Deutschland

Bundespräsident Gauck lehnt Volksabstimmungen ab

Bundespräsident Joachim Gauck findet Volksabstimmungen keine gute Idee. Er glaubt nicht, dass das Volk in der Lage sei, komplexe Entscheidungen so kompetent zu beurteilen wie die Parteien.
24.01.2014 00:33
Lesezeit: 2 min

Bundespräsident Joachim Gauck glaubt nicht, dass der Slogan de Bürgerrechtler „Wir sind das Volk!“ auch für das neue Deutschland Anwendung finden kann.

In einem Interview sprach sich Gauck gegen bundesweite Volksabstimmungen aus - weil den Bürgern nach Gaucks Einschätzung die Einsicht in die Komplexität der Politik fehlt. Der Pfarrer mit Migrationshintergrund Bundespräsident sagte der FAZ: „Nach vielen Jahren in der Bundesrepublik und auch im Hinblick auf die Entwicklung jenseits unserer Grenzen kann ich mir Plebiszite zumindest auf Bundesebene in Deutschland nicht gut vorstellen. Die repräsentative Demokratie hat doch erhebliche Vorteile.“ Diese reduziere komplizierte Sachfragen nicht auf ein „Ja-Nein-Schema“ und biete Populisten weniger Raum.

Dass der Mann des Wortes Gauck diese sinnlose Phrase hervorkramen muss, zeigt, dass er noch doch schon viele Jahre in der Bundesrepublik lebt und hier auch ideologisch angekommen ist.

Gauck hält also, wenn es nicht um Fledermaus-Brücken oder Frosch-Wanderwege geht, die Parteienherrschaft Weisheit der Parteien für besser für die Bürger.

Offen zeigte sich Gauck dagegen für eine Diskussion über die Fünf-Prozent-Hürde bei Bundestagswahlen. „Wir sind mit der Fünf-Prozent-Klausel bisher gut gefahren. Aber natürlich kann man darüber diskutieren, ob eine niedrigere Hürde einen Zugewinn an demokratischer Mitwirkung bedeuten würde“, sagte Gauck der FAZ.

In Kürze wird ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts darüber erwartet, ob die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahl im Mai Bestand haben kann oder nicht. Das Gericht in Karlsruhe hatte die Fünf-Prozent-Hürde für die Europawahl 2011 gekippt, worauf der Bundestag eine niedrigere Sperrklausel beschlossen hatte. Gegen diese wird erneut von etlichen kleineren Parteien in Karlsruhe geklagt.

Gauck betonte, er äußere sich unabhängig vom Ausgang der letzten Bundestagwahl, bei der mit der FDP und der AFD zwei Parteien nur knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren. „Aber die Erfahrungen europäischer Nachbarn mit anderen Quoren können wir uns schon anschauen. Unabhängig davon finde ich es übrigens richtig, sich mit allen Möglichkeiten zu beschäftigen, noch mehr Menschen für Politik zu interessieren.“

Gauck war vor einigen Wochen mit dem Spruch aufgefallen, dass er froh sei, dass die AfD es nicht in den Bundestag geschafft habe. Bernd Lucke von der AfD hatte sich über diese seltsame Demokratie-Auffassung sehr geärgert (mehr dazu hier).

Gauck, der nach eigener Aussage ein Bürgerrechtler in der DDR war, zeigt mit seinen Bemerkungen erneut wenig Innovationskraft. Direkte Demokratie ist in einer Gesellschaft, in der die Parteienherrschaft die dominante Form des politischen Lebens geworden ist, das Gebot der Stunde - wenn man die Demokratie lebendig halten will.

Wenn man freilich die Differenzierung der Hinterzimmer bevorzugt, ist der Umweg über das Volk freilich nicht der richtige Weg.

Denn tatsächlich können hinter verschlossenen Türen oder in Partei-Gremien Entscheidungen, die eigentlich komplex sind, zu sehr einfachen Lösungen führen.

Dem Volk bleibt ja vorerst noch das Demonstrationsrecht, um sich zu komplexen Fragen zu äußern.

So sieht es zumindest das Grundgesetz vor.

 

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