Politik

EU ringt um Lösung der Finanzblockade durch Ungarn und Polen

Wegen drohender Eingriffe in ihre Souveränität haben Ungarn und Polen Veto gegen den EU-Haushalt eingelegt. Nun muss sich deutsche EU-Ratspräsidentschaft um einen Kompromiss bemühen, damit die erwarteten deutschen Steuer-Milliarden so schnell wie möglich an die EU fließen können.
19.11.2020 12:20
Aktualisiert: 19.11.2020 12:20
Lesezeit: 2 min
EU ringt um Lösung der Finanzblockade durch Ungarn und Polen
Laut Außenminister Maas fordern einige Staaten sogar einen noch härteren Umgang mit Ungarn und Polen. (Foto: dpa( Foto: Hannibal Hanschke

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft bemüht sich nach Angaben von Außenminister Heiko Maas um eine schnelle Einigung im Streit über das ungarische und polnische Veto gegen die EU-Finanzplanung. Auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde dringt darauf, dass die 750 Milliarden Euro, die die EU-Regierungen in einem Corona-Hilfspaket beschlossen hatten, schnell eingesetzt werden.

Ein Vertreter der EU-Kommission dämpfte dagegen die Hoffnung, dass es bereits beim EU-Gipfel der 27 Staates- und Regierungschefs an diesem Donnerstag zu einer Einigung kommen könnte. Eigentlich steht das weitere Vorgehen der EU in der Corona-Krise auf der Agenda der Videokonferenz, an der auch Kanzlerin Angela Merkel teilnimmt. Die EU-Kommission dringt auf ein engeres gemeinsames Vorgehen bei der Impf- und Teststrategie der 27 EU-Staaten.

Wegen der vereinbarten Knüpfung der Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien hatten Ungarn und Polen ein Veto sowohl gegen den EU-Haushaltsrahmen von 2021 bis 2027 von etwas mehr als einer Billion Euro als auch gegen das 750 Milliarden Euro schwere Paket "Next generation EU" mit Corona-Hilfsmaßnahmen eingelegt.

Auch der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa stellte sich in einem der "Süddeutschen Zeitung" vorliegenden Brief an die EU-Kommission an die Seite Polens und Ungarns und warnte davor, dass die Prüfung der Rechtsstaatlichkeit eine Möglichkeit zu politischem Missbrauch öffne.

Um das Veto zu umgehen, wird in der EU darüber diskutiert, ob 25 EU-Staaten auch einen intergouvernementalen Vertrag über den Corona-Wiederaufbaufonds abschließen könnten. Vorbild wäre der Euro-Rettungsfonds ESM, der zunächst auch als zwischenstaatliche und nicht als EU-Gemeinschaftsinstitution gegründet worden war. Diskutiert wird nach Angaben eines Vertreters der EU-Kommission auch, ob man Polen und Ungarn anbietet, das Verfahren bei der Prüfung der Rechtsstaatlichkeit genauer festzulegen. Dies könnte Bedenken wegen eines politischen Missbrauchs der Konditionalität entkräften. Hintergrund ist, dass Polen und Ungarn von der EU-Kommission und etlichen EU-Partnern Defizite im Umgang mit der Justiz, den Medien und Wissenschaft vorgeworfen werden.

Außenminister Maas warnte in Richtung Budapest und Warschau, dass die Kompromissmöglichkeiten beschränkt seien. "Es gibt viele andere Mitgliedstaaten, die nicht bereit sein werden, beim Thema Rechtsstaatlichkeit noch große Kompromisse einzugehen", sagte er. Den Niederlanden und den skandinavischen Ländern etwa geht die vereinbarte Verknüpfung der Auszahlung von EU-Geld mit der Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien nicht weit genug.

Auch die Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament machten in einer gemeinsamen Erklärung deutlich, dass sie keine Änderungen an dem mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft getroffenen Kompromiss hinnehmen werden. Die Festlegung ist relevant, weil am Ende nicht nur der EU-Rat, sondern auch das Parlament dem Finanzpaket zustimmen muss.

EZB-Präsidentin Lagarde und Maas wiesen zudem auf die Not etlicher EU-Staaten in der zweiten Welle der Corona-Krise hin. Viele Länder in Europa warteten darauf, dass die Mittel endlich freigegeben würden, sagte der Außenminister.

Ungarn und Polen gehören zu den größten Netto-Empfängern von EU-Subventionen. Sollte es keine Einigung geben, wäre die Auszahlung des 750-Milliarden-Programms gefährdet. Der EU-Haushalt könnte dagegen 2021 auch ohne Einigung auf den Finanzrahmen bis 2027 auf der Höhe des diesjährigen Jahres ausgezahlt werden. Ein Vertreter der EU-Kommission betonte, dass es zwar eine Krise gebe, die EU "aber nicht zusammenbrechen" werde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft CO2-Zertifikate: Europas Aufschub, der Autofahrer teuer zu stehen kommt
15.11.2025

Europa verschiebt den Start seines neuen CO2-Handelssystems – doch die Benzinpreise werden trotzdem steigen. Während Brüssel von...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt 2030: Diese Fachkräfte werden in fünf Jahren gebraucht
15.11.2025

Automatisierung, KI und Klimawandel verändern den globalen Arbeitsmarkt rasant. Bis 2030 entstehen Millionen neuer Jobs, doch viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzielles Notfallpaket: So sichern Sie Ihr Vermögen in Krisenzeiten
15.11.2025

In Zeiten wachsender Unsicherheiten rückt neben Notvorräten und Fluchtplänen auch die finanzielle Absicherung in den Fokus. Marek...

DWN
Politik
Politik Für einen Kampfjet braucht es 400 Kilogramm seltene Erden: Europa im Wettbewerb mit China und den USA
15.11.2025

Seltene Erden sind zu einem entscheidenden Faktor in globalen Machtspielen geworden und beeinflussen Industrie, Verteidigung und Hightech....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Klassengesellschaft 2.0 – Warum Demokratie ohne soziale Gleichheit zerbricht
15.11.2025

In Deutschland redet kaum jemand über Klassen – als wäre soziale Herkunft heute keine Machtfrage mehr. Doch die Soziologin Prof. Nicole...

DWN
Finanzen
Finanzen Finanzblasen 2025: Wo der nächste große Crash drohen könnte
15.11.2025

An den Finanzmärkten steigt die Nervosität. Künstliche Intelligenz treibt Bewertungen auf Rekordhöhen, Staaten verschulden sich wie nie...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienpreise: Boom zu Neuverträgen – eine Prognose
15.11.2025

Laut ifo sind Neuverträge in Großstädten um 48 Prozent teurer als Bestandsverträge. Das, so Experten, ist nicht nur ein Problem für...

DWN
Finanzen
Finanzen So profitiert Trumps Familie im Kryptosektor: CZ-Deals bringen Milliarden
14.11.2025

Der Fall um Čangpeng Žao und die Trump Familie wirft ein Schlaglicht auf die Verknüpfung von Kryptowährungen, Finanzströmen und...