Deutschland

Niedersachsen: Gericht kippt 2G im Einzelhandel, Lauterbach ist fassungslos

Nach der gerichtlich angeordneten Aufhebung der 2G-Regel im Einzelhandel in ganz Niedersachsen verschärft sich der Streit zwischen der Bundesregierung und der Judikative.
18.12.2021 14:16
Aktualisiert: 18.12.2021 14:16
Lesezeit: 2 min

Nach der gerichtlich angeordneten Aufhebung der 2G-Regel im Einzelhandel in ganz Niedersachsen verschärft sich der Streit um die coronabedingten Zugangsbeschränkungen in den deutschen Einkaufsstraßen und Shopping-Centern. Der Handelsverband Deutschland (HDE) forderte die Politik am Freitag auf, nun „2G im Handel hinter sich zu lassen“. Die Bundesregierung hielt dagegen ausdrücklich an den Zugangsverboten für Ungeimpfte in weiten Teilen des Einzelhandels fest. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte, es mache weder epidemiologisch noch gesundheitspolitisch Sinn, solche Regeln jetzt zu kippen. Dies gelte insbesondere wegen der bevorstehenden Welle mit der neuen Virusvariante Omikron.



Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hatte am Donnerstag nach einer Klage der Kaufhauskette Woolworth die 2G-Regel im Einzelhandel des Bundeslandes gekippt. Die Maßnahme sei zur weiteren Eindämmung des Coronavirus nicht notwendig und auch nicht mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz vereinbar, entschied das Gericht. Bund und Länder hatten am 2. Dezember beschlossen, dass bundesweit und unabhängig von der Inzidenz 2G im Einzelhandel gelten soll. Ausnahmen von der 2G-Regel gelten für Geschäfte des täglichen Bedarfs, also etwa Supermärkte und Drogerien.



Das Urteil der niedersächsischen Verwaltungsrichter hat erhebliche Konsequenzen. Denn von einer bundesweit einheitlichen Strategie bei der Corona-Bekämpfung im Einzelhandel kann damit erst einmal keine Rede mehr sein. Im niedersächsischen Osnabrück dürfen Ungeimpfte jetzt wieder in allen Geschäften einkaufen, im 50 Kilometer entfernten nordrhein-westfälischen Bielefeld bleiben ihnen Warenhäuser und Elektronikmärkte weiter verschlossen.



Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil warnte deshalb bereits, dass nun vermehrt Menschen ohne Corona-Impfung ins Land kommen könnten. Niedersachsen habe mit dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Lüneburg jetzt eine Sonderrolle in Deutschland, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Alle anderen Länder haben 2G im Einzelhandel. Ich hoffe nicht, dass das zu einem Einkaufstourismus der besonderen Art führt, weil ungeimpfte Menschen in Niedersachsen shoppen gehen können.“



Über neue Corona-Auflagen für die Geschäfte werde die Landesregierung jetzt sehr kurzfristig entscheiden, kündigte Weil an. „Ich kann ausschließen, dass es so weitergeht wie bisher, nur ohne 2G.“ Eine überarbeitete Corona-Regelung zum Einzelhandel in Niedersachsen soll es in der ersten Hälfte der kommenden Woche geben. Denkbar könnte etwa eine 3G-Regel sein, womit nicht geimpfte Menschen einen negativen Test brauchten.



Bayern will an den jüngsten Corona-Auflagen festhalten. „Wir sind mitten in der vierten Welle der Pandemie, unsere Intensivstationen sind voll“, sagte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der dpa in München. Zudem stehe die Omikron-Variante vor der Tür. „In diesem Umfeld die Aufhebung der 2G-Regeln zu fordern, halte ich für unvernünftig.“ Die Zugangsvorschriften einschließlich der 2G-Regelung für den Einzelhandel seien weiterhin geboten, sagte Holetschek.



Der HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth forderte unterdessen die Politik zur Abkehr von 2G auf. "Hygienekonzepte, Abstand und die Pflicht zum Tragen von FFP2-Masken reichen nicht nur in Niedersachsen, sondern unabhängig vom Bundesland aus, um Infektionen im Einzelhandel zu verhindern", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Daher müssen jetzt andere Landesregierungen nachziehen, die geltenden Verordnungen überarbeiten, damit 2G im Handel hinter sich lassen und sich gemeinsam für eine bundesweite Lösung einsetzen.“



Das niedersächsische Urteil gebe hier die Richtung vor, sagte Genth. Allerdings ist auch die Justiz noch uneinig über die Corona-Beschränkungen. In Schleswig-Holstein war ein Eilantrag von Woolworth gegen die 2G-Regel vom zuständigen Gericht erst kürzlich abgelehnt worden. Die Länder Hessen und Sachsen erklärten bereits, weiter an der 2G-Regel festhalten zu wollen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rüstungsskandal bei der Nato: Verdacht auf Bestechung und Geldwäsche – Behörden ermitteln gegen Nato-Mitarbeiter
15.05.2025

Über die Nato-Beschaffungsagentur NSPA werden Waffensysteme und Munition im Milliardenwert eingekauft. Nun gibt es den Verdacht, auf...

DWN
Finanzen
Finanzen 33 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen: Wirtschaftskrise kommt beim Bund an - Schätzungen sehen deutlichen Rückgang
15.05.2025

Der schwarz-roten Regierung stehen bis 2029 für die Umsetzung ihrer Koalitionsversprechen 33,3 Milliarden Euro weniger zur Verfügung....

DWN
Politik
Politik Friedensverhandlungen ohne Putin, Trump und Selenskyj: Lawrow lästert über Selenskyj und schimpft auf Berlin
15.05.2025

Friedensverhandlungen in Istanbul: Der russische Außenminister Lawrow fordert, den Gesprächen eine Chance zu geben – und zieht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Nach Trump-Zöllen: Weltweit schwindet bei Investoren die Angst vor einer Rezession
15.05.2025

Investoren weltweit atmen auf: Die Angst vor einer Rezession schwindet rapide – dank einer Entspannung im Handelsstreit zwischen den USA...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lieferketten am Limit: Handelskrieg bringt globale Versorgung ins Wanken
15.05.2025

Die globale Lieferketten geraten durch den Handelskrieg zwischen den USA und China massiv unter Druck. Trotz Zollpause bleiben...

DWN
Finanzen
Finanzen Massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben: Deutschland für höhere Militärausgaben trotz Wirtschaftskrise
15.05.2025

Verteidigungsminister Wadephul stellt sich hinter die Forderung des US-Präsidenten Trump für höhere Verteidigungsausgaben der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Externe IT-Dienstleister: So teuer ist das Auslagern wirklich
15.05.2025

In ganz Europa setzen Organisationen auf externe IT-Dienstleister – und geraten dabei zunehmend in eine Falle: Der Einkauf orientiert...

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
15.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...