Joe Biden überlebte Ende der 1980er Jahre zwei Gehirnaneurysmen. Sein Zustand wurde später durch nachfolgende tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien kompliziert. Biden nimmt Blutverdünner und Medikamente gegen sauren Reflux, Cholesterin und saisonale Allergien ein, berichtet NBC News. Seine Hirnnerven und seine vestibuläre Funktion seien normal. Es ist auffällig, dass NBC News im Verlauf des Wahlkampfs und danach durchgehend betonen musste, dass Biden gesund sei. Im Regenfall werden in der Politik umstrittene Dinge immer dann in einer auffälligen Art und Weise verteidigt, wenn das Gegenteil der jeweiligen Behauptung der Fall ist.
Der Gesundheitszustand des 77-jährigen Biden mag zum aktuellen Zeitpunkt keine Auffälligkeiten aufweisen. Doch eine vierjährige Amtszeit eines Präsidenten lässt sich generell am besten als stressiger und langer Marathon beschreiben. Zum aktuellen Zeitpunkt kann nicht mir Sicherheit gesagt werden, dass Biden die kommenden vier Jahre, falls er das Amt tatsächlich antreten sollte, gesundheitlich übersteht.
Sollte er beispielsweise im Jahr 2022 aus gesundheitlichen Gründen seinen Posten räumen müssen, würde seine Vize-Präsidentin Kamala Harris die erste weibliche Präsidentin der USA werden. Doch welche außenpolitischen Vorteile würden sich durch „POTUS Kamala Harris“ für die USA ergeben. Um diese Frage zu beantworten, muss der ethnische und religiöse Hintergrund von Harris betrachtet werden.
Harris ist die erste schwarze Frau und asiatisch-amerikanische Staatsbürgerin, die es bis in das Amt des Vize-Präsidenten geschafft hat, obwohl sie natürlich noch vereidigt werden muss. Sie ist die Tochter der verstorbenen Shyamala Gopalan, die indisch-amerikanischen Ursprungs war, und des jamaikanisch-amerikanischen Donald Harris. Donald Harris wanderte 1964 aus Jamaika in die USA aus, um an der University of California (UC) in Berkeley in Wirtschaftswissenschaften zu promovieren. Er ist ehemaliger Wirtschaftsprofessor an der Stanford University. Shyamala Gopalan absolvierte die Universität von Delhi und promovierte anschließend in Ernährung und Endokrinologie an der UC Berkeley. Sie wurde Krebsforscherin in Berkeley, anschließend an der University of Illinois und der University of Wisconsin. Gopalan starb im Jahr 2009.
Was die Herkunft von Kamala Harris im Ausland hervorruft, lässt sich sehr gut am Beispiel Indiens erkennen. Denn in keinem anderen Land der Welt wurde ihr Erfolg so emotional gefeiert wie in Indien. „Als sie mit der Nachricht aufwachten, dass Kamala Harris das Rennen um die nächste US-Vizepräsidentin gewonnen hatte, zündeten überglückliche Menschen in der Heimat ihres indischen Großvaters Feuerwerkskörper an, beteten und trugen Plakate. Gruppen versammelten sich an den Straßenecken des winzigen Dorfes Thulasendrapuram mit 350 Einwohnern, lasen Zeitungen und unterhielten sich über den Sieg der Demokraten bei den Präsidentschaftswahlen in den USA, bevor sie in den Hindu-Tempel zogen. Eine Frau schrieb in farbigem Puder vor ihrem Haus: ,Herzlichen Glückwunsch Kamala Harris. Stolz unseres Dorfes. Vanakkam (Grüße) Amerika.‘“, berichtet Al Jazeera.
„Zwei oder drei Tage lang drückten wir die Daumen, während sich das Ergebnis verzögerte. Jetzt ist es ein freudiger Moment für uns. Wir genießen es. Wir werden mit Feuerwerkskörpern feiern, indische Süßigkeiten an die Menschen verteilen und im Tempel beten. Wir werden sie bitten, hierher zu kommen“, so ein Einwohner von Thulasendrapuram.
