Politik

Warum schweigen Umweltministerien und Atomkraftgegner zu einem möglichen islamistischen Terrorangriff?

Nach 9/11 wurden Horrorszenarien an die Wand gemalt: Ein Attentat auf ein AWK per Flugzeug stünde kurz bevor. Dann wurde aus dem erzbösen Terroristen der edle Gast in unserem Land - und nun ist das Thema auf einmal tabu.
04.07.2021 17:21
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach den islamistischen Terroranschlägen in New York am 11. September 2001 dominierte in den Umweltministerien in Deutschland und in den atomkritischen NGOs jahrelang nur ein Thema: Der islamistische Terrorismus.

Aus der alten Diskussion über einen zwar möglichen, aber selbstverständlich extrem unwahrscheinlichen Flugzeugabsturz auf ein Atomkraftwerk, wurde nach 9/11 die alles überlagernde Annahme eines Angriffs per Flugzeug auf ein AKW, selbstverständlich verübt von islamistischen Terroristen. Alternativ zum Flugzeugangriff wurde der Beschuss von Atomkraftwerken mit panzerbrechenden Waffen thematisiert. Auch hierbei wurde wie selbstverständlich unterstellt, dass islamistische Terroristen die Täter sein würden.

Generell thematisiert wurden in den Jahren nach 2001 auch islamistische „Schläfer“, die in unser Gesellschaft lange Zeit unerkannt schlummern, um dann völlig unerwartet an einem beliebigen Ort zu einem beliebigen Zeitpunkt zuzuschlagen. Vorgänge wie jetzt in Würzburg und Wien (und viele andere zuvor) wären damals – ohne zu zögern und ohne weitere Ermittlungen abzuwarten – begierig aufgegriffen worden, um die Gefahr des islamistischen Terrors bis ins Apokalyptische heraufzubeschwören.

Doch die Zeiten haben sich grundlegend geändert.

Heute setzt man alles daran, Argumentationsmuster zu verstärken, die am Ende das Töten fast schon zu relativieren scheinen, nur um nicht Gefahr zu laufen, eventuell irgendetwas „Falsches“ zu sagen, etwas politisch Inkorrektes.

Diese Entwicklung ist merkwürdig.

Der nach 2001 nahezu ein Jahrzehnt lang andauernde Hype, der überall islamistische Flugzeug-Terroristen witterte, befremdet im Rückblick ebenso, wie das schlagartige Verstummen der damaligen Terrorismus-Besorgten, nachdem regierungsamtlich, sozusagen „von oben“, eine um 180 Grad verkehrte Diktion verordnet wurde. Seitdem ist weder von den Umweltministerien noch von den Umweltverbänden etwas im Hinblick auf die Gefahr islamistischer Flugzeugangriffe zu hören gewesen.

Zu Recht? Kann man über solche Szenarien, die noch vor gar nicht so vielen Jahren als Riesengefahr dargestellt wurden, einfach so hinweggehen? War das Ganze damals also nur bloßes Geschwätz, wenn auch mit zahllosen wissenschaftlichen Studien untermauert? Akzeptiert und folgt man am Ende schlichtweg nur dem Mainstream, der diktiert, heute dies und morgen jenes zu glauben und zu befolgen?

Warum sind die Atomkraftgegner dieser Republik in keiner Weise dazu in der Lage, diesen seltsamen Sinneswandel, diese Kehrtwende um 180 Grad, kritisch und auch selbstkritisch zu reflektieren?

Es geht hier weniger um die absolute Wahrheit, als vielmehr um die Merkwürdigkeit, dass eine Agenda („überall lauern islamistische Flugzeug-Terroristen“), die durchaus auf tönernen Füßen stand, durch eine genau gegenteilige ersetzt wurde, die mindestens ebenso sehr auf tönernen Füßen steht („es gibt keine islamistische Bedrohung“), ohne dass für diesen radikalen Sinneswandel jemals eine plausible Erklärung oder Begründung geliefert worden ist.

