Politik

Invasions-Szenario: China greift Taiwan an, EU stoppt Handel mit Peking

In der kommenden Zeit ist auch mit einem Angriff Chinas auf Taiwan zu rechnen. Dann müssten Deutschland und die EU – wie gegen Russland – scharfe Handelssanktionen einführen.
08.03.2022 12:26
Aktualisiert: 08.03.2022 12:26
Lesezeit: 3 min
Invasions-Szenario: China greift Taiwan an, EU stoppt Handel mit Peking
Olaf Scholz und Xi Jinping. (Foto: dpa) Foto: Christophe Gateau

Wenn Russland in die Ukraine einmarschieren sollte, wird dies „als Echo in Taiwan widerhallen“, hatte der britische Premier Boris Johnson am 19. Februar 2022. Hintergrund waren Sorgen, dass China militärisch gegen Taiwan vorgehen könnte, das Peking als Teil des Landes ansieht. Asiatische Verbündete hätten ihm versichert, dass das wirtschaftliche und politische Nachbeben auch in Asien zu spüren sein werde, fügt er hinzu. Das Risiko sei ein entstehender Eindruck, dass sich Aggression lohnen könnte. „Deshalb sollten wir die Bedeutung des Moments nicht unterschätzen.“ Man wisse nicht, was Russland tun werde. „Aber es sieht nicht gut aus“, meinte Johnson prophetisch.

Derzeit weist die EU eine sehr große „Liebe“ zur Kommunistischen Partei Chinas auf. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sprach sich vor wenigen Tagen nachdrücklich für eine Vermittlung Chinas im Krieg Russlands gegen die Ukraine aus.

„Es gibt keine Alternative. Wir [Europäer] können nicht die Vermittler sein, das ist klar (…) Und die USA können es auch nicht sein. Wer sonst? Es muss China sein, darauf vertraue ich“, sagte Borrell in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Mundo.

US-Präsident Joe Biden schickte zu Beginn des Ukraine-Kriegs eine Delegation von Verteidigungs- und Sicherheitsexperten nach Taiwan. Er wolle damit ein Zeichen der Unterstützung für die Insel setzen, die China auch nach Russlands Invasion in der Ukraine für sich beansprucht, wie ein Regierungsvertreter am Montag der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Angeführt werden soll die Expertenrunde demnach vom ehemaligen Vorsitzenden der Generalstabschefs, Mike Mullen. Der Navy-Admiral im Ruhestand, der unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama als oberster US-Militär diente, wird von anderen Expertinnen wie Bushs Sicherheitsberaterin Meghan O'Sullivan und Obamas Verteidigungsexpertin Michele Flournoy begleitet.

Peking beansprucht die demokratisch regierte Insel für sich und will sie unter chinesische Kontrolle bringen - notfalls mit Gewalt. Die Reise der Delegation solle dazu dienen, „unsere anhaltende Unterstützung für Taiwan zu demonstrieren“, sagte ein Regierungsvertreter. Sie wird voraussichtlich am Dienstagnachmittag in Taiwan eintreffen und bis Mittwochabend bleiben. Geplant ist ein Treffen mit Präsidentin Tsai Ing-wen, Verteidigungsminister Chiu Kuo-cheng und anderen hochrangigen Regierungsmitgliedern. Washington werde „jeden Versuch, die Zukunft Taiwans mit anderen als friedlichen Mitteln zu bestimmen, als Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit im westlichen Pazifik“ betrachten, so ein US-Vertreter.

Der Besuch kam wenige Tage nachdem ein US-Kriegsschiff durch die Taiwanstraße – die China und Taiwan trennt - gefahren ist. Das US-Militär bezeichnete dies als Routine, Peking hingegen sprach von einer „Provokation“. Das Weiße Haus forderte China auf, die russische Invasion in der Ukraine zu verurteilen. Peking hat sich jedoch weitgehend aus der Kritik an Moskau herausgehalten, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping nur wenige Wochen vor dem Einmarsch eine verstärkte strategische Partnerschaft angekündigt hatten, um dem Einfluss der USA entgegenzuwirken.

