Wirtschaft

Globale Institutionen: Es droht eine weltweite Nahrungsmittel-Knappheit

Nahrungsmittel werden immer knapper und deshalb immer teurer. Knappheits-Szenarien wurden bereits vor fünf Jahren von globalen Institutionen durchgespielt. Eine vermeintliche Lösung: Fleisch-Steuern.
21.10.2020 09:00
Lesezeit: 3 min
Globale Institutionen: Es droht eine weltweite Nahrungsmittel-Knappheit
Corona-Krise und schwache Ernten: Die Welt wird von einer Nahrungsmittel-Knappheit bedroht. (Foto: dpa) Foto: Jens B

Vor fünf Jahren wurde im Rahmen einer Simulation berechnet, dass das Risiko von Nahrungsmittel-Knappheiten in der nächsten Dekade stark zunehmen wird. Das sogenannte „Food Chain Reaction Game“ fand im November 2015 in Washington DC statt. Am Planspiel beteiligt waren unter anderem der World Wildlife Fund (WWF), Agrarkonzerne wie „Cargill“, internationale Verbände und NGOs, ausgewählte Wissenschaftler und zahlreiche Entscheider aus Politik und Wirtschaft.

Es wurde prognostiziert, dass die Preise für Nahrungsmittel von 2020 bis 2030 um 400 Prozent steigen sollen, was einer Verfünffachung entspräche. Im Laufe dieser zehn Jahre soll es demnach zu zwei größeren Nahrungsmittel-Krisen kommen.

Fast Forward fünf Jahre und es mehren sich tatsächlich die Sorgen vor einer weltweiten Nahrungsmittel-Krise. Nur aus anderen Gründen, als die Teilnehmer der Simulation vorhergesagt hatten: Die Corona-Krise hat lokale Anbaukapazitäten reduziert und globale Lieferketten geschädigt.

Das Angebot an Gütern – und damit auch landwirtschaftlichen Erzeugnissen – ist dadurch unter Druck geraten. Dem gegenüber steht eine konstante Nachfrage, denn trotz der Krise müssen sich die Menschen weiterhin ernähren. Ergebnis: Steigende Preise für Nahrungsmittel – und das trotz stark gesunkener Inputpreise wie Öl.

Das zeigt sich schon in der ersten Stufe, den landwirtschaftlichen Vorprodukten. An den Rohstoff-Märkten ist derzeit ein klarer Trend zu beobachten – die Preise für einen Großteil der wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind seit Jahresbeginn gestiegen.

Weizen: plus 13 Prozent binnen Jahresfrist

Sojabohnen: plus 11 Prozent

Milch: plus 25 Prozent

Zucker: plus 12 Prozent

Rindfleisch: plus 20 Prozent

Geflügel: plus 15 Prozent

Raps: plus 13 Prozent

Preisrückgänge gab es nur bei den folgenden Nahrungsmitteln und diese fallen meist auch sehr moderat aus.

Reis: minus 4 Prozent

Schweinefleisch: minus 3 Prozent

Kaffee: minus 16 Prozent

Die Vereinten Nationen warnten bereits im Mai vor einer weltweiten Hunger-Krise. Laut der Welthungerhilfe wirkt Corona wie ein „Brandbeschleuniger“ für zunehmenden Hunger und Armut.

Und das “Committee on World Food Security” (CFS) schätzt, dass sich infolge der Coronakrise die globale Zahl an Hungernden und mangelhaft ernährten Menschen verdoppeln wird.

China und das Schweinefleisch

Aber das Problem ist nicht nur Corona: Heuschreckenplagen und schlechte Wetterbedingungen machen den afrikanischen und asiatischen Bauern zu schaffen. Für das kommende Halbjahr prognostiziert die US-Nahrungsmittel-Behörde USDA zum Beispiel einen Rückgang der chinesischen Getreideproduktion von 5 Prozent, während die Nachfrage weiter steigen soll. Vor einigen Monaten wurden wohl auch inländische Vorräte angezapft, die eigentlich für schlechte Zeiten vorgehalten werden sollten. Außerdem werden die Viehbestände derzeit durch die afrikanische Schweinepest dezimiert.

Auf China liegt ohnehin ein besonderes Augenmerk: Dort sind nämlich die Preise für Schweinefleisch im Juli und August jeweils um über 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Im September wurde berichtet, dass die Schweinefleisch-Reserven Chinas nach einem Rückgang von 450.000 Tonnen innerhalb der letzten 12 Monate nur noch weniger als 100.000 Tonnen betragen. Experteneinschätzungen zufolge sind diese Reserven im Ernstfall in zwei bis drei Monaten aufgebraucht.

