Finanzen

Historischer Ansturm: Zentralbanken kaufen Gold wie zuletzt 1967

Lesezeit: 3 min
29.12.2022 11:51  Aktualisiert: 29.12.2022 11:51
Dieses Jahr haben die Zentralbanken so viel Gold gekauft wie zuletzt vor 55 Jahren. Damals folgte das Ende von Bretton Woods. Und auch heute kündigt sich ein ähnlicher Umbruch an.
Historischer Ansturm: Zentralbanken kaufen Gold wie zuletzt 1967
Der massiven Goldkäufe der Zentralbanken sind der Vorbote des kommenden Umbruchs. (Foto: dpa)
Foto: Wolfgang Hartmann

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Die Zentralbanken haben dieses Jahr so viel Gold gekauft wie zuletzt 1967. Dies zeigen Daten des World Gold Council, einer von der Edelmetallbranche finanzierten Gruppe. Für erhebliche Mengen Gold ist noch nicht geklärt, welche Zentralbanken hinter den Käufen stecken. Doch Analysten sehen China und Russland als große Käufer, was darauf hindeutet, dass einige Länder ihre Reserven weg vom Dollar diversifizieren wollen.

Die Flucht der Zentralbanken hin zum Gold "würde darauf hindeuten, dass der geopolitische Hintergrund von Misstrauen, Zweifeln und Unsicherheit geprägt ist", nachdem die USA und ihre Verbündeten die Dollarreserven der russischen Zentralbank eingefroren haben, zitiert die Financial Times Adrian Ash, Forschungsleiter beim Goldmarktplatz BullionVault.

Als die Zentralbanken das letzte Mal so extrem viel Gold kauften wie dieses Jahr, markierte dies einen historischen Wendepunkt für das globale Währungssystem. Im Jahr 1967 kauften die europäischen Zentralbanken massive Goldmengen von den USA, was zu einem Ansturm auf den Preis und zum Zusammenbruch des Londoner Goldpools führte. Dies beschleunigte schließlich den Untergang des Bretton-Woods-Systems und die Bindung des Dollars ans Gold.

Im November schätzte der World Gold Council, dass die offiziellen Finanzinstitute der Welt im Verlauf der ersten drei Quartale bereits 673 Tonnen gekauft hatten. Allein im dritten Quartal kauften die Zentralbanken demnach fast 400 Tonnen Gold. Dies war der größte dreimonatige Kaufrausch seit Beginn der vierteljährlichen Aufzeichnungen im Jahr 2000.

Allerdings übertreffen die eigentlich konservativen Schätzungen des World Gold Council die von den einzelnen Zentralbanken an den Internationalen Währungsfonds (IWF) gemeldeten Käufe deutlich. Laut dem IWF hatten die einzelnen Zentralbank für die neun Monate von Januar bis September Goldkäufe im Umfang von lediglich 333 Tonnen gemeldet.

Die Diskrepanz zwischen den Schätzungen des World Gold Council und den Zahlen, welche die Zentralbanken dem IWF offiziell gemeldet haben, lässt sich jedoch erklären. Zum einen melden einige Zentralbanken ihre Goldkäufe erst mit deutlicher Verzögerung. Zum anderen können staatliche Stellen Gold kaufen und halten, ohne es als Reserven zu melden.

Die chinesische Zentralbank (People's Bank of China) hat kürzlich mitgeteilt, dass sie ihre Goldbestände im November zum ersten Mal seit 2019 aufgestockt hat, und zwar um 32 Tonnen. Die Goldindustrie sagt jedoch, dass die chinesischen Käufe mit Sicherheit höher sind. Laut Mark Bristow, dem Vorstandsvorsitzenden von Barrick Gold, dem zweitgrößten Goldförderer der Welt, hat China Gold im Bereich von 200 Tonnen gekauft.

