Deutschland

Im Auftrag von Peking: Chinesische Hacker attackieren deutsche Unternehmen

Lesezeit: 2 min
04.04.2019 12:28
Deutsche Unternehmen geraten immer mehr ins Visier chinesischer Hacker, die im Auftrag Pekings handeln. Jetzt wurde bekannt, dass das "Cyber-Defense-Center" des Bayer-Konzerns gerade noch einen massiven Abwehr abwehren konnte.
Im Auftrag von Peking: Chinesische Hacker attackieren deutsche Unternehmen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Militär  
China  

Die Bayer AG ist Opfer eines Cyber-Angriffs geworden. Wie der Pharma- und Chemie-Konzern am Donnerstagvormittag bestätigte, habe es bereits seit Anfang 2018 Anzeichen dafür gegeben, dass das Firmennetzwerk mit Schadsoftware der Hackergruppe „Winnti“ angegriffen wurde. Winnti soll im Auftrag des chinesischen Staates agieren. Die Hackergruppe soll 2016 auch hinter einer Attacke gegen ThyssenKrupp gesteckt haben. Die Experten der Bayer-Abwehreinheit „Cyber Defense Center“ hätten die betroffenen Systeme identifiziert und bereinigt, teilte der Konzern in seiner Stellungnahme mit. Die Bayer-Spezialisten hätten dabei eng mit der „Deutschen Cyber-Sicherheitsorganisation“ (DCSO) sowie dem Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen zusammengearbeitet. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Daten abgeflossen seien.

Der Konzern stellte Strafanzeige. Die bei der Staatsanwaltschaft Köln angesiedelte Zentral- und Ansprechstelle „Cybercrime Nordrhein-Westfalen“ (ZAC NRW) bestätigt den Vorfall, will sich aber aus „ermittlungstaktischen Gründen" derzeit nicht äußern.

Zuvor hatte NDR und der Bayrische Rundfunk über den Vorfall berichtet. Demnach hatten Datenjournalisten des BR die Winnti-Schadsoftware aufgespürt und den Konzern daraufhin kontaktiert. Demnach seien vor allem Systeme an der Schnittstelle vom Intranet zum Internet sowie Autorisierungssysteme infiziert gewesen, berichtet „tagesschau.de“. Ende März seien die Systeme dann bereinigt worden. Bis dahin seien die Angreifer aber offenbar nicht aktiv geworden, hieß es.

Die Winnti-Schadsoftware soll auch bei mindestens drei Unternehmen aus dem deutschen Mittelstand gefunden worden sein. Nach Angaben des „Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik“ (BSI) soll es sich dabei um Firmen handeln, die im Bereich Chemie, Maschinen- und Anlagenbau sowie Software tätig sind.

„Winnti“ war vor einiger Zeit von IT-Sicherheitsexperten des „Kaspersky Labs“ enttarnt worden. IT-Sicherheitsexperten als auch deutsche Sicherheitsbehörden sind sich sicher, dass die Bande aus China stammt und im Auftrag Pekings agiert. Gesicherte Erkenntnisse darüber, wer sich hinter der Gruppe verbirgt, gibt es allerdings nicht. ThyssenKrupp hatte damals den Angriff in einer sechsmonatigen Abwehrschlacht erfolgreich beendet. Florian Roth von der Firma „Nextron Systems“ analysierte damals den Hacker-Angriff auf das deutsche Traditions-Unternehmen. „Bei Winnti handelt es sich meiner Meinung nach um eines der am schwersten zu erkennenden Schadprogramme überhaupt", sagt Roth. Die Software hinterlasse kaum Spuren auf der Festplatte.

Große Unternehmen zählen Cyber-Attacken inzwischen zu den größten Risikofaktoren für ihr Geschäft. Der Bundesnachrichtendienst (BND) erwartet immer mehr Angriffe durch Hacker. „Weltweit sinkt die Hemmschwelle, Cyber-Angriffe zur Erlangung von politischen, militärischen oder wirtschaftlichen Vorteilen einzusetzen", hatte BND-Präsident Bruno Kahl im Februar gewarnt. Deutschland sei davon genauso betroffen wie EU-Partner. Man könne sich nur durch ein gemeinsames Vorgehen dagegen wehren.

„Wenn ein Unternehmen feststellt, dass es die Winnti-Schadsoftware auf einem oder mehreren Rechnern hat, dann ist klar, dass es sich um einen zielgerichteten Angriff handelt", sagt Andreas Rohr, Leiter für Technik bei der „Deutschen Cyber-Sicherheitsorganisation“ (DCSO). Diese wurde 2015 von verschiedenen Unternehmen, darunter Bayer, gegründet und für die Aufklärung der Späh-Aktion hinzugezogen. Rohr sagt, Unternehmen müssten sich die Frage stellen, „wie groß die Kompromittierung, sprich: der Befall im gesamten Netzwerk" sei. Die Winnti-Gruppe sei bekannt dafür, sich sehr stark auszubreiten.

Der frühere BND-Präsident Gerhard Schindler, der heute als Berater arbeitet, weist darauf hin, dass die eindeutige Zuordnung einer Hackergruppe zu einem Land immer sehr schwierig sei. Cyber-Spionage bei deutschen Konzernen passe aber zu Chinas ehrgeizigen Wirtschaftszielen: China wolle „bis 2025 zu den führenden Wirtschaftsnationen aufschließen und bis 2049, also zum einhundertjährigen Bestehen der Volksrepublik, zur mächtigsten Wirtschaftsnation der Welt werden", so Schindler.

Auch Andreas Rohr von der DCSO erklärt, dass die von der Winnti-Gruppe ausgespähten Unternehmen in Chinas Pläne passen würden: „Von daher kann man davon ausgehen, dass da ein ganz gezielter Auftrag vom chinesischen Staat vorliegt." Auch wenn sich das zu 100 Prozent nicht beweisen lasse.

Auch der Bundestag beschäftigte sich immer wieder mit der Problematik. Zuletzt warnte ein Vertreter des „Bundesamtes für Verfassungsschutz“ (BfV) im Januar dieses Jahres vor der chinesischen Wirtschaftsspionage. In einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses berichtete er, dass in Deutschland neben den großen Konzernen auch kleinere und auf Nischen spezialisierte Unternehmen im Fokus stünden. Diese könnten sich nämlich keine größeren IT-Sicherheitsteams leisten. Bereits im September 2018 warnte das BfV die Abgeordneten vor dem neuen chinesischen Geheimdienstgesetz. Dieses räume den eigenen Behörden umfangreiche Sonderrechte ein, um nahezu ohne Einschränkungen im Ausland nachrichtendienstlich tätig zu sein.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Immer mehr Menschen heben Geld im Supermarkt ab
17.04.2024

Geldabheben beim Einkaufen wird in den Supermärken immer beliebter. Für Händler könnten die zunehmenden Bargeldauszahlungen jedoch...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Eurozone fällt auf 2,4 Prozent
17.04.2024

Im Herbst 2022 erreichte die Inflation in der Eurozone ein Höchststand von mehr als zehn Prozent, jetzt gibt es den dritten Rückgang der...