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Ängste schüren, Panik verbreiten: Nicht Corona treibt uns in die Krise, die Politik tut es

Würden wir rational handeln, könnten wir die Folgen der Corona-Krise rasch überwinden. Doch die Politik verbreitet Panik unter der Bevölkerung und schürt Ängste - und führt auf diese Weise eine schwere Wirtschaftskrise herbei.
16.05.2020 08:45
Lesezeit: 6 min
Ängste schüren, Panik verbreiten: Nicht Corona treibt uns in die Krise, die Politik tut es
Vierzehn Monate ist der kleine Junge alt, er darf sich nach Herzenslust ausweinen. Aber was ist davon zu halten, dass ein ganzes Volk in Corona-Panik verfällt? (Foto: dpa)

Ist das Corona-Virus überwunden? Stehen wir vor einer zweiten Welle? Ist die veröffentlichte Zahl der Toten korrekt, oder ist sie in Wahrheit viel höher? Kommt die Hyper-Inflation – oder vielleicht doch eher die Deflation? Das sind nur einige der Fragen, welche unsere redefreudigen Experten und Politiker mit ihren zahlreichen Untergangs-Szenarien bei den Menschen auslösen. Kein Tag vergeht, ohne dass von allen Seiten bedeutungsschwere Botschaften kommen, die zwar kaum allgemein verständlich sind und einander häufig widersprechen, aber eines bewirken: Angst, Angst und nochmals Angst, nachdem in den vergangenen zwei Monaten die Angst vor dem Virus sowie schon alles dominierte. Anstatt jetzt endlich damit zu beginnen, sie abzubauen, wird sie mit einer Unzahl von Verweisen auf eine bedrohliche, schlimme Zukunft weiter geschürt.

Ruhig und überlegt denken: Das ist in der Angst nicht möglich

Im Zustand der Angst, der die Politiker wie die Bürger erfasst hat, finden keine sachlichen Überlegungen statt, werden keine Probleme definiert und folglich auch keine Lösungen gefunden. Versucht man, auf die eingangs geschilderten Fragen eine Antwort zu finden, so muss man leider die alles erdrückende Angst als wichtigen Faktor miteinkalkulieren – die panische Angst wird nämlich unser Handeln in den nächsten Wochen und Monaten entscheidend bestimmen. Leider, denn mit vernunft-bestimmten, auf der Ratio fußenden Maßnahmen wären die Schwierigkeiten zu meistern und wäre die sich abzeichnende Wirtschaftskrise in Grenzen zu halten.

Die Angst ist die Ursache des derzeit alles entscheidenden wirtschaftlichen Faktors: Die Sorge der Konsumenten vor einer ungewissen Zukunft, die die Kauflust bremst und stattdessen Sparen zum Gebot der Stunde macht. Von Mitte März bis Mitte Mai wurde das Einkaufen erschwert; ohne Online-Portale wäre es außerhalb des Lebensmittelhandels und einiger weniger anderer privilegierter Branchen generell zum Erliegen gekommen. Nun geht es allmählich, natürlich begleitet von der alles dominierenden Angst, zurück zur „Normalität“, die allerdings an einem Tag verkündet und am nächsten wieder eingeschränkt wird. Das Ergebnis dieses Durcheinanders: Von Kauflust keine Spur.

Die Preise sinken: Aber das ist kein Grund zur Freude.

Eine weitere Folge der allgemeinen Angst und der Unentschlossenheit unserer Politiker: Die Preise sinken, weil jedes Unternehmen bemüht ist, die Kunden doch noch irgendwie zum Kauf zu bewegen. Also lautet vorerst die Antwort auf die am Anfang dieses Artikels gestellten Frage in Sachen Preisentwicklung: Es kommt nicht zu einer Inflation, sondern zu einer Deflation. Niedrige Preise werden von den Kunden natürlich begrüßt, doch handelt es sich um eine trügerische Freude. Die Unternehmen verdienen nämlich weniger, wenn sie ihre Waren (zu) billig abgeben; sie müssen anfangen zu sparen und ihre Belegschaften zu reduzieren. Arbeitslose sind keine eifrigen Konsumenten, und so sinkt die Nachfrage weiter, ein Kreislauf entsteht. Niedrige Preise haben eine weitere dramatische Konsequenz: Es wird wenig oder gar nicht investiert, jedenfalls nicht in zusätzliche Kapazitäten und auch nur zögerlich in neue Produkte und Dienstleistungen. Womit wiederum weniger Arbeitskräfte zur Realisierung von Investitionen benötigt werden und die Kaufkraft der Konsumenten weiter geschwächt wird. Wie gesagt, ein Kreislauf, ein Teufelskreis.

Die nun stattfindende Welle von Preissenkungen ist letztlich kein Grund zur Freude und hat auch nichts gemein mit Preissenkungen in krisenfreien Zeiten: Da kann eine neue Technik Verbilligungen auslösen. Oder eine blühende Konjunktur bewirkt eine große Nachfrage, die dafür sorgt, dass man bei der einzelnen Ware weniger Gewinn machen muss und auch bei niedrigen Preisen gut verdient.

