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Tesla-Aktie im freien Fall – einstiger Börsenliebling wird Opfer der Zeitenwende am Anleihemarkt

Lesezeit: 5 min
09.03.2021 13:49  Aktualisiert: 09.03.2021 13:49
Ökonom und DWN-Analyst Michael Bernegger erklärt die Hintergründe des brutalen Absturzes von Tesla am Aktienmarkt.
Tesla-Aktie im freien Fall – einstiger Börsenliebling wird Opfer der Zeitenwende am Anleihemarkt
Tesla-Chef Elon Musk. (Foto: dpa)

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Die Aktie von Tesla hat einen herben Rückschlag erlitten, weit stärker als manch anderer Börsen-Star der vergangenen 12 Monate. Der Kurs von Tesla fiel vom Höchststand bei knapp 900 $ Ende Januar 2021 auf unter 600 Dollar Tagesschluss gestern Montag, ein Verlust von rund einem Drittel. Dies repräsentiert seit 12 Monaten immer noch eine ausserordentlich starke Avance. Wer aber erst kürzlich gekauft hat, hat dennoch kurzfristig kräftige Kursverluste erlitten. Zwei Arten von Faktoren dürften zum starken Kursrückschlag beigetragen haben, Bewertungs-Faktoren und die Marktentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit von Tesla im Segment der Elektroautos. Der wichtigste Bewertungsfaktor bezieht sich auf die Zinsen:

  • Zinsanstieg: Tesla ist wie viele andere Technologie-Unternehmen am amerikanischen Aktienmarkt extrem hoch bewertet. Diese Bewertungen drücken immens hohe Gewinn- und Dividenden-Erwartungen respektive über deren Zuwächse aus. Dabei gibt es aber fundamentale Unterschiede. Unternehmen wie Apple, Microsoft oder Google erzielen jetzt schon enorm hohe Gewinne und Cash-flows. Bei Tesla und erst recht bei anderen Tech-Aktien, die aktuell noch große Verlustmacher sind, liegen diese prospektiven Gewinne erst weit in der Zukunft. Durch den massiven Zinsanstieg der letzten Wochen vor allem am langen Ende der Zinskurve wird der Gegenwartswert dieser zukünftigen Gewinne erheblich reduziert. Alle Tech-Aktien sind durch den Zinsanstieg gestoppt worden, und haben korrigiert. Doch besonders heftig trifft dies natürlich diejenigen Titel, deren Gewinnprojektionen weit in der Zukunft liegen – wie bei Tesla. Ergo ist die Aktie weit weniger wert. Die Tesla-Aktie ist also, genauso wie viele andere Aktien ohne aktuelle Gewinne, aber mit Gewinnerwartungen weit in der Zukunft, in gewisser Hinsicht eine stark gehebelte Zinswette.

  • Verbindung mit Krypto: Tesla-Chef Musk hatte vor ein paar Wochen zwei wichtige Informationen publiziert: Tesla akzeptiert inskünftig die Bezahlung seiner Autoverkäufe durch Kunden in Bitcoin, und Tesla hat selber über anderthalb Milliarden Dollar aus einer Aktienemission in Bitcoin investiert. Dadurch ist die Tesla-Aktie abhängig von der Preisentwicklung von Bitcoin geworden. Bitcoin ist, neben anderen Bestimmungsfaktoren, ebenfalls zinssensitiv, so dass die Tesla-Aktie indirekt einem doppelten oder sogar dreifach verstärkten Zinseffekt ausgesetzt ist. Ob dieser Schritt von Elon Musk langfristig schlau war, ist also diskutabel. Seine Intention war, jungen Käufern mit Kursgewinnen aus spekulativen Krypto-Anlagen den Erwerb von Teslas zu ermöglichen, ohne Gewinnmitnahmen auszulösen, und darüber hinaus den sehr engen Krypto-Markt zu befeuern oder in die Ecke zu drücken (engl. ‘to corner’).

Neben den Bewertungsfaktoren spielen die Marktfaktoren am Automarkt und die spezifische Wettbewerbsfähigkeit von Tesla eine Rolle:

  • Der Elektroauto-Markt ist, durch staatliche Subventionen und durch die Zielsetzungen der Klimapolitik (‘Great Reset) in einer extremen Expansion. Tesla ist aufgrund seiner Marktstellung, seines technologischen Vorsprungs in Batterietechnik und Software, und seines Vorsprungs aufgrund der gesammelten Erfahrungen sehr gut positioniert. Doch Tesla hat spezifische Schwächen, die jetzt zum Tragen kommen.

  • Denn auf dem Autobauer lasten die Bewertungen der Produkt-Qualität von Konsumenten- und Automagazinen. Tesla schneidet dabei miserabel ab, und nur das Modell E erhält überhaupt eine Kaufempfehlung. Keine andere Marke hat eine so geringe Verarbeitungsqualität und so viele Mängel wie Tesla, vor allem bei den beiden älteren und teuren Modellen S und X. Solange Tesla der einzige Elektroauto-Hersteller von leistungsstarken Modellen gewesen ist, war dies weniger bedeutend. Jetzt wo große Massen- und vor allem Premium-Hersteller ins Elektroauto-Geschäft mit eigenen Modellen hineindrängen, mit eigenem Servicenetz und viel robusterer Produktqualität, ist dies ein klarer Wettbewerbsnachteil geworden – wenn er nicht korrigiert wird. Die Verkäufe der beiden teuren Modelle sind denn auch regelrecht eingebrochen.