Aulmozhi Sudhakar, ein Stadtrat, sagte: „Kamala Harris ist die Tochter unseres Dorfes. Von Kindern bis zu Senioren wartet jeder von uns auf den Tag, an dem sie als Vizepräsidentin der USA den Eid ablegt.“
Indiens Premierminister Narendra Modi beschrieb Harris Erfolg in einem Tweet als wegweisend und eine Angelegenheit von immensem Stolz, nicht nur für ihre Verwandten, sondern auch für alle indischen Amerikaner. „Ich bin zuversichtlich, dass die lebendigen Beziehungen zwischen Indien und den USA durch Ihre Unterstützung und Führung noch stärker werden“, so Modi.
Die USA werden Indien gegen China positionieren
Der Ausgang der US-Wahl und die Reaktionen in Indien harmonieren mit den künftigen außenpolitischen Interessen der USA, wonach Indien als wirtschaftlicher und militärischer Konkurrent Chinas von den USA aufgebaut werden soll. Die USA versuchen, internationale Unternehmen dazu zu drängen, ihre Produktionsstandorte von China nach Indien zu verlegen, um China als wichtigstes Land in der globalen Lieferkette teilweise zu ersetzen. Denn China ist als alleiniger kostengünstiger Standort in der globalen Lieferkette nicht mehr zuverlässig. Doch Indien besitzt zumindest das Potenzial, China teilweise zu ersetzen.
Modi wörtlich: „Wir haben gesehen, wie nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Weltordnung entstanden ist. Ähnliches wird nach Covid-19 passieren. Dieses Mal wird Indien bei der Herstellung und der Integration in die globale Lieferkette am Steuer sitzen. Wir haben spezifische Vorteile in Form von Demokratie, Demografie und Nachfrage.“
Franklin d. Roosevelt hatte einst gesagt: „In der Politik passiert nichts zufällig. Wenn es doch passiert, war es so geplant“. Wenn man diesen Satz Roosevelt als Grundlage für politische Beobachtungen nimmt, sollte auch ein Blick auf die Präsidentschaft von Barack Hussein Obama geworfen werden, um zu verstehen, was die Wahl von Harris bedeuten könnte. Als Obama im Jahr 2009 sein Amt antrat, wurde dieser Schritt von Muslimen in aller Welt gefeiert. Sie konnten sich mit diesem Präsidenten, der ein wenig muslimisch und ein wenig christlich, ein wenig weiß und ein wenig schwarz gewesen ist, identifizieren. Doch während seiner Amtszeit wurden mehr Drohnen-Angriffe als unter George W. Busch angeordnet. Im Verlauf der Amtsperiode wurde die Terror-Miliz IS gegründet, die vor allem Muslime getötet hat. Es kam zum „Arabischen Frühling“, der von seiner Regierung unterstützt wurde. Doch dieser entpuppte sich als „Arabischer Alptraum“. Denn insbesondere in der arabischen Welt wurden ganze Nationen auseinandergerissen und zahleiche Menschen getötet.
Daraus lässt sich folgern, dass die Inder nicht zu sehr emotional auf den Erfolg von Harris schauen sollten. Die USA werden sicherlich Indien gegen China unterstützen, doch dabei immer ihre eigenen nationalen Interessen berücksichtigen. Indien wird als Instrument für US-amerikanische Wirtschaftsinteressen dienen, was noch nicht einmal schlecht sein muss für die Welt. Aber Harris ist eine überzeugte US-Amerikanerin. Sie wird nichts tun, was den US-amerikanischen Interessen im Ausland widerspricht.
Sollte sie dies doch tun, gibt es immer noch das US-Repräsentantenhaus und den US-Senat, die aus dem „American Dream“ von Harris ein „American Nightmare“ machen könnten.