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Grüner Wasserstoff – Ein Schlüsselrohstoff, bei dem Europa ins Hintertreffen zu geraten droht

Lesezeit: 5 min
18.01.2023 14:00
Grüner Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle für Europas Energiewende. Das Rennen könnte aber schon gelaufen sein, bevor es überhaupt richtig begonnen hat.
Grüner Wasserstoff – Ein Schlüsselrohstoff, bei dem Europa ins Hintertreffen zu geraten droht
Grüner Wasserstoff gilt als Schlüsselrohstoff: die EU droht den Anschluss zu verpassen. (Foto: dpa)

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Bei Wasserstoff handelt es sich um einen Energieträger mit vielfältigen Einsatzgebieten. Sein wichtigster Anwendungsbereich findet sich in der Industrie, insbesondere der Chemie- und Stahlindustrie, wo es als Erdöl- und Kohleersatz funktioniert, sowie als alternativer Brennstoff für die Öfen in der Glas- und Zementherstellung.

Im Verkehr kann Wasserstoff entweder direkt als Treibstoff genutzt werden oder auch, in dem es dort als Basis zur Herstellung anderer synthetischer Kraftstoffe dient, mit denen zum Beispiel nur schwer elektrifizierbare Segmente, wie der Schiffs- und Flugzeugverkehr, bedient werden können.

Darüber hinaus kann Wasserstoff, wenn auch nur in geringen Mengen, dem bestehenden Erdgasnetz beigemischt und zur Wärmeerzeugung verbrannt werden - ohne CO2-Emissionen versteht sich. In Brennstoffzellen wird Wasserstoff mit Sauerstoff gemischt, um Wasser und Elektrizität zu erzeugen.

Was ist grüner Wasserstoff?

Wasserstoff ist zwar ein farbloses Gas, die Unterscheidung nach grauem, blauem, türkisem und eben grünem Wasserstoff bezieht sich allein auf dessen Produktionsmethode.

Derzeit wird der größte Teil des Wasserstoffs, die „graue“ Variante, durch die Trennung von Erdgasmolekülen gewonnen, was jedoch energieaufwändig ist und zudem erhebliche Mengen CO2 emittiert. Blauer Wasserstoff wird auf dieselbe Art produziert, da jedoch das entstandene CO2 gespeichert wird, gilt er als emissionsarmer Kraftstoff. Türkisen Wasserstoff erhält man durch die thermische Spaltung von Methan, als Abfallprodukt entsteht fester Kohlenstoff. Diese Methode spielt auf industrieller Ebene jedoch keine Rolle. Im wesentlichen emissionsfrei ist lediglich der sogenannte grüne Wasserstoff. Dieser wird mittels Elektrolyse gewonnen, ein Verfahren, bei dem elektrischer Strom durch Wasser in ein als Elektrolyseur bezeichnetes Gerät geleitet wird, um Wasserstoffatome von Sauerstoff zu trennen. „Grün“ wird der Wasserstoff dadurch, dass der für den Betrieb des Elektrolyseurs verwendete Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.

Da Sonnenkollektoren und Windturbinen bezüglich der laufenden Energiewende nicht alles richten können, die Öfen der Stahlindustrie beispielsweise benötigen weitaus höhere Temperaturen, als sie Elektroöfen liefern, gilt es, ehrgeizige Pläne zu verwirklichen. Dazu muss eine riesige Industrie fast von Grund auf aufgebaut werden.

In der Europäischen Union wurde Wasserstoff in den Green-Deal-Plan eingeschlossen, mit einer Investition von 470 Milliarden Euro bis Mitte des Jahrtausends, um einen globalen Wasserstoffmarkt zu etablieren. Sie hat sich das durchaus herausfordernde Ziel gesetzt, bis 2030 Elektrolyseure zu bauen, die erneuerbaren Strom in einer Größenordnung von 40 Gigawatt umwandeln sollen, und Deutschland sieht grünen Wasserstoff als wichtigen Bestandteil in seinem Weg zur Emissionsfreiheit. In den USA postulierte Präsident Joe Biden das Ziel, die Kosten für grünen Wasserstoff noch in der laufenden Dekade um 80 Prozent zu senken, und Industriegruppen fordern Steuergutschriften und Subventionen für die Wasserstoffproduktion und Umrüstung von Erdgaspipelines für dessen Transport.

China ist bestens aufgestellt

Wasserstoff gewinnt also als Energieträger hierzulande vor allem im Kontext der deutschen Energiewende, aber auch global vor dem Hintergrund der ehrgeizigen internationalen Klimaziele, mehr und mehr an Bedeutung. Insbesondere der sogenannte „grüne Wasserstoff“ steht dabei im Mittelpunkt des Interesses.

