Finanzen

Deutsche zahlen die höchsten Strompreise in Europa – und diese steigen weiter

Nirgendwo in Europa ist Strom so teuer wie in Deutschland - ein Resultat der ideologisch unterfütterten Politik der Energiewende. Inzwischen droht die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erodieren, sagen Experten.
07.06.2021 17:22
Aktualisiert: 07.06.2021 17:22
Lesezeit: 3 min

Es ist kein begehrter Spitzenplatz, den Deutschland in dieser europaweiten Statistik einnimmt: Nirgendwo müssen Haushalte so viel für den Strom bezahlen wie im bevölkerungsreichsten EU-Land.

Nachdem die Bundesrepublik 2019 die Führung bei den höchsten Strompreisen in Europa von Dänemark übernommen habe, seien die Kosten im Jahr 2020 nochmals gestiegen, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe aus Daten des Statistischen Bundesamtes. Kleine Haushalte mit einem Stromverbrauch von 1200 Kilowattstunden mussten demnach im vergangenen Jahr 34,30 Cent je Kilowattstunde zahlen, 2019 waren es noch 33,49 Cent. Auch für größere Haushalte mit einem Jahresverbrauch von 3500 Kilowattstunden sei es deutlich teurer geworden. Sie zahlten den Angaben zufolge im Schnitt 30,43 Cent pro Kilowattstunde nach 29,83 Cent im Vorjahr. Dabei seien die Strompreise im europäischen Durchschnitt im vergangenen Jahr den Angaben der Statistiker zufolge gesunken: Im Euroraum um 0,53 Cent auf 22,47 Cent je Kilowattstunde. Und in den 27 Ländern der Europäischen Union um 0,51 Cent auf 21,26 Cent.

Hohe Steuern und Abgaben für die Energiewende

Als Hauptpreistreiber bei den Stromkosten gelten Abgaben und Steuern. Werden sie herausgerechnet, kostete die Kilowattstunde laut Eurostat in Deutschland 14,51 Cent. Das ist weniger als in Irland, Belgien und Luxemburg. Zum EU-Durchschnitt von 12,82 Cent ist der Abstand so auch geringer als beim Gesamtpreis.

Über eine Entlastung der Verbraucher wird seit langem diskutiert. Die Chefin des Energieverbands BDEW, Kerstin Andreae, forderte am Montag, die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms spätestens bis 2026 schrittweise auf null zu reduzieren. "Die Steuer- und Abgabenlast auf Strom ist mit über 50 Prozent einfach zu hoch", sagte sie. Das sei ein Hemmschuh für umweltfreundliche strombasierte Anwendungen wie die Elektromobilität oder den Einsatz von Wasserstoff.

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, nannte die Strompreise "inakzeptabel hoch". Die Stromsteuer müsse für Privathaushalte abgeschafft und die EEG-Umlage grundlegend reformiert werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). "Das Grundkontingent für Haushalte sollte besonders günstig sein. Strom und Energie dürfen nicht zum Luxusgut werden."

Die schwarz-rote Koalition hat sich bisher nicht auf eine grundlegende Reform zur Entlastung bei den hohen Strompreisen einigen können. Zwar soll die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms nach den Jahren 2021 und 2022 auch 2023 und 2024 mit Milliardenmitteln aus dem Bundeshaushalt – also mit Steuergeldern – finanziert werden. Das ist eine Maßnahme, um im Gegenzug zur CO2-Sondersteuer beim Tanken und Heizen Verbraucher zu entlasten.

Einen Plan zur dauerhaften Abschaffung der Umlage, die Stromkunden über die Stromrechnung bezahlen, gibt es aber nicht. Vor allem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will, dass die EEG-Umlage vollständig abgeschafft und die Förderung der Ökostrom-Umlagen aus Steuermitteln bezahlt wird. Das aber ist finanziell ein Riesenbatzen - und im Haushalt drohen nach den massiven Belastungen der Corona-Krise große Löcher.

Spiele mit der politischen und wirtschaftlichen Stabilität

Der Finanzdienstleister Solvecon kommentiert die Meldungen mit Blick auf die weiterführenden Auswirkungen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft:

Zum Verständnis: Das Wohl und das Wehe einer Ökonomie hängt von seiner Konkurrenzfähigkeit ab. Diese Größenordnung ist eine der elementarsten Größen für Investitionstätigkeit. Diese ist zwingend erforderlich, um wirtschaftliche Stabilität zu forcieren, die Grundlage der gesellschaftspolitischen Stabilität ist. Anders ausgedrückt: Wer an der ökonomischen Stabilität unprofessionell experimentiert, insbesondere aus ideologischen Gründen, vergreift sich an der politischen Stabilität und der gesamten Zukunftsfähigkeit eines politischen Raumes.

