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Heute vor 50 Jahren hoben die USA die Goldbindung des Dollars auf: Geht dieses Jahr die Dominanz der Fiat-Währungen zu Ende?

Lesezeit: 4 min
15.08.2021 10:00
Am 15. August 1971 erklärte der damalige US-Präsident Richard Nixon die Aufhebung des Goldstandards - das Zeitalter der Fiat-Währungen begann. Markiert 2021, also das Jahr nach der großen Corona-Krise, den Beginn der Ära einer neuen Art von Währungen?
Heute vor 50 Jahren hoben die USA die Goldbindung des Dollars auf: Geht dieses Jahr die Dominanz der Fiat-Währungen zu Ende?
Sieben Fidschi-Dollar ist dieser Geldschein wert, den die Fidschi-Inseln anlässlich des Olympia-Sieges ihrer Rugby-Mannschaft herausgaben. Der Schein ist hübsch und hat etwas Putziges an sich - aber das Thema neue "Währungsordnung" ist ein sehr ernstes.
Foto: Pita Ligaiula

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Wir nähern uns dem 50. Jahrestag des so genannten Nixon-Schocks, einem der entscheidendsten Brüche in der Geschichte der Geldpolitik. Am 15. August 1971 kündigte US-Präsident Richard Nixon in einer Fernsehübertragung an, er werde das „Goldfenster schließen“. Indem er die Konvertierbarkeit des Dollar in Gold (zu einem offiziellen Kurs von 35 Dollar pro Unze) beendete, kappte Nixon die Jahrtausende alte Verbindung zwischen Geld und Edelmetallen.

Dieses epochale Geschehnis war der Auftakt zu Ereignissen, die auf schon fast unheimliche Weise an jetzige Ereignisse erinnern. So wie beispielsweise Nixon versuchte, die Vereinigten Staaten aus ihrem langen, teuren und aussichtslosen Krieg in Vietnam zu befreien, hat US-Präsident Joe Biden nun Amerikas langen, teuren und aussichtslosen Einsatz in Afghanistan beendet.

Ebenso hatte Nixon in seiner Ansprache ein Maßnahmenprogramm mit Zielen angekündigt, die jenen der Biden-Regierung ziemlich ähneln. „Wir müssen mehr und bessere Arbeitsplätze schaffen“, sagte er, „wir müssen den Anstieg der Lebenshaltungskosten aufhalten, und wir müssen den Dollar vor den Angriffen internationaler Geldspekulanten schützen.“

Wie Biden heute wollte auch Nixon die Staatsausgaben erhöhen, um in einem tief gespaltenen Land die Wahl-Chancen seiner Partei zu verbessern. Heute haben die Demokraten nach den stark umkämpften Präsidentschaftswahlen von 2020 im Senat eine hauchdünne Mehrheit und fürchten einen möglichen Rückschlag bei den Zwischenwahlen von 2022 (eine Wiederholung der schweren Niederlage, die Präsident Barack Obama 2010 erlitt).

Aber natürlich gibt es auch ein größeres Ziel. Biden strebt einen grundlegenden sozialen Wandel an. Arbeitsplätze zu schaffen ist ein wichtiger Weg zur Beseitigung bestehender Ungleichheiten. Und dank der einmaligen Stellung des Dollars als globaler Hauptreservewährung, können die USA so viel haushalts- und geldpolitische Stimuli mobilisieren, wie es in Friedenszeiten noch nie möglich gewesen ist.

Obwohl Nixons damalige Entscheidung ein neues Nicht-System ins Leben rief und zu jahrzehntelangen Turbulenzen auf den Währungsmärkten führte, verlor der Dollar nie seine Stellung an der Spitze des internationalen Währungssystems. Als das System der festen Wechselkurse, das auf der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 eingeführt worden war, zusammenbrach, wurde die Sonderstellung der US-Währung aufgrund der Macht der privaten Finanzmärkte, Geld – das heißt, US-Dollar – zu schaffen, sogar noch stärker. Immer noch sind Finanzinstitute, Konzerne und Regierungen in aller Welt davon abhängig, sich in Dollar finanzieren zu können.

Einige Optimisten in Washington scheinen davon auszugehen, dass die zentrale Stellung Amerikas im globalen Wirtschaftssystem ewig bestehen bleibt: Sogar eine Rückkehr der Inflation in die USA würde schlimmstenfalls eine Abwertung des Dollar und eine moderate globale Neuausrichtung bedeuten (wie Ende der 1970er während Jimmy Carters Präsidentschaft). Die USA hätten immer noch zwei Ressourcen, auf die alle angewiesen sind: die englische Sprache als gemeinsame Kommunikationsbasis und den Dollar als gemeinsame Währung.

