Finanzen

Frontbildung im Mittelmeer: Türkei sucht in griechischen Gewässern nach Gas, Athen schließt See-Abkommen mit Ägypten ab

Die Spannungen im östlichen Mittelmeer nehmen zu. Während die Türkei Erkundungsschiffe zur Gassuche in griechische Gewässer schickt, durchkreuzt Griechenland die Aktionen mit einem See-Abkommen mit Ägypten.
10.08.2020 10:00
Aktualisiert: 10.08.2020 10:23
Lesezeit: 3 min

Der Streit um Erdgas im östlichen Mittelmeer schlägt wieder hohe Wellen. Ein türkisches Forschungsschiff soll bis zum 23. August seismische Forschungen nach Erdgas südlich der griechischen Insel Megisti (Kasteloriso) durchführen. Dies teilte die zuständige Marinebehörde der Türkei (SHOD) mit. Der türkische Energieminister Fatih Dönmez schrieb am Montag auf Twitter, das Forschungsschiff "Oruc Reis" habe den Hafen von Antalya bereits verlassen und das Gebiet erreicht, in dem es Forschungen vornehmen werde. Die Position des Schiffes gab Dönmez nicht bekannt. Die türkischen Behörden hatten angekündigt, dass die "Oruc Reis" seismische Untersuchungen in einem Gebiet südöstlich von Kreta und südlich der Insel Rhodos durchführen werde.

Athen kündigte eine Sondersitzung des Regierungsrates für Außenthemen und Verteidigung (KYSEA) unter Vorsitz von Regierungschef Kyriakos Mitsotakis an, wie die staatliche Nachrichtenagentur ANA-MPA meldete. Zahlreiche Schiffe der Kriegsmarinen der beiden Nato-Staaten sind in dieser Region unterwegs, hieß es aus Quellen der Regierung in Athen.

Der türkische Energieminister Dönmez schrieb auf Twitter weiter: "Für die Energieunabhängigkeit der Türkei werden unsere Aktivitäten im Mittelmeer und im Schwarzen Meer ununterbrochen fortgesetzt."

Die Suche der Türkei nach Erdgas südlich der griechischen Inseln ist aus Sicht Athens illegal, weil diese Region zur sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftszone des EU-Landes gehöre. Auch die EU hat diese türkischen Aktionen verurteilt und Ankara aufgefordert, sie einzustellen. Nach türkischer Lesart haben Inseln wie Kreta zwar Hoheitsgewässer, aber keine Ausschließliche Wirtschaftszone.

Athen und Kairo schließen Abkommen über ausschließliche Wirtschaftszone ab

Nach jahrelangen Verhandlungen hat Griechenland nun auch mit Ägypten ein Abkommen über die Festlegung ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Mittelmeer geschlossen. Die Außenminister der beiden Mittelmeerstaaten, Nikos Dendias und Samih Schukri, unterzeichneten das Papier nach Mitteilung des ägyptischen Außenministeriums am Donnerstag in Kairo. Das Abkommen gilt als Reaktion auf eine ähnliche Zusammenarbeit der Türkei mit Libyen. In dem Abkommen mit Tripolis hatte die Türkei Griechenland im November jedes Recht auf eine solche AWZ südlich von Kreta und anderer griechischer Inseln abgesprochen, wo reiche Erdgasvorkommen vermutet werden.

Der Streit verschärfte sich, als vor zwei Wochen zahlreiche Schiffe der türkischen Kriegsmarine in der Ägäis und im östlichen Mittelmeer südlich der griechischen Inseln Rhodos und Kreta auftauchten. Die Türkei will dort nach Ankündigung von Präsident Recep Tayyip Erdogan "so schnell wie möglich" nach Erdgas suchen. Auch Schiffe der griechischen Marine sind in der Region unterwegs.

Mit dem Abkommen zwischen Ägypten und Griechenland wird nun praktisch ein Strich durch die libysch-türkische Zone gezogen. Denn die neue, am Donnerstag beschlossene griechisch-ägyptische Zone ist mit ihr größtenteils identisch. Die Türkei hatte die Allianz mit Libyen auch geschmiedet, weil sie sich im Streit um Ressourcen im Mittelmeer von anderen Anrainern wie Griechenland ausgeschlossen fühlt. Bei einer Ausschließlichen Wirtschaftszone handelt es sich um ein Seerechtsübereinkommen, das die Nutzung von Meeresabschnitten sowie die Wahrnehmung von Hoheitsrechten zwischen den Staaten regelt. Athen bemüht sich auch um ein AWZ-Abkommen mit Albanien. Anfang Juni hatte Griechenland auch mit Italien ein solches Abkommen geschlossen.

Faktisch haben sich im östlichen Mittelmeer zwei Lager gebildet, die sich um die Kontrolle der Rohstoffvorkommen streiten. Auf der einen Seite sind dies Griechenland, welches in der Sache eng mit Zypern und Israel, aber auch Ägypten und indirekt mit dem Türkei-Rivalen Frankreich zusammenarbeitet. Auf der anderen Seite steht die Türkei und die von ihr unterstützte Regierung im Stellvertreterkriegsland Libyen. Ägypten stellt mit Blick auf die Situation in Libyen das Gegengewicht zur Türkei dar und hat sogar damit gedroht, die Armee in das Nachbarland zu schicken, falls die Hafenstadt Sirte von den türkisch kontrollierten Kräften eingenommen wird.

Die türkische Achillesferse heißt Lira

Die neuen Spannungen mit Griechenland machen Türkei-Anleger nervös. Sie ziehen sich aus der Währung des Landes zurück und hieven den Dollar auf ein Rekordhoch von 7,3652 Lira. Der Euro notiert mit 8,6464 Lira nur knapp unter seiner Bestmarke. Bereits seit einigen Tagen hatte die türkische Zentralbank die Kontrolle über den Wecshelkurs der Landeswährung verloren. Sollte die EU im Zuge der Spannungen Sanktionen gegen das Land erlassen, dürfte die Lira weiter abrutschen. Der jüngste Abverkauf dürfte deshalb als Vorsichtsmaßnahme von Devisenhändlern eingestuft werden.

Das die Verhängung von Sanktionen bevorsteht, berichtet die dpa. Demnach würden Deutschland, Frankreich und Italien die anhaltenden Waffenlieferungen nach Libyen mit EU-Sanktionen eindämmen. Die drei Länder haben sich angeblich auf eine Liste mit Unternehmen und Personen verständigt, die Schiffe, Flugzeuge oder andere Logistik für den Transport von Waffen bereitstellen und damit gegen das seit 2011 bestehende UN-Embargo verstoßen. Konkret geht es nach Angaben aus EU-Kreisen um drei Firmen aus der Türkei, Jordanien und Kasachstan sowie um zwei Personen aus Libyen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietpreisbremse bleibt bestehen: Bundesjustizministerin Hubig kündigt Bußgeldregelung an
11.07.2025

Die Mietpreisbremse wird verlängert – doch ist das genug, um Mieter wirklich zu schützen? Während die Politik nachjustiert, plant das...

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...