Finanzen

Euro stürzt nach Italien-Wahl auf 20-Jahres-Tief

Der Euro ist am Montag deutlich gefallen. Auch europäische Staatsanleihen stehen unter Druck. Denn die Italien-Wahl hat Folgen für die Geldpolitik der EZB.
26.09.2022 11:42
Aktualisiert: 26.09.2022 11:42
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Euro stürzt nach Italien-Wahl auf 20-Jahres-Tief
Die Finanzmärkte haben unerwartet deutlich auf die Italien-Wahl reagiert. (Foto: dpa) Foto: Jens Büttner

Der Kollaps des britischen Pfunds macht Devisenanleger nervös. Außerdem versuchten sie am Montag, die Folgen der Italien-Wahl für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) abzuschätzen. Die heimischen Aktienmärkte konnten sich nach dem Ausverkauf der vergangenen Woche aber stabilisieren. Dax und EuroStoxx50 lagen am späten Vormittag jeweils etwa ein halbes Prozent im Plus bei 12.328 beziehungsweise 3367 Punkten. Offenbar kehrten einige Investoren auf der Suche nach Schnäppchen zurück, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners.

Parallel dazu fiel die britische Währung um bis 4,4 Prozent auf ein Rekordtief von 1,0382 Dollar und steuerte auf den größten Tagesverlust seit dem Brexit-Referendum von 2016 zu. "Die deutlichen Steuersenkungen, die vom Finanzminister angekündigt wurden, bereiten dem Devisenmarkt mit Blick auf die steigende Staatsverschuldung große Sorgen", sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Gleichzeitig drohten die geplanten Entlastungen den Inflationsdruck zu verschärfen.

Dem müsse sich die Bank von England (BoE) mit einer außerplanmäßigen Zinserhöhung - am besten um einen vollen Prozentpunkt - entgegenstellen, mahnte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Nicht zu handeln wäre vorsätzliche Unterlassung."

Was bedeutet Italiens Rechtsruck für Europa?

Nach dem Sieg des Rechtsbündnisses bei der Parlamentswahl in Italien ging es auch für den Euro abwärts. Er fiel um bis zu 1,3 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 0,9565 Dollar. "Auch wenn sich das Rechtsbündnis offiziell zur EU bekennt, der politische Gegenwind aus Italien wird größer werden", warnte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank.

"Es ist gut möglich, dass Investoren jetzt die Bereitschaft der EZB testen werden, gegen steigende Zinsen in Italien vorzugehen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Die Renditeentwicklung italienischer Staatsanleihen wird damit zum Gradmesser für die Unsicherheit, die sich am Markt jetzt ausbreitet."

Die Verkäufe italienischer Bonds trieben zwar die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Neun-Jahres-Hoch von 4,497 Prozent. Im Vergleich zu den Anleihen anderer europäischer Staaten fiel die Bewegung jedoch vergleichsweise gering aus, weil auch diese wegen der Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der EZB und einer drohenden Rezession unter Druck standen. Grund für die moderate Kursreaktion sei das recht schwache Abschneiden der Lega, die am EU-kritischsten sei, sagte Fondsmanager Giuseppe Sersale vom Vermögensverwalter Anthilia.

Rohstoffe billiger

An den Rohstoffmärkten spielten die Rezessionsängste die Hauptrolle. Außerdem macht die aktuelle Stärke des Dollar diese Anlageklasse für Investoren außerhalb der USA unattraktiver. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee und das Industriemetall Kupfer verbilligten sich um jeweils etwa ein Prozent auf 85,20 Dollar je Barrel (159 Liter) beziehungsweise 7364 Dollar je Tonne. Beim Erdgas entspannte sich die Lage weiter. Der europäische Future fiel um vier Prozent auf 174 Euro je Megawattstunde.

