Den Investmentbankern in den europäischen Geldhäusern winken wieder fette Bonuszahlungen. Eine Welle von Übernahmen und Börsengängen rollt, bei den Instituten sprudeln wieder die Gewinne - und davon wollen die gestressten Banker ihren Teil abhaben.
Vor allem die britischen Banken versuchen, mit Amerikanern und Asiaten mitzuhalten, wo die Bonustöpfe traditionell größer ausfallen als in Europa. Die britische Bank Barclays hat das Gesamtbonusvolumen um 46 Prozent auf 1,1 Milliarden Pfund vergrößert, HSBC hat im ersten Halbjahr 900 Millionen Pfund oben draufgelegt. Standard Chartered rechtfertigte eine achtprozentige Kostensteigerung mit einer "Normalisierung der erfolgsabhängigen Bezahlung". Bei der Deutschen Bank sind Gehälter und Boni im Investmentbanking immerhin um sechs Prozent gestiegen. Zur Erinnerung: Das größte deutsche Geldinstitut hat sich einen harten Sparkurs verschrieben. Bis 2022 sollen weltweit 18.000 Stellen gestrichen werden, allein 2021 sollen es in Deutschland rund 2.000 sein.
Im Vergleich zu den US-Häusern sind die Gehälter und Boni der Europäer allerdings vergleichsweise gering: Bei Goldman Sachs sind die Vergütungen gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Milliarden Dollar gestiegen, beim Rivalen JPMorgan um zwei Milliarden Dollar. So stark umworben gewesen seien Banker seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr, sagen Manager und Personal-Verantwortliche. Das sei auf die anziehende Konjunktur, die anrollenden Fusionswelle und auf das heiß laufende Geschäft mit Börsengängen leerer Firmenmäntel (SPAC) zurückzuführen.
Die Banken werben sich gute Leute regelmäßig gegenseitig ab. Wenn sie ihr Personal halten wollen, müssten sie tief in die Tasche greifen, sagt Sophie Scholes, die bei der Headhunting-Agentur „Heidrick & Struggles“ für die Finanzbranche in Großbritannien verantwortlich ist. Scholes: „Die Banken wissen, dass sie in der nächsten Bonus-Runde etwas auf den Tisch legen müssen.“ Boni und Gehaltserhöhungen dürften im zweiten Halbjahr daher noch steigen. Zwei Faktoren fielen dabei ins Gewicht: "Das eine ist der schiere Wettbewerb um Talente, das heißt, man will gute Leute halten." Zum anderen sei den Arbeitgebern klar, dass ihre hoch bezahlten Angestellten viel geleistet und weitere begehrte Aufträge an Land gezogen hätten, findet die Headhunterin.
Auch der Nachwuchs, der sich noch keiner Großtaten rühmen darf, wird in Zukunft besser bezahlt. So erhöhte Goldman Sachs das Gehalt für Junior-Investmentbanker im ersten Jahr auf 110.000 Dollar, HSBC zog nach und bietet neu eingestellten Analysten in den USA nun 100.000 Dollar. Eine der Begründungen: In Zeiten, da Hochschul-Absolventen mehr auf ihre "Work-life-Balance" achten, sind Nachwuchsbanker immer schwerer dazu zu bewegen, 80 Stunden und mehr pro Woche zu arbeiten, um nach oben zu kommen.
Wie gesagt: In Europa sind die Gehälter nicht ganz so üppig, in Großbritannien gilt sogar eine Obergrenze für solche Extras: Maximal das Doppelte des Grundgehalts ist drin. Laut Medienberichten wollen die britischen Banken die Kappungsgrenze in Gesprächen mit der Politik jedoch aushebeln – was bereits Proteste hervorruft. Simon Youel von der Interessengruppe "Positive Money": "Riesige Boni zu zahlen in einer Zeit, in der Unternehmen und Haushalte zu kämpfen haben und die Konjunkturaussichten so unsicher sind, ist nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch wirtschaftlich unverantwortlich." Immerhin verdienten die Banken auch deshalb so gut, weil der Staat die Wirtschaft stütze.
Die Bankmanager versuchen sich zu rechtfertigen. Barclays-Chef Jes Staley verweist darauf, dass die Investmentbanker in schlechteren Zeiten weniger verdienten, damit die Banken ihre Renditen halten konnten. "Wir müssen die Leute doch belohnen", sagte der Vorstandschef einer britischen Bank, der nicht genannt werden will. Und weiter: "Die Leute hatten eine schwierige Zeit." Wer ein Jahr ständig aus dem Homeoffice gearbeitet habe, wolle nun etwas davon haben – das sei doch absolut nachvollziehbar.