Politik

Hohe Inflation: In der Union regt sich zunehmend Widerstand gegen die EZB

Angesichts der hohen Teuerungsraten in vielen Bereichen regt sich innerhalb der Union Widerstand gegen die Untätigkeit der EZB - zumindest wird kurz vor der Bundestagswahl öffentlich Unruhe signalisiert.
23.09.2021 16:26
Aktualisiert: 23.09.2021 16:26
Lesezeit: 3 min

Angesichts der rasant gestiegenen Preise ist die Europäische Zentralbank EZB in der Endphase des Bundestagswahlkampfs ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) zeigte sich "alarmiert", dass die Teuerung Ersparnisse und Renten "massiv" schmälere. Im August waren die Preise mit 3,9 Prozent so stark gestiegen wie seit fast 28 Jahren nicht mehr.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder brachte die Idee einer Inflationsbremse ins Spiel. Er forderte die Währungshüter auf, spätestens bei fünf Prozent die Reißleine zu ziehen. Bereits zuvor hatte CDU-Wirtschaftsexperte Friedrich Merz den Ton gesetzt und der Notenbank in Frankfurt eine Abkehr vom laxen Kurs bei anhaltend hohem Preisauftrieb nahegelegt.

CSU-Chef Söder hat die Forderung nach einer Obergrenze für den Preisanstieg in die Debatte geworfen. Diese Inflationsbremse sei eine "gemeinsame Aufgabe der europäischen Staaten und der EZB". Oppositionspolitiker Marco Buschmann (FDP) sieht die Politik in der Pflicht, dem "sozialen Problem" Inflation etwas entgegenzusetzen. "Gut, dass das auch Markus Söder erkennt. Nur: Warum hat die CSU nicht längst gehandelt?", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion jüngst.

Bundesbank warnt vor hoher Inflation

Die Breitseiten der Unions-Granden lassen aufhorchen, denn die Europäische Zentralbank (EZB) ist unabhängig und fährt ihren geldpolitischen Kurs ohne jegliches Mitspracherecht der Politik. Dies gilt auch für die Bundesbank, die ausdrücklich unabhängig von Weisungen Dritter agiert - seien es Landespolitiker oder auch die Bundesregierung. Ökonomen sehen Zwischenrufe zur Korrektur der Geldpolitik im Wahlkampf vor diesem Hintergrund kritisch. Es gelte, die Unabhängigkeit der Zentralbank zu respektieren, mahnt Ifo-Chef Clemens Fuest. Sie habe in ihrer Kernaufgabe, den Geldwert stabil zu halten, bislang "einen guten Job" gemacht. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, pflichtet bei: "Es gibt keinen Grund zur Panik bei der Inflationsentwicklung."

EZB-Chefin Christine Lagarde will nicht am Nullzins rütteln. Sie erwartet, dass das mit der Pandemie aufgetauchte Inflationsgespenst wieder verschwindet, wenn die Krise ausgestanden ist. Doch kurzfristig könnte noch mehr Inflationsdruck entstehen als bislang erwartet, warnte ihr Vize Luis de Guindos jüngst. Dies gelte für den Fall, dass durch Lieferkettenprobleme ausgelöste Materialengpässe etwa bei Mikrochips und Halbleitern anhielten.

Selbstverständlich hat Lagarde gar keine andere Möglichkeit als zu hoffen, dass sich die Inflation wieder beruhigt, da sie die laxe Geldpolitik nicht mehr signifikant zurückfahren kann, ohne eine Staatsschuldenkrise in Teilen Europas und einen Abverkauf an den Aktien- und Anleihemärkten auszulösen.

Zudem hatte es aus dem Umfeld der Bundesbank in den vergangenen Tagen mehrfach Warnungen vor einer dauerhaft höheren Inflation gegeben. Erst meldete sich der frühere Präsident Axel Weber zu Wort, dann äußerte sich auch der amtierende Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zu den Aussichten.

