Politik

Wiener Rabbiner nimmt Muslime nach Anschlag in Schutz

Lesezeit: 2 min
19.11.2020 14:30  Aktualisiert: 19.11.2020 14:30
Der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister sagt, dass „die Muslime“ keinesfalls verantwortlich sind für Attentate, die im Namen ihrer Religion verübt werden. Genauso wenig seien schließlich „die Christen“ dafür verantwortlich, wenn rechtsradikale Attentäter in Norwegen, Deutschland, Neuseeland oder den USA Anschläge verüben.
Wiener Rabbiner nimmt Muslime nach Anschlag in Schutz
19.11.2020, Österreich, Wien: Kerzen und Blumen stehen als Gedenken an die Opfer des Terrorangriff am 2. November am Tatort in der Seitenstettengassen. (Foto: dpa)
Foto: Helmut Fohringer

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Der Wiener Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister hat sich kürzlich in der „Zeit Online“ dagegen verwahrt, den Anschlag in Wien mit der Religion in Verbindung zu bringen. „Ein tödlicher Angriff auf das gemeinsame Zusammenleben. Der Täter hat nicht unterschieden, wen er töten wollte. Er hat sich einer Religion bedient, um seine Tat zu rechtfertigen, doch die Religion selbst hat nichts mit dem Anschlag zu tun. Es handelt sich also nicht um einen antisemitischen, sondern einen antimenschlichen Angriff. Ich wurde an meine Studienzeit in Jerusalem erinnert: Auch dort gab es damals viele Anschläge in Restaurants und Bars. Die Attentäter verfolgten kein religiöses Ziel, außer so viele Menschen wie möglich zu töten“, so Hofmeister.

Schließlich nahm Hofmeister „die Muslime“ in Schutz. „Vor einigen Jahren sind wir gemeinsam nach Istanbul und Jerusalem gereist. Schon damals habe ich verstanden: ,Die Muslime‘ sind keinesfalls verantwortlich für Attentate, die im Namen ihrer Religion verübt werden. Genauso wenig sind schließlich ,die Christen‘ dafür verantwortlich, wenn rechtsradikale Attentäter in Norwegen, Deutschland, Neuseeland oder den USA Anschläge verüben und sich dabei auf die Verteidigung des christlichen Abendlandes berufen. Das ist genauso wenig christlich, wie ein Anschlag in Wien muslimisch ist“, sagt er.

Zu den Helden der Anschlagsnacht von Wien gehörten zwei Muslime. Noch während in der Anschlagsnacht Schüsse fielen, halfen Recep Gültekin und Mikail Özen einer älteren Dame und einem angeschossenen Polizisten und wurden dabei selbst verletzt. Ein Anwohner filmte die Szene. „Wir wollten den letzten Kaffee vor den Ausgangssperren trinken und dabei sind wir mitten im Gefecht gelandet“, schilderte Özen die Situation auf Instagram. Die beiden Kampfsportler halfen erst einer älteren Dame, sich in Sicherheit zu bringen. Danach sahen sie einen verwundeten Polizisten. „Wir konnten einfach nicht nur zuschauen. Wir sind hingelaufen und haben ihn zum Krankenwagen befördert“, so Özen. „Wir türkisch-stämmigen Muslime verabscheuen jegliche Art von Terror, wir stehen zu Österreich, wir stehen für Wien.“

Der Attentäter, der Anfang November in Wien vier Menschen erschoss, hatte möglicherweise 21 Mitwisser. Das berichteten die österreichischen Ermittler am Freitag in Wien. Zehn von ihnen seien in Haft. Die Jugendlichen und Männer zwischen 16 und 28 Jahren hätten im Vorfeld zu der Tat beigetragen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, ohne nähere Einzelheiten zu nennen. Sie stünden im Verdacht, Mitglieder einer Terrorgruppe zu sein. Für eine Verhaftung habe es aber nicht in jedem Fall ausreichende Gründe gegeben. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Fest stehe, dass der Täter keine „unmittelbaren Mittäter“ hatte, sagte der Leiter der Ermittlungsgruppe, Michael Lohnegger. „Die Tat wurde definitiv von einer Person begangen. Das ist fix“, sagte er.

Ein 20-jähriger Österreicher mit nordmazedonischem Zweitpass hatte den Anschlag in der Wiener Innenstadt am 2. November verübt. Er war wegen einer versuchten Ausreise zur Terrormiliz IS vorbestraft und auf Bewährung frei. Der Täter erschoss vier Menschen, ehe er selbst von der Polizei erschossen wurde. 20 weitere Menschen wurden bei dem Anschlag verletzt. Die Sicherheitsbehörden stehen wegen Versäumnissen in der Kritik. So soll es Hinweisen gegeben haben, dass der Mann zum Munitionskauf in die Slowakei gefahren war.


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