Unternehmen

Was Einzelhändler in der Energie-Krise von Südafrika lernen können

In Südafrika sind Stromausfälle an der Tagesordnung und die Supermärkte haben sich der Situation angepasst. In der Energie-Krise können europäische Einzelhändler viel von ihnen lernen.
20.09.2022 11:30
Lesezeit: 3 min
Was Einzelhändler in der Energie-Krise von Südafrika lernen können
Der Hauptsitz von Shoprite ist in Kapstadt. (Foto: iStock.com/Grant Duncan-Smith) Foto: Grant Duncan-Smith

Europäische Einzelhändler, die sich auf mögliche Stromausfälle in diesem Winter vorbereiten, könnten sich Rat bei ihren südafrikanischen Kollegen holen, wenn es darum geht, wie sie die schlimmste Energiekrise seit Jahrzehnten bewältigen können.

Laut Bloomberg rät der Vorstandsvorsitzende von Shoprite, Afrikas größtem Lebensmittelhändler, Pieter Engelbrecht, den europäischen Einzelhändlern ihre Investitionen zu erhöhen um vorausschauend zu planen und Störungen durch unterbrochene Energielieferungen zu bewältigen.

Europäischen Einzelhändler, die jahrelang von vergleichsweise niedrigen Energierechnungen profitiert haben, sehen sich angesichts der Unterbrechung der Gaslieferungen aus Russland mit drastischen Preiserhöhungen konfrontiert, die einige kleinere Unternehmen möglicherweise in den Konkurs treiben könnten.

„Ich hätte nie gedacht, dass meine europäischen Kollegen das erleben müssen, was für uns zum Alltag geworden ist“, sagte Engelbrecht in einem Interview mit Bloomberg. „ Wir haben Standby-Strom und Standby-Wasser, denn das (Standby-Wasser) ist das nächste Problem, was (hier in Südafrika) kommen wird.“

Die deutschen Verbraucher müssen sich in den kommenden Monaten auf noch höhere Lebensmittelpreise einstellen, so das Münchner ifo Institut. Die Inflationsraten dürften „vorerst hoch bleiben“ da fast alle Lebensmitteleinzelhändler wegen hohen Energiekosten weitere Preiserhöhungen planen, sagte ifo-Prognoseleiter Timo Wollmershaeuser.

Energiepreise explodieren

In Großbritannien warnte Associated British Foods Plc, der Eigentümer von Primark, diese Woche, dass sein Gewinn im nächsten Jahr sinken wird, da das Unternehmen mit schwankenden, hohen Energiekosten zu kämpfen hat, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Normalerweise steigen die Energiekosten für die Geschäfte um etwa 10 Millionen Pfund (12 Millionen Dollar) pro Jahr, doch in diesem Jahr betrug der Anstieg 100 Millionen Pfund.

Die britische Premierministerin Liz Truss kündigte Anfang September ein umfassendes Paket für Haushalte an als Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Krise an.

Ein Einzelhändler in Großbritannien, der besonders stark von Energie abhängig ist, ist die Tiefkühlkostkette Iceland Foods. Moody's Investors Service hat im vergangenen Monat das Rating für die Schulden des Einzelhändlers herabgestuft und erklärt, dass sich die Stromrechnung des Unternehmens im Geschäftsjahr bis März 2023 mehr als verdoppeln wird.

Stromausfälle sind in Südafrika an der Tagesordnung, wo der schuldengeplagte staatliche Stromversorger Eskom nicht in der Lage ist die Nachfrage aus seiner Flotte veralteter und schlecht gewarteter Kohlekraftwerke zu decken. Im zweiten Quartal kam es an mehr als der Hälfte der Tage zu Stromausfällen, und auch im September kam es laut Reuters regelmäßig zu Stromausfällen, da fünf Kohlekraftwerke ausfielen und das einzige Kernkraftwerk eine Störung aufwies.

Supermärkte versorgen sich selbst

Alle 2.700 Shoprite-Filialen in Südafrika verfügen über dieselbetriebene Generatoren, auch wenn die Treibstoffkosten des Einzelhändlers im letzten Jahr um 37 % gestiegen sind. Einige der Filialen versorgen sich selbst mit Solarenergie, aber das ist nicht immer eine Option, da nicht alle Gebäude so gebaut sind, dass sie das zusätzliche Gewicht von Solarzellen tragen können.

Shoprite’s Engelbrecht: „Das ist ein enormer Kapitalaufwand und lässt sich nicht über Nacht lösen.“ Das in Kapstadt ansässige Unternehmen hat auch die Auslieferung von Lebensmitteln per Lastwagen neu organisiert und seine Flotte auf effizientere Fahrzeuge umgestellt.