Zu den wenigen Gewinnern am deutschen Aktienmarkt zählte RTL mit einem Plus von 1,3 Prozent. Der Agentur Bloomberg zufolge bietet ein Konsortium um den französischen Unternehmer Stephane Courbit für die RTL-Tochter M6 20 Euro je Aktie. Außerdem prüft der italienische Medienkonzern MediaForEurope (MFE) eine Offerte für den TV-Sender. Die Titel von M6 stiegen daraufhin in Paris um bis zu 10,5 Prozent auf 15,95 Euro. MFE-Papiere verteuerten sich in Mailand um zwei Prozent.

Rendite 10-jähriger Bundesanleihe auf Elf-Jahres-Hoch

Die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Kursturbulenzen rund um das Pfund Sterling lösen Verkäufe bei europäischen Staatsanleihen aus. Dies trieb die Rendite zehnjähriger Bundestitel am Montag auf ein Elf-Jahres-Hoch von 2,132 Prozent. Ihre zweijährigen Pendants rentierten mit 2,013 Prozent so hoch wie zuletzt vor 14 Jahren.

Anleger rätselten, auf welchem Niveau der Zinserhöhungszyklus der EZB enden werde, sagte ein Börsianer. Gleichzeitig könnten sich die kontinentaleuropäischen Anleihen dem Rendite-Anstieg der britischen Papiere nicht entziehen. Die Rendite der zehnjährigen Gilts markierte mit 4,215 ein 12-1/2-Jahreshoch. Wegen Kurs-Kollapses des Pfund als Reaktion auf die lockere Fiskalpolitik der neuen britischen Regierung erwarten Experten eine Not-Zinserhöhung der Bank von England. (rtr)

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Die Lage ist ernst“ – Maschinenbau fordert Taten von Merz
16.09.2025

Der deutsche Maschinenbau, eine Schlüsselbranche mit rund einer Million Beschäftigten, steckt in einer tiefen Krise: Schwache Konjunktur,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stimmung hellt sich auf – Hoffnung für Autobranche und Chemie
16.09.2025

Nach langer Durststrecke gibt es wieder positive Signale für die deutsche Wirtschaft. Das ZEW-Konjunkturbarometer zeigt einen deutlichen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Gasspeicher über Zielmarke von 70 Prozent hinaus gefüllt- Winter-Risiken bestehen
16.09.2025

Die deutschen Erdgasspeicher sind derzeit zu rund 75 Prozent gefüllt und haben damit das für den 1. November festgelegte Ziel von 70...

DWN
Politik
Politik Taiwan veröffentlicht neuen Zivilschutzleitfaden für möglichen China-Angriff
16.09.2025

Taiwan hat ein aktualisiertes Handbuch zum Zivilschutz vorgestellt, das die Bevölkerung auf einen möglichen militärischen Angriff Chinas...

DWN
Politik
Politik Nord-Stream-Anschläge: Italien erlaubt Auslieferung von Ukrainer nach Deutschland
16.09.2025

Drei Jahre nach den Explosionen an den Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee rückt ein Gerichtsverfahren in Deutschland näher. Ein...

DWN
Finanzen
Finanzen EU-Kommission billigt deutsche Haushaltsstrategie trotz hoher Neuverschuldung
16.09.2025

Die Europäische Kommission hat den von der Bundesregierung geplanten Schuldenkurs bis 2031 gebilligt. Trotz geplanter Milliardenkredite...

DWN
Immobilien
Immobilien Mietrecht in Deutschland: Expertenkommission nimmt Arbeit auf
16.09.2025

Im Bundesjustizministerium hat eine neue Expertenkommission zum Mietrecht ihre Arbeit begonnen. Nach Angaben des Ministeriums soll das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Unbekannte Superhelden: Ohne Finanzchefs droht Unternehmen der Stillstand
16.09.2025

Die Rolle der Finanzchefs verändert sich rasant: Statt nur Zahlen zu verwalten, gestalten sie die Strategie, treiben Digitalisierung und...