Politik

Genug ist genug: Wider den Antisemitismus auf Deutschlands Straßen

Schon wieder hat es die Politik verpasst, jüdische Gotteshäuser rechtzeitig zu sichern. Attacken auf Synagogen, Hassparolen bei Kundgebungen und eine große Verunsicherung innerhalb der deutsch-jüdischen Gemeinschaft sind das Ergebnis. Ein persönlicher Kommentar des DWN-Redakteurs Cüneyt Yilmaz.
13.05.2021 16:28
Aktualisiert: 13.05.2021 16:28
Lesezeit: 2 min
Genug ist genug: Wider den Antisemitismus auf Deutschlands Straßen
Das Brandenburger Tor ist am 04.02.2017 in Berlin am Morgen im dichten Nebel nur schemenhaft hinter der Skulptur "Der Rufer" auf der Straße des 17. Juni zu erkennen. (Foto: dpa)

Aus diversen Medienberichten geht hervor, dass in den vergangenen Tagen in Deutschland mehrere Synagogen attackiert wurden. Die Vorfälle erstrecken sich über zahlreiche Städte. Nun ist es ja nicht so, als ob die Politikentscheider aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre nicht wüssten, was in Deutschland passiert, sobald der altbekannte Nahost-Konflikt die nächste Eskalationsstufe erreicht.

Gleich zu Beginn der aktuellen Zusammenstöße in Jerusalem hätten die Behörden alle Synagogen in Deutschland sofort absichern müssen. Doch das taten sie offenbar nicht. Jetzt überbieten sich die Politiker mit Bekundungen, wonach die Synagogen in Deutschland auch wirklich gesichert werden müssen. Sie verurteilen die Attacken auf die Synagogen, wobei diese Attacken durch präventive Schritte hätten verhindert werden können. Da drängt sich folgende Frage auf: Wo seid Ihr denn die vergangenen Tage geblieben?

Und wieder müssen Menschen in diesem Land aufpassen, nicht als Juden in Erscheinung zu treten, um nicht angegriffen zu werden.

Und wieder glauben einige Menschen in diesem Land, dass „die Juden es verdient“ hätten.

Und immer weiter muss die eigene Identität im Alltagsleben verheimlicht werden, um nicht Opfer einer Gewalttat zu werden. Ein bedrückendes Leben im Schwebezustand, bei dem man sich ständig umsehen muss.

Wie schnell die Urheber der Attacken auf die Synagogen vergessen haben, dass auch sie in diesem Land in Windeseile angegriffen werden können, sobald die mediale Saat des Hasses aufgeht.

Wie gedankenlos sie durchgehend ignorieren, dass es der Zentralrat der Juden ist, der sich bei hasserfüllten Attacken lautstark und schützend vor die Religion derjenigen stellt, die jetzt teilweise auf den Straßen marschieren, um antisemitische Parolen zu grölen.

Wie schnell sie doch vergessen haben, dass vor wenigen Jahren ihre eigenen Gotteshäuser Ziele von hasserfüllter Gewalt wurden, weil in den sozialen Medien übelste Menschenfeindlichkeit gesät wurde.

Der „Zeit“-Journalist Lenz Jacobsen führte am 21. August 2014 in einem Beitrag mit dem Titel „Und im Stillen brennen die Moscheen“ aus: „Drei Vorfälle aus acht Tagen, gefischt aus Regionalzeitungen und Randspalten: In Bielefeld brannten am Montag vergangener Woche in einer Moschee zwei Korane und ein Gebetsteppich. In der folgenden Nacht schlugen Flammen aus einem neuen Moschee-Anbau in Berlin Kreuzberg. 60 Feuerwehrleute brauchten eine Stunde, um die Flammen zu löschen. Es gibt keine Hinweise auf einen technischen Defekt. Am Dienstag dieser Woche nun, wieder in Bielefeld, stiegen die Täter am frühen Morgen durchs Fenster ein. Sie stapelten Bücher aufeinander, darunter mehrere Korane, und zündeten sie an.“

Die Wahrheit ist: Es geht bei den aktuellen Demonstrationen in Deutschland garantiert nicht um politische Kritik oder um den Einsatz für eine gerechte Sache. Es geht auch nicht um den aktuellen Konflikt im Nahen Osten, sondern um reinsten Hass!

Woran man das sehen kann?

Am Mittwoch versammelten sich mehrheitlich junge Menschen vor einer Synagoge in Gelsenkirchen.

Sie skandierten: „Scheiß Juden! Scheiß Juden! Scheiß Juden!“

In Memoriam – Stefan Zweig, Karl Kraus und Lion Feuchtwanger

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Weshalb selbst starke Zahlen ein strukturelles Problem nicht lösen
07.12.2025

Die Nvidia-Aktie glänzt mit beeindruckenden Ergebnissen, doch Anleger übersehen oft ein zentrales Risiko. Die enorme Größe des Konzerns...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mautkosten in Europa steigen: Wie sich Speditionen jetzt Wettbewerbsvorteile sichern
07.12.2025

Trotz wachsender Belastungen im europäischen Transportsektor zeigt sich immer deutlicher, dass Mautgebühren weit mehr sind als ein...

DWN
Panorama
Panorama Weihnachten mit kleinerem Budget: Viele Menschen müssen bei Weihnachtsgeschenken sparen
07.12.2025

Weihnachten rückt näher, doch viele Haushalte kalkulieren strenger als je zuvor. Eine neue Umfrage zeigt, wie stark Preissteigerungen die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OpenAI-Bilanz: Deloitte prüft Milliardenpläne und Michael Burry entfacht Debatte
07.12.2025

OpenAIs rasanter Aufstieg und die enormen Investitionspläne des Unternehmens rücken die Transparenz der OpenAI-Bilanz in den Mittelpunkt....

DWN
Politik
Politik Elektromobilitätssteuer Großbritannien: Wie London die E-Auto-Revolution abbremst
07.12.2025

Großbritannien setzt mit einer kilometerbasierten Abgabe ein hartes Signal an alle E-Autofahrer und stellt die finanzielle Logik der...

DWN
Politik
Politik Russlands Desinformationskampagnen: Wie Europa gegen Putins Trolle kämpft
06.12.2025

Europe wird zunehmend Ziel digitaler Einflussoperationen, die gesellschaftliche Stabilität, politische Prozesse und wirtschaftliche...

DWN
Immobilien
Immobilien Baufinanzierung Zinsen: Entwicklung des Bauzinses 2025 - und wie es 2026 weitergeht
06.12.2025

Nachdem die Zinsen – darunter der Bauzins – in Deutschland seit 2019 eine gewisse Schieflage erreicht haben, scheint nun Ruhe...

DWN
Finanzen
Finanzen Marktausblick 2026: Internationale Aktien und Small-Cap-Aktien sind am besten positioniert
06.12.2025

KI treibt Teile der Weltwirtschaft nach vorn, während andere Branchen stolpern. Gleichzeitig locken Staaten mit neuen Ausgabenprogrammen...