Inflations-Sorgen

Das ist für die Verbraucher aus mehrerlei Hinsicht schlecht. Einerseits müssen sie höhere Preise bezahlen, andererseits besteht die Gefahr, dass sich die hohen Preise für Lebensmitteln auf das allgemeine Preisniveau durchschlagen und für höhere Inflationsraten sorgen, welche die Kaufkraft mindern.

Nicht nur in China, auch in den USA bereitet die Inflation bei den Nahrungsmitteln Sorge. Die Lebensmittel-Preise stiegen auf Jahresbasis um rund 4 Prozent. In Deutschland ist von einer Nahrungsmittel-Knappheit allerdings noch nichts zu spüren. Hierzulande war im August und September jeweils nur ein Plus von 0,6 Prozent zu verzeichnen.

Eine Fleisch-Steuer als Lösung?

Interessant ist jetzt natürlich, wie die Entscheider in der Simulation auf steigende Nahrungsmittel-Preise reagierten? Eine Antwort: Fleisch-Steuern. Die dadurch erhöhten Preise sollen den Fleisch-Konsum in den reicheren Ländern reduzieren und damit der Knappheit entgegenwirken. Ganz abwegig scheint das nicht, wurde der Ansatz doch in Deutschland bereits mehrmals gefordert.

Die Reaktion auf eine durch Lockdowns und Corona-Beschränkungen mitverursachte Nahrungsmittel-Knappheit soll demnach also ein weiterer staatlicher Eingriff sein. Ganz davon abgesehen, ob dieser die gewünschte Wirkung erzielt oder nicht: Eine solche Steuer würde wieder neue Probleme schaffen (zum Beispiel würden die Ärmsten in den reichen Ländern durch die Verteuerung enorm getroffen) und damit einen weiteren Abstieg in der ewigen Interventions-Spirale bedeuten.

Weiterlesen:

Soja-Preise steigen immer weiter - und damit die Chancen auf Trumps Wiederwahl

Corona: Millionen vom Hungertod bedroht, Armut nimmt dramatisch zu

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin, Ether und Co.: Wie Sie an der Börse sicher in Kryptowährungen investieren
08.11.2025

Wollen Sie Kryptowährungen kaufen? Dann müssen Sie dafür nicht auf irgendwelchen unseriösen Internetportalen herumsurfen. Kurse von...

DWN
Politik
Politik Donald Trump und die US-Präsidentschaftswahl 2028: Strebt er eine dritte Amtszeit an und geht das so einfach?
08.11.2025

Die Diskussion um Donald Trumps mögliches politisches Comeback zeigt das Spannungsfeld zwischen Recht, Strategie und Macht in den USA....

DWN
Technologie
Technologie Deep Tech als Rettungsanker: Wie Deutschland seine industrielle Zukunft sichern kann
08.11.2025

Deutschland hat große Stärken – von Forschung bis Ingenieurskunst. Doch im globalen Wettlauf um Technologien zählt längst nicht mehr...

DWN
Technologie
Technologie So optimiert KI in Belgien die Landwirtschaft: Schwankende Ernten prognostizieren? Kein Problem!
08.11.2025

Die Landwirtschaft muss Erträge effizient planen und Schwankungen ausgleichen, wobei KI zunehmend Entscheidungen auf verlässlicher Basis...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Managergehälter: Wie viel Mut hinter den Millionen steckt
08.11.2025

Topmanager reden offen über ihr Einkommen? In Estland sorgen zwei Führungskräfte für großes Staunen. Sie zeigen, wie viel Disziplin,...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Leitzins: Stillstand oder Strategie? Was die EZB-Zinsentscheidung wirklich bedeutet
08.11.2025

Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins beim jüngsten EZB-Zinsentscheid nicht angerührt – doch das Schweigen ist laut. Christine...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Schmuck aus Holz und Stein: Holzkern – wie Naturmaterialien zum einzigartigen Erfolgsmodell werden
07.11.2025

Das Startup Holzkern aus Österreich vereint Design, Naturmaterialien und cleveres Marketing zu einem einzigartigen Erfolgsmodell. Gründer...

DWN
Finanzen
Finanzen Wall Street: Wie die Märkte alle Warnsignale ignorieren
07.11.2025

Die Wall Street kennt derzeit nur eine Richtung – nach oben. Während geopolitische Krisen, Schuldenstreit und Konjunkturrisiken...