  • Tesla hat bisher in seiner bekannten Art reagiert. Die beiden älteren Modelle werden mit neuen, deutlich leistungsfähigeren Batterien ausgestattet. Sie verlängern die Reichweite ganz erheblich, um fast zweihundert Kilometer, und sichern diesbezüglich einen unangefochtenen Wettbewerbsvorsprung. Auch die Karosserie wurde nochmals optimiert, um den Luftwiderstand zu verringern. Auch dadurch werden die irrwitzigen Fahrleistungen nochmals gesteigert. Das Top-Modell mit der stärksten Batterie und über 1000 PS wird bei der Limousine (Modell S) in unter zwei Sekunden und beim SUV in knapp über zwei Sekunden den Sprint von Null auf Hundert Kilometer schaffen – und damit jeden Ferrari, Porsche oder Aston Martin deutlich abhängen oder sogar alt aussehen lassen. Darüber hinaus hat Tesla die Verkaufspreise gesenkt, um die Verkäufe anzukurbeln und gleichzeitig die Konkurrenten unter Druck zu setzen. Musk zählt also auf den Fakt, weiterhin seine nicht kostendeckenden Modelle durch Zufluss immer neuer Gelder subventionieren zu können. Das ist bei den etablierten Autoherstellern, den sogenannten ‘legacy-producers’ nicht so einfach. Sie schleppen doppelte Entwicklungskosten mit sich, und sind ebenfalls mit drastischen Verkaufseinbrüchen konfrontiert, in Europa zum Beispiel im Dieselgeschäft bei Personenwagen.

  • Für die unmittelbare und mittelfristige Zukunft wird der Markterfolg des Modells Y sehr wichtig sein. Das Modell Y ist am besten positioniert, um im Massenmarkt Erfolg zu haben. Die Grund-Konstruktion ist gemäß den ersten Experten-Berichten sehr gelungen. Doch ausschlaggebend wird sein, ob das Modell hohe oder sehr hohe Qualitätsansprüche erfüllt, denn nur dann hat es im Markt Chancen auf wirklich hohe Verkaufszahlen und vor allem profitable Preise.

  • Denn die Kernschwäche von Tesla ist und bleibt die Produktqualität, und diese ist nicht einfach zu lösen. Denn die Schwachstellen liegen letzten Endes auf der Hardware-Seite und sind nicht einfach durch schnelle oder regelmässige Software-Updates über Funk zu beheben. Dies schliesst zweierlei ein: In der Produktion ist selbst nach sechs oder sieben Jahren (Modell S) Erfahrung die Fertigungsqualität der Autos ungenügend, welche die Fabriken verlassen. Und Pannen, Stillstände und lange Wartezeiten bis zur Reparatur sind zusätzlich die Folge des Geschäftsmodells, welche auf eigene genügend dimensionierte und qualifizierte Reparatur-Werkstätten verzichtet, dies aus Kosten- und Imagegründen. Dies ist in beiden Segmenten, in denen Tesla aktiv sein will, unverzeihlich, wenn die Wettbewerber ganz andere Qualitäts-Standards und Vertriebsnetze mit hoch qualifizierten Werkstätten haben. Der Premium-Kunde im Luxus-Bereich will nur das Beste, und keine Fertigungsfehler und -mängel wie bei einem Maserati oder Alfa Romeo der letzten beiden Jahrzehnte. Und der Kunde im Massenmarkt, der Durchschnittsverdiener, kann es sich nicht erlauben, sein Auto tagelang nicht nutzen zu können oder immer wieder Werkstätten aufsuchen zu müssen. Europäische Autohersteller sollten deshalb oberste Priorität auf die Produktqualität und Qualität des Service legen. Sie sollten nicht in den Fehler verfallen, hastig zusammengestellte oder unfertig getestete Modelle auf den Markt zu werfen, nur um möglichst schnell ebenfalls präsent zu sein.
  • Durch die Analysten-Präsentationen ist ferner klar geworden, dass Tesla zukünftig kaum mehr grosse Erträge aus dem Verkauf von Umwelt-Zertifikaten erlösen kann. Diese hatten in den vergangenen Quartalen die Verluste aus dem reinen Automobilgeschäft gedeckt und den Ausweis leichter Gewinne ermöglicht. Auch die mittelfristigen Gewinnaussichten sind dadurch eingetrübt.

Fazit

Die Aktie von Tesla ist, wie viele andere hoch bewertete Technologie-Unternehmen ohne Gewinne im Kerngeschäft und mit wolkigen Ertragsprojektionen in der Zukunft, im Kern eine stark gehebelte Zinswette, und zwar auf die Zinsen am langen Ende der Zinskurve. Doch dies betrifft nicht nur die Kursbildung, sondern das eigentliche Geschäftsmodell. Ohne immer neue Zuflüsse, welche die operativen Verluste decken, sind diese chancenlos. Darüber hinaus ist Tesla mit dem Krypto-Engagement eine noch umfassendere Finanzwette eingegangen.

Im operativen Geschäft von Tesla ist die Frage der Produktqualität ungelöst, sowohl in der Fertigung wie bezüglich Reparatur- und Service-Werkstätten. Im Moment, wo etablierte Massen- und Premiumhersteller mit eigenen wettbewerbsfähigen Modellen in den Elektro-Automarkt vordringen, ist die Monopolstellung nicht mehr garantiert. Tesla ist nicht eine neue Version von Apple. Apple war immer ein integrierter Hersteller, der Hard- und Software selber entwickelte und lange Zeit produzierte, jedenfalls eng und penibel kontrollierte. Deshalb war Apple immer der Primus in Bezug auf Produktqualität und konnte viel höhere Preis als die Konkurrenz verlangen und problemlos im Markt durchsetzen. Bei Tesla ist der Vorteil des integrierten Geschäftsmodells in Bezug auf die Produktqualität nicht zu erkennen, ganz im Gegenteil. Deshalb ist das Unternehmen gezwungen, viel zu niedrige, nicht kostendeckende Preise im Markt anzusetzen.


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