Laut Business Insider hat Shoprite mehr als 1.000 seiner Anhänger mit PV-Solaranlagen ausgestattet und nutzt die Sonne zur Versorgung von Kühlanlagen, Ladebordwänden und Überwachungsgeräten. Südafrikas größter Einzelhändler hat sich zum Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten fünf Jahre ein Viertel seines Betriebs mit erneuerbarer Energie zu versorgen.

Der Einzelhändler hat auch kraftstoffeffizientere Lkw angeschafft und spart damit rund zehn Prozent Diesel. Obwohl der Großteil der Anhängerflotte von Shoprite mit Solarenergie betrieben wird, ist der Übergang zu vollelektrischen Lastwagen noch weit entfernt, vor allem, weil das südafrikanische Stromnetz, das zum Aufladen dieser Fahrzeuge genutzt werden würde, überwiegend mit Kohle betrieben wird.

In Großbritannien hat J Sainsbury Plc zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt, mehr als 200 Geschäfte mit Sonnenkollektoren ausgestattet und setzt die Aerofoil-Technologie ein, um zu verhindern, dass kalte Luft aus den Kühlschränken entweicht.

Doch die Energiesparmaßnahmen sind nicht billig. Letzten Monat erklärte der Vorstandsvorsitzende der Carrefour SA, Alexandre Bompard, dass die französische Supermarktkette ihren Energieverbrauch bis 2024 um 20 Prozent senken wird, was Investitionen in Höhe von 320 Millionen Euro (323 Millionen US-Dollar) erfordert, berichtet Bloomberg.

Nach Ansicht von Engelbrecht ist die Vorhersehbarkeit und damit die Investition in Energiesparmaßnahmen der Schlüssel zu einer möglichen Stromunterbrechung. Solange es vorhersehbar ist, ist es überschaubar. „Wenn Sie 240 Brote im Ofen haben und der Strom dann ausfällt, verschwenden Sie all diese Lebensmittel – und das wollen wir natürlich nicht.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Vera von Lieres

Vera von Lieres gehört seit September 2022 zum DWN-Team und schreibt als Redakteurin über die Themen Immobilien und Wirtschaft. Sie hat langjährige Erfahrung im Finanzjournalismus, unter anderem bei Reuters und führenden Finanzmedien in Südafrika. Außerdem war sie als Kommunikations- und Marketing-Spezialistin bei internationalen Firmen der Investment-Branche tätig.

DWN
Politik
Politik Sicherheitsgarantien Ukraine: Warum Washington plötzlich auf einen Deal drängt
27.11.2025

Wachsende Irritationen in Europa treffen auf ein Washington, das den Ton sichtbar verschärft und ein Friedensabkommen zur Bedingung für...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Studie von KfW Research: Industriestandort Deutschland benötigt mehr Wagniskapital
27.11.2025

Deutschlands Industrie steht unter Druck: KfW Research sieht schrumpfende Wertschöpfung und zu wenig Risikokapital. Chefvolkswirt Dirk...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Immer mehr Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab: Wirtschaftsstandort Deutschland wackelt
27.11.2025

Hohe Preise für Energie, belastende Lohnnebenkosten, eine ausufernde Bürokratie und politische Vorgaben des Staates: Immer mehr Firmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Microsoft-Aktie im Fokus: Rekordinvestitionen in Cloud und KI stärken das Wachstum
27.11.2025

Microsoft setzt mit massiven Investitionen in Cloud-Infrastruktur und künstliche Intelligenz auf Wachstum und Innovation. Können diese...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundespräsident Steinmeier: Europa muss Potenzial als Wirtschaftsmacht ausschöpfen
27.11.2025

Krieg, Machtverschiebungen und zähe Entscheidungen in der EU belasten die Wirtschaftsmacht Europa. Auf dem Wirtschaftsforum in Madrid...

DWN
Finanzen
Finanzen Novo Nordisk-Aktie: Kursrückgang nach enttäuschenden Studien – trotz positivem Analystenkommentar
27.11.2025

Die Novo Nordisk-Aktie steht seit vielen Monaten unter Druck. Auch im Donnerstaghandel an der Frankfurter Börse verbucht die Novo...

DWN
Panorama
Panorama Rabattschlacht: Warum Fake-Shops am Black Friday besonders riskant sind – und wie Sie sie erkennen
27.11.2025

Der Black Friday lockt mit Rekordrabatten – doch zwischen echten Deals verstecken sich zunehmend Fake-Shops. Professionell gestaltet und...

DWN
Immobilien
Immobilien EH-55-Förderung kehrt zurück: Was Bauherren ab Dezember beachten müssen
27.11.2025

Ab Mitte Dezember fließt wieder Geld für Neubauten im EH-55-Standard. Die KfW öffnet ein bekanntes Förderfenster – doch nur unter...