen eine eindeutige Rechtsgrundlage für die EU, um über das Projekt zu verhandeln. Die Richtlinie beziehe sich nämlich ausschließlich auf den Energiebinnenmarkt und nicht auf Projekte eines EU-Staates mit einem Drittstaat wie Russland. Zudem bestehe, anders als von der Kommission dargelegt, keine Regelungslücke für die Pipeline auf hoher See. Dort komme internationales Recht zur Anwendung“, zitiert der Spiegel aus dem Bericht.
Osteuropäische Staaten sowie Schweden und Dänemark hatten die EU-Kommission im November 2016 aufgefordert, ein Verhandlungsmandat anzustreben. Dahinter stehen eigene wirtschaftliche Interessen. Polen beispielsweise hat seit 2015 in Swinemünde ein großes Flüssiggas-Terminal und kein Interesse an noch mehr preiswertem russischen Gas auf dem europäischen Markt, wie die Stiftung Wissenschaft und Politik analysiert. Die USA drängen Europa hingegen, amerikanisches Flüssiggas zu kaufen, und nehmen ihrerseits Nord Stream II mit Sanktionsdrohungen gegen Russland ins Visier.
Nun bereitet die dänische Regierung Widerstände gegen das Projekt vor. „Da die Pipeline nach aktuellen Plänen aber in der Ostsee Gebiete, die von Dänemark verwaltet werden, auf 139 Kilometern durchqueren wird, können die Dänen sich hier zumindest gegen diesen Streckenabschnitt stemmen. Da die dänische Regierung dem Projekt nicht positiv gestimmt ist, bereitet sie schon seit Monaten die gesetzlichen Rahmenbedingungen vor, um, wenn auch nur metaphorisch und unter Wasser, Steine in den Weg von Nord Stream 2 zu legen. Viel hängt davon ab, ob man die Pipeline in Dänemark als umweltschädlich einordnen kann“, berichtet das Portal The Motley Fool.
Gazprom hat auf die Möglichkeit eines dänischen Vetos inzwischen reagiert. Der technische Direktor der Planungsgesellschaft von Nord Stream II, Sergej Serdjukow, kündigte an, dass man eine alternative Route in der Hinterhand habe, falls Dänemark den Bau der Pipeline in seinen Hoheitsgewässern verbiete. Diese führe zu einer Verlängerung der Gesamtstrecke – die etwa 1.200 Kilometer zwischen Russland und Deutschland beträgt – von nur etwa 10 Kilometern und umgehe die dänischen Hoheitsgewässer.
Bisher kann nur die Energieagentur Dänemarks einschreiten, wenn der Bau der Pipeline eine Gefahr für die Umwelt darstellt, berichtet OWC. Für die Umsetzung des Projekts ist eine formelle Zustimmung der Länder Russland, Schweden, Dänemark und Deutschland erforderlich.