In der Deflation wirkt das genaue Gegenteil dieses Phänomens: Die geringe Nachfrage führt naturgemäß zu geringen Umsätzen. Man müsste also bei der einzelnen Ware mehr verdienen, um die erforderlichen Einnahmen zu bekommen. Der aktuelle Preisverfall treibt unweigerlich viele Firmen in den Ruin. In der Folge bleiben wenige Anbieter übrig, die, um zu überleben, die Preise kräftig in die Höhe treiben und somit eine hohe Inflation auslösen. Diese Mechanismen wirken auf der ganzen Lieferkette, vom Einzelhandel zurück über die Produktion bis hin zu den Rohstoffen. Die Rohstoff-Anbieter etwa trachten, den Preisverfall durch eine Reduktion der geförderten Mengen zu korrigieren, wie dies derzeit, vorerst noch ohne Erfolg, die Ölbranche versucht.

In der entwickelten Wirtschaft des Jahres 2020 wird die Nachfrage nicht allein durch den inländischen Konsum und die heimische Investitionstätigkeit bestimmt. Der internationale Warenverkehr spielt eine entscheidende Rolle, der Tourismus hat sich zu einer maßgeblichen Branche entwickelt, die zahlreichen anderen Dienstleistungen ebenso. Die Schließung der Grenzen, die Einstellung des Flugverkehrs und alle sonstigen Behinderungen werfen die Volkswirtschaften zurück auf die nationalen Märkte, wodurch ein beachtlicher Teil der Wertschöpfung verloren geht und viele Unternehmen ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren. Da ermöglichen auch Video-Konferenzen und Sondergenehmigungen für Frachtflüge keine zufriedenstellenden Lösungen – es gehen Milliarden an Umsätzen schlichtweg verloren.

Die vollständige Antwort auf die Frage nach der Preisentwicklung lautet also: Zuerst Deflation, dann Inflation.

In der Krise sollte der Staat durch Investitionen für Nachfrage sorgen.

Eine Schimäre?

Wenn die Nachfrage der Konsumenten schwächelt und in der Folge die Investitionstätigkeit zurückgeht, ist der Staat gefordert. Größere Aufträge der öffentlichen Hand können als Korrektiv wirken und, wenn man den Ankündigungen der Regierungen und der EU-Kommission glauben kann, so werden tatsächlich unglaublich viele Milliarden in Bewegung gesetzt. Bei genauerem Hinsehen setzt allerdings rasch Ernüchterung ein.

Die Staaten haben angesichts der überforderten Haushalte in den vergangenen Jahren ihre Investitionstätigkeit reduziert, wodurch auch das Niveau der Infrastruktur gelitten hat. Man könnte also meinen, es wäre nun der ideale Zeitpunkt, um in diesen Bereichen aufzuholen, vom Breitbandausbau in Deutschland über die Verbesserung der europäischen Verkehrsnetze bis zur Sanierung der Krankenhäuser in Italien. Vor allem die Einrichtungen des Gesundheitswesens einschließlich der Altersheime in Italien, Spanien und Frankreich, die sich in der Krise als überfordert erwiesen haben, müssten Gegenstand eines Investitionsschubs sein. In den EU-Programmen wird dieses Thema jedoch nur am Rande angesprochen, ein fassbares Konzept fehlt.

Für ein besseres Gesundheitssystem wäre wohl jede Verschuldung zu rechtfertigen, da sich diese Investition auf jeden Fall lohnt. Allerdings haben die Staaten in der Vergangenheit bereits enorme Schulden aufgehäuft. Auch müssen sie den Ausfall an Steuern und Sozialbeiträgen durch den Stillstand im Zuge der Corona-Krise verkraften. Außerdem wurden europaweit gigantische Beträge in Aussicht gestellt, mit denen man den Firmen und den Arbeitnehmern helfen will. Wenn auch die Wirksamkeit dieser Aktionen zu bezweifeln ist, kommt es doch zum Einsatz von Milliarden. Alles wird über Schulden finanziert, die die bestehenden Verpflichtungen explodieren lassen.

Vor diesem Hintergrund ist zu befürchten, dass von den Milliarden nur wenig in Investitionen fließen wird. Eher ist zu erwarten, dass die Staaten die Steuern anheben, um zumindest Teile ihrer Ausgaben zu finanzieren. Man kann schließlich nicht davon ausgehen, dass alle Milliarden von der Europäischen Zentralbank übernommen werden. Zudem sind die Anleger beim Kauf von Staatsanleihen sehr zurückhaltend. Schon jetzt sind die Steuern in Europa extrem hoch, nun kündigt sich eine Steigerung als unvermeidlich an. Steuern sind ein entscheidender Kostenfaktor und höhere Steuern müssen unweigerlich zu höheren Preisen führen. Wenn in der Wirtschaft die Phase der Preissenkungen abklingt und die Inflation wieder kräftig anzieht, genau dann kann man in einigen Monaten damit rechnen, dass auch die Finanzminister versuchen werden, die Löcher im Staatshaushalt zu stopfen.

