Politik

Eine Tote und 200 Verletzte bei Massen-Demos in Frankreich

In Frankreich ist es am Samstag in vielen Städten zu Massendemonstrationen gekommen.
17.11.2018 22:16
Lesezeit: 2 min

Anne Lec'Hvien von der AFP berichtet:

Bei landesweiten Protesten gegen die geplante Erhöhung der Kraftstoffsteuer sind in Frankreich eine Demonstrantin getötet und mehr als 220 Menschen verletzt worden. Nach Angaben von Innenminister Christophe Castaner überfuhr eine Autofahrerin die 63-jährige Frau am Samstag an einer Straßenblockade im Departement Savoie im Osten des Landes. Landesweit wurden bis zum Abend 227 Menschen verletzt, sieben von ihnen, darunter ein Polizist, schwer.

Insgesamt gab es rund 2000 Protestaktionen der Bewegung "Gelbe Warnwesten" (gilets jaunes) mit knapp 283.000 Teilnehmern, erklärte das Innenministerium am Abend. 117 Menschen seien festgenommen worden. Viele der Demonstranten, die unter anderem Straßen, Supermärkte und Tankstellen blockierten und so enorme Verkehrsbehinderungen verursachten, wollten ihre Aktionen in der Nacht und am Sonntag fortsetzen.

Zu dem Todesfall kam es laut Castaner, als die Autofahrerin in Pont-de-Beauvoisin ihre Tochter zum Arzt bringen wollte und in Panik geriet, als die Demonstranten begannen, auf ihr Auto einzuschlagen. Sie habe Gas gegeben und die 63-jährige Frau überfahren. Die Autofahrerin erlitt einen Schock und wurde in Gewahrsam genommen. Castaner betonte das Recht auf Demonstrationsfreiheit, forderte von den Demonstranten aber ein Mindestmaß an Organisation, um "solche Dramen zu vermeiden".

Die Protestbewegung der "Gelben Warnwesten" richtet sich gegen das Vorhaben der Regierung von Staatschef Emmanuel Macron, die Steuern für Autofahrer im kommenden Jahr weiter zu erhöhen. Geplant ist unter anderem eine Anhebung der Abgaben auf Diesel und Benzin. Ein Liter Superbenzin kostet derzeit in Frankreich rund zwei Euro.

Bei den Protesten gab es mehrere Zwischenfälle. Laut Castaner ereignete sich im elsässischen Sélestat nahe der Grenze zu Deutschland ein Unfall "mit schweren Folgen". Das Opfer sei aber nicht ums Leben gekommen. In Grasse in Südfrankreich versuchte nach Angaben der örtlichen Präfektur ein Autofahrer eine Straßensperre zu durchbrechen und fuhr dabei einen Polizisten an. Der Beamte erlitt leichte Verletzungen, der Fahrer wurde festgenommen.

In Passy im Departement Haute-Savoie ging die Polizei mit Tränengas gegen Blockierer vor. In Capendu im südlichen Departement Aude fuhr ein wütender Autofahrer eine Demonstrantin an. Die Frau sei leicht verletzt worden, hieß es. Größere Straßenblockaden gab es in der Hafenstadt Caen in der Normandie, in Béziers sowie in Perpignan und Toulouse im Süden des Landes.

In Hendaye an der Grenze zu Spanien hielten etwa 150 "Gelbe Warnwesten" Schilder mit Aufschriften wie "Willkommen im Steuerland" oder "Stopp der Rentensicherheit" in die Höhe. Auf beiden Seiten des Grenzübergangs bildeten sich lange Schlangen von Autos und Lastwagen.

In Paris marschierten Demonstranten mit gelben Westen über den Prachtboulevard Champs Élysées und riefen "Macron - démission!" (Macron - Rücktritt). Mehrfach überquerten sie die Champs Élysées in Anspielung auf einen Ausspruch Macrons, der einem Arbeitslosen gesagt hatte, es genüge, die Straße zu überqueren, um Arbeit zu finden.

Der Protest gegen die Erhöhung der Kraftstoffpreise hatte sich zuletzt ausgeweitet zu Unmut über den Kaufkraftverlust und die Steuerpolitik im Allgemeinen. Um dem die Spitze zu nehmen, hatte Premierminister Edouard Philippe am Mittwoch eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, um Haushalte mit geringem Einkommen zu entlasten. So soll der staatliche Zuschuss zu privaten Strom- und Gasrechnungen auf 5,6 Millionen Haushalte ausgeweitet werden, das sind zwei Millionen mehr als bisher.

Zudem sollen Einkommensschwache eine staatliche Prämie von bis zu 4000 Euro für den Kauf eines emissionsarmen Autos beantragen können - 1500 Euro mehr als bisher vorgesehen. An der umstrittenen Erhöhung der Kraftstoffsteuer zum 1. Januar hält die Regierung aber fest.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wettlauf um die Zukunft: Wie die USA ihre technologische Überlegenheit retten wollen
01.06.2025

China wächst schneller, kopiert besser und produziert billiger. Die USA versuchen, ihre Führungsrolle durch Exportverbote und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freelancer: Unverzichtbare Stütze in flexiblen Arbeitswelten
01.06.2025

Trotz Homeoffice-Boom bleibt die Nachfrage nach Freelancern hoch. Warum Unternehmen auf Projektarbeiter setzen, wo die Vorteile liegen –...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...