Die Große Koalition plant, die Grundsteuer zu reformieren. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe trifft dazu am Dienstag ein wichtiges Urteil. Das Urteil zur Rechtmäßigkeit der Besteuerungsgrundlage, den Einheitswerten, wird Auswirkungen auf die Reform haben.
Nach der mündlichen Verhandlung des Ersten Senats im Januar scheint es sicher, dass die Einheitswerte für die 35 Millionen Grundstücke in Deutschland nicht mehr mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes zu vereinbaren sind. Ihre Festlegung reicht in den westlichen Bundesländern bis 1964 und in den neuen Bundesländern sogar bis 1935 zurück.
Da das Bundesverfassungsgericht nach eigenen Angaben durch ein Urteil keine Situation schaffen will, die schlechter ist als ein ohnehin schon verfassungswidriger Zustand, wird in der Regel eine Übergangsfrist festgelegt. Ein ersatzloser Wegfall der Steuer droht also nicht. In der Verhandlung waren sich die Teilnehmer nicht einig, wie viele Jahre nötig sind, neue Berechnungsgrundlagen zu schaffen. Von mehr als zehn Jahren war die Rede – je nachdem, für welche Lösung sich der Gesetzgeber entscheidet.
Die Grundsteuer wird zwar im Grundsatz vom Bund geregelt, sie steht aber den Kommunen zu und trägt mit aktuell fast 14 Milliarden Euro Aufkommen im Jahr rund 10 Prozent zu den Haushalten von Städten und Gemeinden bei. Die Berechnung auf Grundlage des Einheitswertes ist mehrstufig. Dieser wird erst mit einer Messzahl, die nach Art des Objekts und Größe der Kommune variiert, und dann dem Hebesatz, den jede Stadt oder Gemeinde selbst festsetzt, multipliziert. Die Grundsteuer trifft die Eigentümer und wird an Mieter weitergegeben.
Das Bundesverfassungsgericht war ins Spiel gekommen, weil der Bundesfinanzhof drei Vorlagen nach Karlsruhe geschickt hatte und außerdem zwei Verfassungsbeschwerden vorlagen. Das Kernproblem: Wegen fehlender Neubewertungen kann es sein, dass vergleichbare Grundstücke und Gebäude verschiedener Baujahre völlig unterschiedlich bewertet werden – zum Beispiel weil aus einem Arbeiterstadtteil über Jahrzehnte ein teures In-Viertel geworden ist.
Für die Reform gibt es bereits verschiedene Vorschläge. Den Bodenwert wollen zum Beispiel der Deutsche Mieterbund und die Umweltorganisation Nabu in den Vordergrund rücken. Das soll der Spekulation entgegenwirken. Ungenutzte, aber für die Bebauung vorgesehene Grundstücke würden höher belastet. „Indem innerörtliche Brachen und Baulücken besser genutzt werden, ist weniger Neubau auf der grünen Wiese erforderlich“, sagt der Bundesgeschäftsführer des Nabu, Leif Miller.
Ganz anders sieht das der Zentrale Immobilienausschuss (ZIA) als Spitzenverband der Immobilienwirtschaft. Die beim Bodenwertmodell nötige Neubewertung von 35 Millionen Grundstücken wäre kaum zu schaffen. Außerdem müssten die Gebäude berücksichtigt werden, weil eine Bodensteuer nicht verursachergerecht sei. Der Vorsitzende des ZIA-Ausschusses Steuerrecht, Hans Volkert Volckens, rechnet damit, dass die Verfassungsrichter eine kurze Frist zur Neuregelung vorgeben. Damit könnte das von den meisten Bundesländern favorisierte Modell nicht umgesetzt werden. Es bräuchte eine lange Übergangszeit. Ein Modell auf Grundlage von Grundstücks- und Gebäudegröße wäre aus seiner Sicht handhabbarer. Zustimmung dazu kommt vom Verband Haus & Grund.
Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte in der Verhandlung noch in seiner Funktion als Finanzsenator vor einer massiven Mehrbelastung für Mieter durch eine Reform gewarnt. Eine Neufestlegung der Einheitswerte würde Millionen Mieter treffen, deren Immobilien in den vergangenen Jahren ohne eigenes Zutun eine erhebliche Wertsteigerung erfahren hätten, sagte er. Seiner Meinung nach sollte sich die Grundsteuer an den Boden- und Gebäudeflächen orientieren.
Die kommunalen Spitzenverbände unterstützen die Reformpläne der Bundesländer. Bund und Länder müssten sich bereits am Mittwoch an einen Tisch setzen, forderte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, in der „Rheinischen Post“. Ein Reformvorschlag des Bundesrats, zu dem eine Neubewertung der Grundstücke gehört, war im vergangenen Jahr im Bundestag liegen geblieben. Alle Beteiligten streben an, das Gesamtsteueraufkommen nicht wesentlich zu verändern.
Allerdings werden Veränderungen im Steuerrecht, die von Karlsruhe angestoßen werden, gerne zum Anlass genommen, Erhöhungen vorzunehmen. Eine mögliche Zinswende könnte die Bundesregierung wegen der nach wie vor hohen Staatsausgaben dazu veranlassen, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und sich die Milliarden, die sich die öffentlichen Haushalte derzeit dank Mario Draghis Politik derzeit noch ersparen, bei den Immobilienbesitzern und Mietern zu holen.
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