Tarifrunden könnten entscheidend sein

Ein banger Blick der Europäischen Zentralbank (EZB) gilt auch den Tarifrunden. Wenn die Arbeitnehmer in naher Zukunft kräftige Lohnsteigerungen durchsetzen können, könnte sich der Preisauftrieb verfestigen. Bislang sind laut EZB-Vize De Guindos kaum Auswirkungen der hohen Inflation auf die Lohnrunden zu sehen. "Das könnte sich im Herbst ändern, wenn viele Tarifverhandlungen anlaufen", sagte der Spanier in einem Presseinterview. Die EZB werde dies wachsam verfolgen. Laut der deutschen EZB-Direktorin Isabel Schnabel erwarten die Bürger nun eine kräftigere Preisdynamik, was die zukünftige Lohndynamik verstärken könne.

Hierzulande fordern die Gewerkschaften Verdi sowie DBB-Beamtenbund und Tarifunion für den Öffentlichen Dienst der Länder fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt. Am 8. Oktober startet die erste Verhandlungsrunde für die rund 1,1 Millionen Tarifbeschäftigten. Das Ergebnis soll dann laut Verdi auch auf die 1,2 Millionen Beamten übertragen werden.

Laut dem Tarifpolitik-Experten Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut IW stehen die Verhandlungen noch unter dem Eindruck der Pandemie. "Wenn wir die Krise hinter uns gelassen haben, erwarte ich eine expansivere und dann auch aggressivere Lohnpolitik." Die Arbeitnehmervertreter würden dann wohl darauf verweisen, dass sie während der Krise lange stillgehalten und zwar Corona-Prämien, aber oft keine strukturellen Prämien erhalten haben. Bei guter Konjunktur und durch solche Nachholeffekte sei nicht auszuschließen, dass die Lohnpolitik inflationstreibend wirke. Derzeit ist Deutschland nach Ansicht von DIW-Chef Marcel Fratzscher aber von einer Lohn-Preis-Spirale meilenweit entfernt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Verbrenner-Aus: EU lockert Vorgaben und setzt den Fokus auf Unternehmen und Hersteller
19.12.2025

Die Europäische Kommission richtet ihre Verkehrsklimapolitik neu aus und verändert damit die Rahmenbedingungen für Industrie und...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose 2026: Kurs erholt sich – Experten streiten über den weiteren Weg
19.12.2025

Der Bitcoin-Kurs schwankt, die Jahresendrally bleibt aus – und doch überbieten sich Experten mit kühnen Zielen. Zwischen 87.900 Dollar...

DWN
Finanzen
Finanzen Jetzt die besten Dividenden-Aktien kaufen: Diese Titel überzeugen Experten von Morningstar
19.12.2025

Dividenden gelten für viele Anleger als stabiler Ertragsanker in unsicheren Marktphasen. Doch woran lässt sich erkennen, welche...

DWN
Politik
Politik E-Autos: Kfz-Steuerbefreiung bei Elektroautos bis 2035 verlängert
19.12.2025

Elektroautos sollen länger steuerfrei bleiben – doch die neuen Regeln haben einen Haken. Ein Beschluss im Bundesrat verschiebt Fristen,...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Finanzierung bis 2027: EU einigt sich auf 90 Milliarden Euro – Moskau spottet
19.12.2025

Die EU hat sich nach zähem Ringen auf eine Ukraine-Finanzierung bis 2027 geeinigt. Ein zinsloser Kredit über 90 Milliarden Euro soll...

DWN
Politik
Politik Pendlerpauschale rauf, Mehrwertsteuer runter: Bundesrat billigt Steuerpaket
19.12.2025

Der Bundesrat hat ein Steuerpaket auf den Weg gebracht, das Pendler, Gastronomie und Ehrenamt spürbar berührt. Hinter der Entlastung...

DWN
Finanzen
Finanzen Schluss mit Spekulation: In welche Kryptowährung investieren?
19.12.2025

Tausende Kryptowährungen konkurrieren um Aufmerksamkeit. Doch nur wenige haben echtes Potenzial. Diese Analyse zeigt, wie sich seriöse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank dämpft Erwartungen für 2026: Konjunkturflaute lässt Wachstum nur langsam zurückkehren
19.12.2025

Nach Jahren der Konjunkturflaute soll 2026 endlich wieder Bewegung in Deutschlands Wirtschaft kommen – doch der Aufschwung bleibt...