Zur Einstimmung weise ich darauf hin, dass Deutschland als energieintensivster Produktionsstandort innerhalb Europas die höchsten Strompreise im Jahr 2020 zu verzeichnen hatte. Während im Durchschnitt Europas die Strompreise 2020 sanken, stiegen sie in Deutschland weiter. Das ist eine brachiale Hypothek für den Investitionsstandort Deutschland, den wir, aber mehr noch kommende Generationen wirtschaftlich und politisch zu zahlen haben werden.

Nachfolgende Äußerungen des BDI-Präsidenten treffen den Kern. Der Chef des BDI wirft der Bundesregierung vor, die Konsequenzen des verschärften Klimaschutzgesetzes nicht zu bedenken und fordert ein grünes Infrastrukturprogramm. Es reiche nicht, Klimaneutralität per Gesetz vorzuschreiben. Die Politik müsse etwas dafür tun, dass das Ziel erreicht werden könne. Ich stimme vollkommen zu. Der BDI-Präsident argumentierte, dass Industrieanlagen teilweise mehr als 20 Jahre betrieben würden, dass sie vorher geplant und genehmigt werden müssten. Dafür fehlten verlässliche Grundlagen. Das ist meines Erachtens nahezu skandalös! Um das verschärfte Klimaziel zu erreichen, brauche es so schnell wie möglich ein enormes Infrastrukturprogramm. Weiter der BDI-Präsident: Unsere Werke könnten nur mit grünem Strom betrieben werden, wenn viel mehr Solaranlagen, Windparks und Stromtrassen entstünden. Industrieanlagen könnten nur mit Wasserstoff betrieben werden, wenn der verlässlich verfügbar sei, nicht erst 2045, sondern in wenigen Jahren.

Das ist eine bitter notwendige Ansage an Berlin und die Länder. Was seit der Energiewende an amateurhafter Politik geliefert wurde, ist weit mehr als verstörend. Deutsche Politik spielt mit dem Rückgrat der Wirtschaft. Dieses Rückgrat der Wirtschaft ist die Grundlage der politischen Stabilität (siehe 1929/32). Die jetzt fassbar im Raum stehende Ideologisierung und Dogmatisierung der „grünen Wirtschaft“ gilt es, sich vollständig zu verwehren. Eine pragmatische an notwendigen, möglichen und belastbaren Zielen orientierte „grüne Wirtschaft“ kann nur die Lösung sein.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Immobilien
Immobilien Möblierte Wohnungen: Rechte, Fallstricke und Pflichten
26.07.2025

Möblierte Wohnungen boomen – besonders in deutschen Großstädten. Doch was bedeutet das für Mietende? Zwischen Flexibilität, höheren...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Coldplay-Kiss-Cam stürzt Astronomer-CEO: Was Unternehmen daraus lernen müssen
26.07.2025

Ein harmloser Kuss bei einem Coldplay-Konzert – und ein Tech-CEO verliert seinen Job. Wie schnell ein PR-Gau entsteht und was Ihr...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Energieeffizienz-Förderung für KMU bleibt hinter Erwartungen zurück – das sollten Sie jetzt wissen
26.07.2025

Staatliche Fördermittel sollen Unternehmen dabei helfen, energieeffizienter und wettbewerbsfähiger zu werden. Gerade für KMU bieten sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Live kaufen, schneller liefern, besser binden: Der stille Aufstieg des Live-Shoppings
26.07.2025

Live-Shopping erobert E-Commerce: Influencer werden zu Verkäufern, Social Media zur Einnahmequelle. Wer jetzt nicht umdenkt, verliert. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Zollalarm ohne Kursrutsch: Was hinter der Marktreaktion steckt
26.07.2025

Trump hat mit 30 Prozent Strafzöllen gegen Europa gedroht – doch die Märkte zuckten nicht. Haben Investoren seine Taktik längst...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nobelpreis und Pausen: Warum wahre Genialität Raum braucht
26.07.2025

Nobelpreisträger zeigen: Kreativität entsteht nicht im Dauerstress, sondern in der Pause. Wie Denkfreiheit zum Erfolgsfaktor wird – und...

DWN
Technologie
Technologie USA wollen mit neuem KI-Plan geopolitisch dominieren
26.07.2025

Die USA rollen ihre neue KI-Strategie aus – mit weniger Regulierung, geopolitischer Exportoffensive und dem Kampf gegen „ideologische...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Raketen-Start-up HyImpulse: Mit Kerzenwachs ins Weltall – ist das die Zukunft?
25.07.2025

Das Unternehmen HyImpulse hat erfolgreich eine Kleinrakete mit Paraffin-Antrieb getestet. Der Vorteil: Der Brennstoff ist günstiger als...