Taiwan mit seiner starken Halbleiter-Industrie schließt sich dagegen den westlichen Sanktionen gegen Russland nach dem Angriff auf die Ukraine an. „Wir verurteilen einen solchen Akt der Invasion auf das Schärfste und werden gemeinsam mit den demokratischen Ländern Sanktionen verhängen“, kündigte Ministerpräsident Su Tseng-chang an.

Wenn die EU moralisch glaubwürdig bleiben will, müsste der Handel mit Peking nach einer chinesischen Invasion komplett gekappt werden. Allerdings würde die EU durch derartige Sanktionen einen größeren wirtschaftlichen Schaden erleiden, als dies bei den Russland-Sanktionen der Fall ist. Die EU sitzt zwischen allen Stühlen.

Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen mit Taiwan und seinen Nachbarn will China seinen Militäretat in diesem Jahr deutlich um 7,1 Prozent steigern. Das geht aus dem neuen Haushaltsentwurf hervor, der am Samstag zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking vorgelegt wurde. Die Gesamtausgaben sollen hingegen nur um 3,9 Prozent wachsen.

Die starke Steigerung der Militärausgaben findet angesichts der Drohungen der kommunistischen Führung gegenüber dem demokratischen Taiwan und der Territorialstreitigkeiten Chinas mit seinen Nachbarn im Süd- und Ostchinesischen Meer besondere Aufmerksamkeit, meldet die dpa.

In seiner Rede vor den knapp 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes bekräftigte Ministerpräsident Li Keqiang den Willen Chinas zu einer „Wiedervereinigung“ mit Taiwan. Er wandte sich entschieden gegen "separatistische Aktivitäten" mit dem Ziel einer „Unabhängigkeit Taiwans“ sowie gegen ausländische Einmischung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelskrieg mit Ansage: Warum Europas Vergeltung Washington teuer zu stehen kommen könnte
13.05.2025

Die EU zieht die Reißleine: Mit einem neuen Maßnahmenpaket über 95 Milliarden Euro kontert Brüssel die US-Strafzölle – und trifft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Munich Re: Milliardenschaden durch Waldbrände in Kalifornien
13.05.2025

Flammen wüten immer wieder durch Kalifornien – und hinterlassen nicht nur verkohlte Wälder, sondern auch tiefe Spuren in den Bilanzen...

DWN
Politik
Politik Trump besucht erneut die Golfstaaten – Wirtschaftsinteressen stehen im Vordergrund
13.05.2025

Warum reist Donald Trump erneut als erstes nach Saudi-Arabien – und nicht etwa zu den engsten Nachbarn der USA? Hinter dem glanzvollen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trump: Die Arzneimittelpreise müssen um 59 Prozent sinken
13.05.2025

Die Pharmabranche gerät weltweit unter Druck: Mit einer neuen Ankündigung hat US-Präsident Donald Trump den globalen Arzneimittelmarkt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU-Kommission kündigt Importverbot für russisches Gas an – doch wo bleibt das Gesetz?
13.05.2025

Die EU verkündet das Ende russischer Gasimporte – aber präsentiert (noch) keine juristische Grundlage. Experten warnen: Was die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Innovation Neuro-Webdesign: „Die meisten Firmenwebsites scheitern am Menschen“
13.05.2025

Viele mittelständische Websites wirken modern, funktionieren aber nicht. Warum? Sie ignorieren die Psychologie der Nutzer. Jonas Reggelin,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Rezession 2025: Düstere Aussichten für Deutschland
13.05.2025

Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle – und das ausgerechnet in einer Phase, in der neue Impulse dringend nötig wären. Der...

DWN
Politik
Politik Rentenversicherung: Warum Bärbel Bas' Beamten-Vorschlag 20 Milliarden Euro im Jahr kosten würde
13.05.2025

Geht es nach Arbeitsministerin Bärbel Bas, sollen künftig auch Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden. Eine neue...