Oder um es konkret zu sagen: Es ist irritierend, dass der islamistische Terrorismus noch vor wenigen Jahren als eine Gefahr angesehen wurde, die das Weiterbestehen unserer Gesellschaft bedrohte. Um dann wie auf Knopfdruck - als wären aus blutrünstigen Massenmördern von heute auf morgen sanfte Schäfchen geworden – als harmlose Petitesse hingestellt zu werden. Gestern von Grund auf böse Terroristen, heute edle Gäste aus fernem Land: Da stimmt doch etwas nicht.

Eins steht fest: Unsere Gesellschaft muss endlich wieder lernen, Gefahren weder apokalyptisch zu überhöhen noch sie zu verniedlichen.

Unsere Gesellschaft muss lernen, komplexe Fragen nüchtern und realistisch zu erörtern.

Die aktuelle Tendenz zu intellektueller Einfalt, zum Glauben an den Götzen „Mainstream“ und zu Hypermoral, ist in jeglicher Hinsicht brandgefährlich.

Lesen Sie auch das große DWN-Interview, das in Kürze erscheinen wird: "Wie sicher sind Atomkraftwerke gegen Terroranschläge?"

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen US-Investoren strömen zu EARN Mining Cloud Mining und erzielen über 1.000 XRP pro Tag

Onchain-Daten zeigen, dass große Investoren bei einem XRP-Anstieg auf 3,10 US-Dollar Gewinne mitgenommen haben. Adressen mit Beständen...

Henrik Paulitz

Henrik Paulitz ist Gründer und Leiter der "Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung". Er ist der Autor mehrerer Bücher, darunter "StromMangelWirtschaft - Warum eine Korrektur der Energiewende notwendig ist" (2020). 
DWN
Politik
Politik Finanzloch im Verkehrsetat: Länder warnen vor Baustopp
18.09.2025

Milliarden für Straßen und Schienen sind zwar eingeplant, doch sie reichen nicht aus. Länder und Bauindustrie schlagen Alarm, weil...

DWN
Politik
Politik Suwalki-Korridor: Europas Achillesferse zwischen NATO und Russland
18.09.2025

Der Suwalki-Korridor gilt als Achillesferse der NATO. Moskau und Minsk üben die Einnahme des Gebiets – Polen warnt, Deutschland blickt...

DWN
Finanzen
Finanzen SAP-Aktie: Milliarden gegen US-Dominanz
18.09.2025

SAP-Vorstand Thomas Saueressig gibt den Ton an: Mit einer Milliardenoffensive will er Europas digitale Selbstständigkeit sichern – von...

DWN
Politik
Politik Frankreich-Proteste: Hunderttausende gegen Sparpläne und Regierung
18.09.2025

Hunderttausende Menschen ziehen durch Frankreichs Straßen, Schulen und Bahnen stehen still. Die Wut über Macrons Personalentscheidungen...

DWN
Politik
Politik Draghi warnt: EU verliert geopolitische Bedeutung – welcher Reformplan für Europa dringend nötig ist
18.09.2025

Mario Draghi rechnet ab: Die EU habe ihre geopolitische Bedeutung überschätzt und sei heute schlecht gerüstet für die globalen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Amazon fährt Investitionen in Deutschland hoch
18.09.2025

Amazon baut seine Dominanz in Deutschland massiv aus. Milliarden fließen in neue Standorte, Cloud-Infrastruktur und Künstliche...

DWN
Politik
Politik USA liefern wieder Waffen mit europäischem Geld
18.09.2025

Die USA nehmen Waffenlieferungen an die Ukraine wieder auf – doch diesmal zahlt Europa. Für Deutschland könnte das teuer und politisch...

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienmarkt Deutschland: Käufer kehren zurück, Zinsen steigen
18.09.2025

Der deutsche Immobilienmarkt lebt wieder auf. Mehr Käufer greifen zu, doch steigende Bauzinsen bremsen die Euphorie. Während die...