Der Kollaps des britischen Pfunds macht Devisenanleger nervös. Außerdem versuchten sie am Montag, die Folgen der Italien-Wahl für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) abzuschätzen. Die heimischen Aktienmärkte konnten sich nach dem Ausverkauf der vergangenen Woche aber stabilisieren. Dax und EuroStoxx50 lagen am späten Vormittag jeweils etwa ein halbes Prozent im Plus bei 12.328 beziehungsweise 3367 Punkten. Offenbar kehrten einige Investoren auf der Suche nach Schnäppchen zurück, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners.
Parallel dazu fiel die britische Währung um bis 4,4 Prozent auf ein Rekordtief von 1,0382 Dollar und steuerte auf den größten Tagesverlust seit dem Brexit-Referendum von 2016 zu. "Die deutlichen Steuersenkungen, die vom Finanzminister angekündigt wurden, bereiten dem Devisenmarkt mit Blick auf die steigende Staatsverschuldung große Sorgen", sagte Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann. Gleichzeitig drohten die geplanten Entlastungen den Inflationsdruck zu verschärfen.
Dem müsse sich die Bank von England (BoE) mit einer außerplanmäßigen Zinserhöhung - am besten um einen vollen Prozentpunkt - entgegenstellen, mahnte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Nicht zu handeln wäre vorsätzliche Unterlassung."
Was bedeutet Italiens Rechtsruck für Europa?
Nach dem Sieg des Rechtsbündnisses bei der Parlamentswahl in Italien ging es auch für den Euro abwärts. Er fiel um bis zu 1,3 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 0,9565 Dollar. "Auch wenn sich das Rechtsbündnis offiziell zur EU bekennt, der politische Gegenwind aus Italien wird größer werden", warnte Thomas Gitzel, Chef-Volkswirt der VP Bank.
"Es ist gut möglich, dass Investoren jetzt die Bereitschaft der EZB testen werden, gegen steigende Zinsen in Italien vorzugehen", sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets. "Die Renditeentwicklung italienischer Staatsanleihen wird damit zum Gradmesser für die Unsicherheit, die sich am Markt jetzt ausbreitet."
Die Verkäufe italienischer Bonds trieben zwar die Rendite der zehnjährigen Titel auf ein Neun-Jahres-Hoch von 4,497 Prozent. Im Vergleich zu den Anleihen anderer europäischer Staaten fiel die Bewegung jedoch vergleichsweise gering aus, weil auch diese wegen der Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der EZB und einer drohenden Rezession unter Druck standen. Grund für die moderate Kursreaktion sei das recht schwache Abschneiden der Lega, die am EU-kritischsten sei, sagte Fondsmanager Giuseppe Sersale vom Vermögensverwalter Anthilia.
Rohstoffe billiger
An den Rohstoffmärkten spielten die Rezessionsängste die Hauptrolle. Außerdem macht die aktuelle Stärke des Dollar diese Anlageklasse für Investoren außerhalb der USA unattraktiver. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee und das Industriemetall Kupfer verbilligten sich um jeweils etwa ein Prozent auf 85,20 Dollar je Barrel (159 Liter) beziehungsweise 7364 Dollar je Tonne. Beim Erdgas entspannte sich die Lage weiter. Der europäische Future fiel um vier Prozent auf 174 Euro je Megawattstunde.
Zu den wenigen Gewinnern am deutschen Aktienmarkt zählte RTL mit einem Plus von 1,3 Prozent. Der Agentur Bloomberg zufolge bietet ein Konsortium um den französischen Unternehmer Stephane Courbit für die RTL-Tochter M6 20 Euro je Aktie. Außerdem prüft der italienische Medienkonzern MediaForEurope (MFE) eine Offerte für den TV-Sender. Die Titel von M6 stiegen daraufhin in Paris um bis zu 10,5 Prozent auf 15,95 Euro. MFE-Papiere verteuerten sich in Mailand um zwei Prozent.
Rendite 10-jähriger Bundesanleihe auf Elf-Jahres-Hoch
Die Aussicht auf weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Kursturbulenzen rund um das Pfund Sterling lösen Verkäufe bei europäischen Staatsanleihen aus. Dies trieb die Rendite zehnjähriger Bundestitel am Montag auf ein Elf-Jahres-Hoch von 2,132 Prozent. Ihre zweijährigen Pendants rentierten mit 2,013 Prozent so hoch wie zuletzt vor 14 Jahren.
Anleger rätselten, auf welchem Niveau der Zinserhöhungszyklus der EZB enden werde, sagte ein Börsianer. Gleichzeitig könnten sich die kontinentaleuropäischen Anleihen dem Rendite-Anstieg der britischen Papiere nicht entziehen. Die Rendite der zehnjährigen Gilts markierte mit 4,215 ein 12-1/2-Jahreshoch. Wegen Kurs-Kollapses des Pfund als Reaktion auf die lockere Fiskalpolitik der neuen britischen Regierung erwarten Experten eine Not-Zinserhöhung der Bank von England. (rtr)