Aber wie lang wird dies noch der Fall sein? Kann Amerika seine einmaligen Vorteile in einer Zeit behalten, in der sein relativer Anteil an der Weltwirtschaft geschrumpft ist, neue wirtschaftliche Mächte aufsteigen, die internationale Ordnung zerbrechlich geworden ist und innenpolitisch immer mehr Stimmen laut werden, die Washington zum Rückzug aus der Weltpolitik auffordern?

In der Tat sind beide traditionellen amerikanischen Vorteile bereits bedroht: Enorme Fortschritte bei der automatischen Übersetzung führen dazu, dass sich die Menschen weltweit nicht mehr auf Englisch verlassen müssen, sondern Künstliche Intelligenz nutzen können.

Neue Technologien gefährden auch den Dollar, die lingua franca (eine Sprache, die von Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen zum Zweck der internationalen und interkulturellen Kommunikation verwendet wird – Anm. d. Red.) des Welthandels. Manche Gefahren sind bereits an den Anleihemärkten erkennbar, die (im Jahr 2020) Liquiditätsengpässe und eine schwächere Auslandsnachfrage verzeichneten. Die lange Vorherrschaft des Dollar wird nicht so sehr durch andere Währungen herausgefordert (obwohl sowohl der Euro als auch der Renminbi gern den Thron besteigen würden), sondern durch neue Methoden, die dieselbe grenzüberschreitende geldpolitische Sprache sprechen können wie der Dollar. Im Zuge der immer stärkeren digitalen Revolution neigt sich die nationale geldpolitische Ära ihrem Ende zu.

Die neuen technologischen Möglichkeiten können die historische Verbindung zwischen geldpolitischer Stabilität und haushaltspolitischer Verantwortung schwächen. Als Antwort auf die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie haben die Zentralbanken massive langfristige Stimulus-Programme auf den Weg gebracht, die die Inflationsgefahr erhöhen und die Geldflüsse in alternative Anlageklassen drängen. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach einer geldpolitischen Revolution.

Diese Revolution dürfte von digitalen Technologien angetrieben werden, die nicht nur neue Formen staatlicher Fiat-Währungen (wie des Renminbi und des Euro) ermöglichen, sondern auch Privatwährungen, die auf innovativen Methoden wie Distributed Ledgers (Blockchain-Technologie – Anm. d. Red.) beruhen. Diese Entwicklung ist ebenso bedeutsam wie die Abkehr vom Bargeld. Die Welt bewegt sich schnell auf eine Art von Geld zu, das nicht auf der Glaubwürdigkeit bestimmter Regierungen beruht, sondern auf Informationen.

Die lange Phase der Dollar-Hegemonie könnte daher durch neues Geld beendet werden. Die COVID-19-Krise hat diese Entwicklung beschleunigt, indem sie eine digitalere Version der Globalisierung eingeführt hat, die weniger auf der Bewegung von Menschen oder Waren beruht, sondern auf stärkerem Datenaustausch.

Ursprünglich hat der Dollar seine Vormachtstellung in einem Umfeld starker, weltweiter Nachfrage nach einer tiefen, liquiden und sicheren Anlagemöglichkeit erlangt, was bedeutet, dass seine Vorherrschaft durch andere sichere Anlageklassen beendet werden könnte. In der Vergangenheit, als Währungen auf der Grundlage von Edelmetallen ausgegeben wurden, waren alternative sichere Anlageformen dominant. Noch Ende des 20. Jahrhunderts blickten manche Kommentatoren nostalgisch auf eine Zeit zurück, als die Währungen durch echte Sicherheiten gedeckt waren. Aber heute können sie nach vorn blicken. Digitalwährungen werden durch Informationen gedeckt, die von Teilnehmern aus einer Vielzahl sich überschneidender Gemeinschaften erzeugt werden.

Indem Nixon das Goldfenster schloss, läutete er das Ende einer rohstoffbasierten geldpolitischen Ordnung und den Beginn einer neuen Welt der Fiat-Währungen ein. Erst in den 1990ern haben die Regierungen und Zentralbanken gelernt, diese Welt wirklich effektiv zu verwalten. Nun bewegen wir uns auf eine neue geldpolitische Ordnung zu, die auf Informationen beruht (die selbst eine Art Rohstoff sind). Wir können schneller mit dem neuen System umgehen lernen, als es nach dem Nixon-Schock der Fall war. Aber das Ergebnis – eine Welt, in der der Dollar von seinem globalen Podest gestürzt wurde – könnte noch viel schockierender sein.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Harold James ist Professor für Geschichte und Internationale Politik an der Princeton University.

Copyright: Project Syndicate, 2021.

www.project-syndicate.org

Harold James ist Professor für Geschichte und Internationale Politik an der renommierten Princeton University.

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