Mit dem Lock-Down wurde der gesellschaftliche Umgang mit dem Phänomen Krankheit in Frage gestellt

Berücksichtigt man, dass die sich abzeichnende Entwicklung vermeidbar wäre, so kann man an der Politik verzweifeln. Die Probleme ließen sich lösen, würde man realistisch die Corona-Gefahr einschätzen, die Maßnahmen auf den Schutz der gefährdeten Lungenkranken und der Personen mit Immunschwäche konzentrieren und die Bevölkerung von ihrer Angst befreien. Eine derartige Haltung wäre schon bei Beginn des Lock-Downs angemessen gewesen, doch wurde nun einmal der Stillstand durchgesetzt. Jetzt gilt es, die Zukunft zu gewinnen. Für Beruhigung könnte ohne Zweifel eine genaue Betrachtung der Faktenlage sorgen. Die Antwort auf die eingangs gestellten Corona-Fragen müsste lauten:

  • Deutschland hat ausreichend Kapazität in den Spitälern, um selbst eine sehr große Zahl an Covid-19-Erkrankten aufzunehmen.
  • Bisher sind 172.000 Menschen erkrankt, das sind 0,2 Prozent der Bevölkerung, aber bereits 150.000 sind wieder gesund. Für die meisten ist die Krankheit nach spätestens zwei Wochen überwunden. Zur Orientierung: Weltweit sind 4,4 Millionen Menschen erkrankt, das entspricht 0,06 Prozent der Weltbevölkerung.
  • Die 7.723 Todesfälle in Deutschland entsprechen 0,009 Prozent der Bevölkerung. Die weltweit 300.000 Todesfälle entsprechen 0,004 Prozent der Weltbevölkerung.
  • Man ist durch Covid-19 weniger gefährdet als durch vertraute Krankheiten wie Diabetes: Täglich werden in Deutschland 500 neue Erkrankungen registriert, betroffen sind sieben Millionen Deutsche. Oder: Jährlich erkranken 500.000 Deutsche an Krebs, das sind 1.370 täglich.
  • In Jahren mit stärkeren Grippe-Wellen sterben im Schnitt in Deutschland 20.000 Personen an dieser Krankheit (2017/18 waren es 25.100, ein Jahr davor 22.900), in Jahren mit schwachen Grippe-Wellen, wie in der eben abgelaufenen Saison 2019/2020, sind dafür wenige Tote zu beklagen.

Die Botschaft an die Bevölkerung müsste lauten. Wir leben ständig mit vielen Bedrohungen; die erwähnten Krankheiten Diabetes, Krebs und Grippe sind nur ein paar Beispiele von vielen. Diese Krankheiten lösen keinerlei Panik aus; es werden auch nie mit dem Lock-Down vergleichbare drastische Maßnahmen ergriffen. Bei Covid-19 hingegen hat die Panikmache der Regierungen dafür gesorgt, dass die meisten Bürger in Deutschland, aber darüber hinaus in ganz Europa und in der Welt, eine vollkommen überzogene Angst vor dem Virus haben, und diese Angst das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in äußerst hohem Maße beeinträchtigt.

Eine Rückkehr zum rationalen Umgang mit der Tatsache, dass jeder Mensch nun mal ununterbrochen in der Gefahr lebt, krank zu werden, erscheint derzeit unmöglich. Die Angst vor Corona sitzt so tief, dass die Fakten nicht zur Kenntnis genommen werden und viele Menschen sogar dazu neigen, gute Nachrichten zu bezweifeln, während sie Katastrophenszenarien nur zu bereitwillig Glauben schenken.

Würden wir alle rational denken und handeln, würde die Krise – die uns fast sicher treffen wird – aller Voraussicht nach nicht eintreten. Die Nachfrage würde sich in üblichen Bahnen bewegen, die Wirtschaft würde funktionieren. Sicher nicht über Nacht, aber innerhalb weniger Monate wäre der Alltag wieder hergestellt. Dann könnte die Wirtschaftsleistung wieder steigen und der unweigerlich nachwirkende Verlust aus dem Lock-Down sukzessive abgebaut werden. Solange aber trotz der „Lockerung“ Menschen Masken tragen, einen skurrilen Abstand zu anderen halten, nicht reisen dürfen, von der Politik und den Medien ständig aufgefordert werden, doch bloß zu Hause zu bleiben und im Home-Office zu arbeiten, weil angeblich eine zweite Corona-Welle uns heimsuchen könnte, wird es keine Normalität geben, sondern eine schwere Wirtschaftskrise, die absolut vermeidbar gewesen wäre – wenn unsere Angst es zugelassen hätte.

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Ronald Barazon

                                                                            ***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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