Für Russlands Goldminenindustrie, die nach Chinas Goldminenindustrie die größte der Welt ist, haben die Sanktionen des Westens erhebliche Probleme im Export geschaffen. Nach Angaben des Schweizer Goldraffinerie- und Handelsunternehmens MKS PAMP produziert Russland jährlich etwa 300 Tonnen, hat aber nur einen Inlandsmarkt von 50 Tonnen.

Neben den Sanktionen der Goldexporte haben westliche Regierungen Russlands Devisenreserven in Höhe von 300 Milliarden Dollar durch Sanktionen eingefroren. Laut Nicky Shiels, Metallstratege bei MKS PAMP, hat dies die Länder außerhalb des Westens dazu veranlasst, sich zu fragen: "Sollten wir so viele Dollars halten, wenn die USA und westliche Regierungen diese jederzeit beschlagnahmen können?"

Russlands Goldkäufe sind eine Wiederholung der südafrikanischen Strategie während der Apartheid-Sanktionen, den heimischen Bergbau durch den Kauf des gelben Metalls in Landeswährung zu unterstützen, sagt Adrian Ash von BullionVault. "Angesichts der Beschränkungen auf der Exportseite macht es Sinn, dass es die russische Zentralbank ist", sagte Giovanni Staunovo, Rohstoffanalyst bei UBS.

Die russische Zentralbank hat kurz nach Kriegsbeginn aufgehört, monatliche Zahlen zu ihren Reserven zu melden. Beamte der Notenbank haben die Vermutung zurückgewiesen, dass sie Gold kauft. "Unsere Gold- und Devisenreserven sind ausreichend. Wir haben nicht die Aufgabe, Gold- und Devisenreserven anzuhäufen", sagte Gouverneurin Elvira Nabiullina Mitte Dezember.

Dennoch legen die russischen Zentralbanker seit langem strategischen Wert auf die Erhöhung der Goldreserven. Im Jahr 2006 erklärte die Bank, dass es wünschenswert wäre, wenn Gold 20 bis 25 Prozent ihrer Devisenbestände ausmachen würde. im Februar 2022, als die russische Zentralbank zum letzten Mal ihre statistischen Daten veröffentlichte, lag der Goldanteil bei 20,9 Prozent.

Nach Angaben der Schweizer Privatbank Julius Bär hat die russische Zentralbank ihre Bestände an US-Staatsanleihen von mehr als 150 Milliarden Dollar im Jahr 2012 auf nur noch 2 Milliarden Dollar reduziert und gleichzeitig ihre Goldreserven um mehr als 1.350 Tonnen erhöht. Bei aktuellen Marktpreisen entspricht die Erhöhung der russischen Goldreserven fast 80 Milliarden Dollar.

Carsten Menke, Leiter des Next-Generation-Research bei Julius Bär, geht davon aus, dass die Käufe Russlands und Chinas darauf hindeuten, dass sich die Länder immer weniger auf den Dollar verlassen wollen. "Die Botschaft dieser Zentralbanken, die einen größeren Anteil ihrer Reserven in Gold anlegen, ist, dass sie nicht vom Dollar als Hauptreservewährung abhängig sein wollen."

In der Branche wird spekuliert, dass die Regierungen des Nahen Ostens die Exporteinnahmen aus fossilen Brennstoffen nutzen, um Gold zu kaufen, höchstwahrscheinlich über Staatsfonds. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob die Rekordkäufe der Zentralbanken ein opportunistischer Spurt waren, als die Goldpreise fielen, oder ob es sich um eine eher strukturelle Veränderung handelt.

Nach Ansicht von Bernard Dahdah, einem leitenden Rohstoffanalysten bei der französischen Investmentbank Natixis, sagte, bedeuten die Deglobalisierung und die geopolitischen Spannungen, dass das Streben der Zentralbanken außerhalb des Westens nach einer Diversifizierung weg vom Dollar "ein Trend ist, der sich mindestens ein Jahrzehnt lang nicht ändern wird".



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