In der Autoindustrie macht sich angesichts des Abschwungs der Weltwirtschaft Sorge über eine Absatzkrise im nächsten Jahr breit. Der Auftragseingang schwäche sich ab, erklärten die Chefs der Marken Volkswagen und Seat auf einem Fachkongress am Donnerstag.
„Der Gesamtmarkt wird zurückgehen“, sagte Seat-Chef Wayne Griffiths beim Branchengipfel des Instituts für Automobilwirtschaft (ifa) in Nürtingen. Auch VW-Markenchef Thomas Schäfer erwartet, „dass uns ein steiferer Wind entgegenweht im nächsten Jahr.“
Weniger Wirtschaftswachstum oder Rezession bremst den Automarkt, davon geht auch der Europachef des Opel-Mutterkonzerns Stellantis Uwe Hochgeschurtz aus: „Wir müssen uns auf Krisen vorbereiten“, sagte er. „Die gute alte Zeit ist erstmal vorbei.“
Branchenkenner gehen für 2023 von einem Einbruch am Automarkt aus. So erwartet Peter Fuß, Autoexperte der Unternehmensberatung EY, dass die Neuzulassungen in Europa in den nächsten Monaten noch steigen dank des Rückstaus bei Aufträgen, die wegen der Chipkrise noch nicht abgearbeitet werden konnten.
Für das erste Halbjahr seien die Aussichten aber düster, so Fuß. „Konjunktureinbruch, Energiekrise, Inflation: Die Rahmenbedingungen sind denkbar schlecht. Die Nachfrage nach Neuwagen wird darunter massiv leiden.“ Autohändler klagten bereits über Stornierungen.
Ein Nachfrageeinbruch sei nicht länger nur ein vages Risiko, sondern werde bereits Realität, hieß es kürzlich auch in einer Analyse der Schweizer Bank UBS. Da die Verbraucher in der Rezession ihr Geld zusammenhielten, müssten die Hersteller die mit dem Angebotsmangel gestiegenen Preise wieder senken und bekämen weniger große, teurere Wagen los. Zugleich stiegen die Kosten.
Im kommenden Jahr könnten die Autobauer nach Prognose von UBS daher bis zu 4 Prozentpunkte Umsatzrendite einbüßen, ihre Gewinne würden sich daher in etwa halbieren.
Nach einer Studie von S&P Global Mobility könnte die Autoproduktion in Europa 2023 bei einer Eskalation der Energiekrise um fast 40 Prozent oder mehr als eine Million Fahrzeuge pro Quartal einbrechen. Dahinter steckt die Annahme, dass es bei explodierenden Energiepreisen und Stromausfällen zu Produktionsstopps kommt.
Die Automanager auf dem Branchentreff in Nürtingen gaben sich unterdessen zuversichtlich, einen Absatzrückgang verkraften zu können. BMW-Vertriebschef Pieter Nota sagte, das Management des größten Premiumautobauers der Welt sei eher optimistisch. „Wir sehen das nicht als Krise, wir sehen das als Chance, uns noch stärker aufzustellen.“
Seat-Boss Griffiths erklärte, im Fall sinkenden Absatzes müsse die Gewinnschwelle schon früher erreicht werden, um die Renditen zu sichern. „Wir und der Handel kommen da durch“, betonte er. Die Stimmung sei in Deutschland besonders schlecht im Vergleich zu Spanien.
Auch Stellantis-Manager Hochgeschurtz setzt auf die Anpassungsfähigkeit der Branche, die sie gerade beim Umstieg auf Elektromobilität unter Beweis stelle. Die bevorstehende Krise bedeute nicht, dass Autohersteller und Handel schlechten Zeiten entgegengingen.
Die Chefin des Automobilverbandes VDA, Hildegard Müller, forderte angesichts „explodierender Energiepreise“, die Steuern zu senken. Denn vor allem dem Mittelstand gehe nach der Corona-Krise mit den neuen Belastungen die Puste aus.
Andernfalls stünden Unternehmen vor der Frage bei anstehenden Investitionen vor der Entscheidung, ob sie wegen der hohen Energiekosten in Deutschland nicht in andere Länder ausweichen und Standorte schließen sollten.
Den Firmen gehe es mit den Energiekosten wie dem Frosch auf der heißen Herdplatte. „Alle haben sich lange angestrengt, aber durch den Krieg nimmt die Temperatur so zu, dass der Frosch springen muss.“