Finanzen

SAG: Legale Enteignung durch ein weitgehend unbekanntes Gesetz

Seit Anfang 2015 gilt in Deutschland das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz. Das dieses der Öffentlichkeit nicht bekannt ist, dürfte in den einschneidenden Maßnahmen begründet liegen, welche es für Kunden und Aktionäre von Banken bereithält.
04.01.2022 09:09
Aktualisiert: 04.01.2022 09:09
Lesezeit: 1 min

Das wichtigste Gesetz der letzten Jahre heißt SAG, Sanierungs- und Abwicklungsgesetz, und der Name ist Programm. Dieses Gesetz ist leise und ohne große Medienpräsenz am 1.1.2015 in Kraft getreten und hat 176 schwer lesbare Paragraphen. Die Verabschiedung im Bundestag erfolgte vor annähernd leerem Plenum zu fortgeschrittener Stunde ohne Aussprache. Es entstand aus den Lehren der Finanzkrise 2008. Damals musste der Staat mit Garantien und Milliarden an Steuergeldern die Hypo Real Estate verstaatlichen, Aktionäre enteignen und die Commerzbank stützen.

Mit dem SAG wäre es anders gelaufen. Man hätte die Aktien der Bank, aber auch alle Kontoguthaben teilweise entwerten oder sogar ganz auf null setzen können (nach § 89 SAG). Gehen wir mal davon aus, dass die Einlagensicherung noch funktioniert hätte (was bei einer so großen Bank schon mehr als unwahrscheinlich ist, auch die Sicherungstöpfe der Banken beinhalten lediglich 6,9 Milliarden Euro).

SAG betrifft Bankkunden, die sich in Sicherheit wiegen und doch jederzeit ohne rechtliche Gegenmittel enteignet werden können. Die neue Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung kann anordnen, bei drohender Insolvenz einer systemrelevanten Bank Kundengelder einzuziehen oder in Aktien der Bank zu einem von ihr festgelegten Nennwert umzuwandeln und den Nennwert herabzusetzen – bis auf 0! Ein Widerspruchsverfahren ist ausgeschlossen. Selbst eine Klage hat keine aufschiebende Wirkung. In diesem Fall gelten alle Ansprüche des Aktionärs als „erfüllt“, und zwar für immer (§ 99 Abs. 1 – 3 SAG).

Selbst wenn die Bank sich wieder erholt, gibt es kein Zurück.

Interessanterweise wurde in § 5 SAG festgehalten, dass alle Funktionsträger über das nach dem SAG ablaufende Verfahren Stillschweigen zu wahren haben. Deswegen hören Sie auch nichts von dem Gesetz. Fragen Sie doch mal Ihren Vermögensverwalter, Banker oder Makler. Dies bedeutet aber auch, dass gemäß § 5 SAG alle Verfahrensbeteiligten per Gesetz zum Stillschweigen angehalten sind, selbst wenn sie die Systemgefährdung einer systemrelevanten Bank vermuten. Wie 2008 bei Lehman Brothers – diese Bank hatte bis zuletzt trotz Milliardenverlusten ein Top Rating.

Wer muss im Ernstfall haften?

  • Alle Privatkunden und Firmenkunden, die Einlagen ab 100.000 Euro bei einer „systemrelevanten“ Bank führen, werden im Extremfall zur Kasse gebeten. Betroffen sind Sparbuch, Giroguthaben, Fest- und Tagesgeld, Sparverträge (auch vermögenswirksame Leistungen), Namensschuldverschreibungen und vorübergehend geparkte Liquidität auf dem Wertpapierdepot.
  • Die Aktionäre der systemrelevanten Bank.

Der vorliegende Artikel ist ein Auszug aus dem Buch „Der größte Crash aller Zeiten - Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Wie Sie jetzt noch Ihr Geld schützen können“ von Marc Friedrich und Matthias Weik.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik „Choose Europe“: Brüssel will Gründer mit Kapital halten
31.05.2025

Die EU startet einen neuen Wachstumsfonds, der Start-ups mit Eigenkapital unterstützen und in Europa halten soll. Doch Geld allein wird...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Energiewende umgekehrt: US-Firmen fliehen vor Trumps Klimapolitik – nach Europa
31.05.2025

Während Trump grüne Fördermittel in den USA kürzt, wendet sich die Clean-Tech-Branche von ihrer Heimat ab. Jetzt entstehen in Europa...

DWN
Politik
Politik Ärztepräsident warnt vor „Versorgungsnotstand“
31.05.2025

Ärztepräsident Klaus Reinhardt warnt vor Beeinträchtigungen im medizinischen Netz für Patienten, wenn nicht bald Reformen zu mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt, wenn es kein Testament gibt
31.05.2025

Jeder kann selbst bestimmen, wer seine Erben sein sollen. Wer das allerdings nicht durch ein Testament oder einen Erbvertrag regelt und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datensammeln ohne Richtung: Warum der falsche Analyst Ihrem Unternehmen schadet
31.05.2025

Viele Unternehmen sammeln Daten – doch ohne den richtigen Analysten bleiben sie blind. Wer falsche Experten einsetzt, riskiert...

DWN
Panorama
Panorama Umfrage: Vielen Bädern fehlt das Personal
31.05.2025

Viele Bäder in Deutschland haben laut einer Umfrage mit Personalengpässen zu kämpfen. So hatten 38 Prozent der befragten Hallen- und...

DWN
Finanzen
Finanzen Trump plant Milliardeninvestition in Bitcoin und andere Kryptowährungen
31.05.2025

Donald Trump will Bitcoin zur Staatsangelegenheit machen – mit Milliarden-Investitionen seiner Mediengruppe. Während der Markt jubelt,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Monopol auf Seltene Erden wankt – doch der Westen zahlt den Preis
31.05.2025

China kontrolliert die Welt der Seltenen Erden – und lässt Konkurrenz nur zu ihren Bedingungen zu. Neue Minen entstehen, doch ihre...