Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky sagte in einem Interview mit der staatlichen chinesischen Nachrichtenagentur „Xinhua“: „Ich freue mich, feststellen zu können, dass die ukrainisch-chinesische Interaktion seit jeher auf einer soliden Grundlage des gegenseitigen Respekts für Souveränität, territoriale Integrität und Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und der Anerkennung des vom Volk gewählten Entwicklungsweges beruht (…) Die chinesische Sprache wird an allgemeinbildenden Schulen und Hochschulen gelernt. In der Ukraine erhalten jedes Jahr etwa 500 Sinologen ein Diplom in Philologie. Wir haben qualifizierte Übersetzer.“
Er sagte auch, dass die Ukraine eines der ersten Länder gewesen sei, dass die Initiative zur Neue Seidenstraße unterstützt habe. In diesem Zusammenhang hätten die Ukraine und China ein großes Potenzial für die Zusammenarbeit. Die Ukraine freue sich darauf, die Zusammenarbeit mit China in in Bereichen wie Wirtschaft, Handel und Bauwesen zu verstärken.
Der ukrainische Infrastruktur-Minister Wladyslaw Kryklij sagte in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Das Projekt Chinas ,One belt, one road' schreitet voran, wo neue Handelswege errichtet werden, die Zentralasien mit Europa verbinden. Im Moment haben sich rund 70 Länder dieser Initiative angeschlossen, die ein Potenzial hat, das 40 Prozent des globalen Bruttoinlandsproduktes entspricht. Die Große Seidenstraße, die das Alte China mit den europäischen Ländern verband, soll nun auch wieder die Handelsbeziehungen von Asien, Europa und dem Nahen Osten aktivieren. Zur Realisierung dieser Strategie hat China im Jahr 2015 den Spezial-Fonds ,Der seidener Weg‘ ins Leben gerufen, der über ein Budget von 40 Milliarden Dollar verfügt.“
Derzeit ist das chinesische Unternehmen „Shandong Agricultural Development Limited Company“ an einer gemeinsamen Forschung mit der Ukraine in folgenden Bereichen aktiv: Samenbeschichtung, Entwicklung neuer Düngemitteltypen, Mikroökologie von Pflanzen
„In diesem Zusammenhang laden wir ukrainische Wissenschaftler (Agrarwissenschaften) ein, sich an der Vorbereitung gemeinsamer Anträge mit der Shandong Agricultural Development Limited Company auf staatliche Forschungsstipendien in China zu den oben genannten Themen zu beteiligen“, zitiert „Ukraine Chinese Center of Silk Road“ das Unternehmen.
Im Dezember 2020 unterzeichneten die Ukraine und China ein Abkommen über den gemeinsamen Aufbau der Neuen Seidenstraße, das Irina Nikorak, Geschäftsführerin und Gründerin des ukrainischen Seidenstraßenverbandes „Silk Link“, als „wichtiges Ereignis im Zusammenhang mit der Entwicklung der Beziehungen zwischen der Ukraine und China“ ansieht. „China ist unser strategischer Partner, was bedeutet, dass wir bereit sind, die Zusammenarbeit in allen Bereichen zu vertiefen. Trotz der Herausforderungen, vor denen unsere Länder jetzt stehen, konnten wir uns auf einen Plan für die weitere Zusammenarbeit einigen“, sagte Nikorak in einem Interview mit „Xinhua“.
Kiew und Peking diskutierten die Möglichkeit aus, eine Handelsliberalisierung herbeizuführen, von der beide Seiten profitieren würden. In den nächsten fünf Jahren könnte der wechselseitige Handel zwischen der Ukraine und China um mehr als 50 Prozent auf 20 Milliarden US-Dollar wachsen, sagte Nikorak. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die ukrainische Seite im Rahmen der Zusammenarbeit bereit sei, eine Reihe gemeinsamer Projekte anzubieten, darunter die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, die Schaffung von Industrieparks und High-Tech-Entwicklungszonen. Darüber hinaus könnte China zur Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur der Ukraine beitragen, mit der das Land zu einem wichtigen Logistikzentrum zwischen Europa und Asien werden könnte.
Über die chinesische Positionierung Chinas im Ukraine-Konflikt führt das „European Union Institute for Security Studies“ (EUISS) aus: „Die Chinesen missbilligen die militärische Intervention Russlands in der Ukraine auf mehreren Ebenen nachdrücklich.“
Doch dafür gebe es handfeste Gründe. Kurz vor Beginn der Ukraine-Krise im Jahr 2014 hatte China ein 10-Milliarden-Dollar-Projekt zum Bau eines Tiefwasserhafens auf der Krim durchgeführt, dessen Aufgabe es gewesen wäre, die Frachtströme vom Osten nach Europa neu zu verteilen. Doch entscheidend ist folgende Ausführung des EUISS: „China hatte auch eine allgemeine Präferenz dafür, dass die Ukraine engere Beziehungen zur EU unterhält (…) Tatsächlich könnte eine Ukraine, die in eine Freihandelszone mit der EU eingebettet ist und ein verbessertes Geschäftsklima aufweist, der chinesischen Wirtschaft zusätzliche Vorteile bieten, insbesondere wenn das neue Projekt ,Seidenstraße‘ Gestalt annimmt. Die Ukraine würde China dann einen direkten Zugang zum europäischen Markt im Landesinneren gewähren.“
Somit spielt die Ukraine als mögliche Brücke zwischen der EU und China eine herausragende Rolle. Jedoch könnte eine weitere Destabilisierung des Landes und eine mögliche Erweiterung der Rebellengebiete in Richtung der Hafenstadt Mariupol diese Brückenfunktion nachhaltig stören (HIER). Es ist sogar denkbar, dass die Ukraine die strategisch wichtige Hafenstadt Odessa verliert.
Die aktuellen Geschehnisse in der Ukraine sollten aus dem Blickwinkel der Neuen Seidenstraße betrachtet werden. Wenn es zu einer Eskalation kommen sollte, würde sich dies vor allem auf Chinas Jahrhundertprojekt, das eine Verbindung zwischen Europa und dem Reich der Mitte herstellen soll, negativ auswirken.
Eine Expansion der Rebellengebiete in der Ukraine dürften die USA hinnehmen, da ein derartiges Szenario schließlich einen Schlag gegen die Neue Seidenstraße nach sich ziehen würde. Unklar ist auch, ob die USA und Russland lediglich so tun, als ob sie verfeindet sind. Kiew mag eine zu große Nähe zu Peking gesucht haben, was nicht im Interesse Moskaus und Washingtons sein kann (HIER).
Jedenfalls hat Russland kein Interesse daran, dass China zur Weltmacht aufsteigt, weil nämlich dann eine chinesische Expansion in die Tiefen Zentralasiens und Sibiriens unaufhaltbar werden würde. Weder Russland noch die USA wollen von China wirtschaftlich und politisch „geschluckt“ werden.