Vor gut einem Jahrzehnt nutzte China niedrige Preise, um die weltweite Solarproduktion zu dominieren. Nun erleben Europa und die USA geradezu ein Déjà Vue, denn bei Elektrolyseuren, einem Schlüsselelement zur Produktion dieser nächsten Generation sauberer Energie, liegen die Chinesen abermals vorn. Dabei ergibt sich der Wettbewerbsvorteil chinesischer Fabriken hinsichtlich der Produktion von grünem Wasserstoff vor allem durch die Fähigkeit, Elektrolyseure zu einem Bruchteil der Kosten von westlichen Konkurrenten herzustellen. Dies ist auf billigere Arbeitskräfte und eine besser entwickelte Lieferkette für Komponenten und Rohstoffe zurückzuführen.

Die Nachfrage nach Elektrolyseuren steigt stark an, da immer mehr Branchen eine Dekarbonisierung anstreben, und dies könnte den chinesischen Herstellern helfen, Größenvorteile zu erzielen und ihre ohnehin schon vergleichsweise niedrigen Kosten bereits in den kommenden zwei Jahren um weitere 30 Prozent zu senken. China hatte, auf Grund des Bedarfs anderer Technologiezweige, auch bereits vor der nun geradezu explodierenden Wasserstoff-Nachfrage eine relativ große Industrie zur Herstellung von Elektrolyseuren. Auch dies trägt dazu bei, das chinesische Systeme auf internationalen Märkten mit einem erheblichen Preisnachlass gegenüber westlichen Herstellern angeboten werden, selbst wenn man die zusätzlichen Kosten für Transport und Installation berücksichtigt.

So schlägt ein chinesisches Elektrolysesystem mit Kosten von etwa 320 Euro pro erzeugtem Kilowatt zu Buche, die westliche Konkurrenz liegt etwa 3,5-mal höher. Studien gehen davon aus, dass der Anteil Chinas an den Verkäufen in Europa und den USA bis 2025 zwar noch bei unter 30 Prozent liegen wird, dieser danach jedoch sprunghaft ansteigen dürfte.

Zwar sind chinesische Elektrolyseure nicht so effizient, wie die der westlichen Hersteller, es zeichnet sich jedoch ab, dass zum einen deren Qualität steigt und somit der technologische Fortschritt europäischer und US-amerikanischer Unternehmen schwindet. Zum anderen passen sich die chinesischen Hersteller ganz konkret an den westlichen Bedarf an.

Bislang produzierten chinesische Unternehmen hauptsächlich sogenannte alkalische Elektrolyseure, die sich durch niedrigere Anschaffungskosten auszeichnen, aber für die Wasserstofferzeugung viel Strom benötigen. Im Gegensatz dazu konzentrieren sich US-amerikanische und europäische Unternehmen auf "Festoxid"- und "Protonenaustauschmembran"-Elektrolyseure (PEM). Diese sind zwar in der Anschaffung teurer, brauchen aber weniger Strom, was in Regionen mit hohen Strompreisen ein wichtiges Argument ist.

Chinesische Hersteller arbeiten jedoch bereits mit Hochdruck daran, PEM-Elektrolyseure zu entwickeln sowie ihre alkalischen Produkte zu verbessern und damit in ausländische Märkte vorzustoßen. Für nicht wenige Abnehmer dürfte jedoch ohnehin der erhebliche Preisvorteil das entscheidende Argument bleiben und helfen, den Marktanteil in Übersee so oder so deutlich auszubauen.

Nicht wieder überrumpeln lassen

Der Westen ist angesichts der sich abzeichnenden abermaligen Dominanz Chinas in einer der zukünftigen Schlüsselindustrien alarmiert und auf politischer, wie unternehmerischer, Ebene entschlossen, die Erfahrungen hinsichtlich der Solarenergie nicht noch einmal zu machen.

So haben Europa und die USA die weltweit proaktivste Förderpolitik für die Wasserstoffindustrie. Zudem verzeichnet auch die Produktion von Elektrolyseuren einen regelrechten Boom und eine Vielzahl von Wasserstoffanlagen sind bereits im Bau befindlich. Schätzungen zufolge wird die weltweite Produktion von Elektrolyseuren bis zum Ende des Jahrzehnts um mehr als das 90-fache steigen müssen, um die Nachfrage danach decken zu können.

In den USA hat Präsident Joe Biden mit Einführung des Inflation Reduction Act, der auch erhebliche Mengen an Kapital für die heimische Wasserstoffproduktion bereitstellt, sehr deutlich gemacht, dass das Land China als Konkurrent versteht, nicht mehr als Partner. Die USA zeigen damit klar, dass sie zu verhindern gedenken, China die Kontrolle über den neuen Energieboom zu überlassen. Großzügige Subventionen für lokale Anbieter sollen diese zudem konkurrenzfähig halten.

In dieser Hinsicht haben die USA übrigens von China gelernt: während die chinesische Zentralregierung seinerzeit die heimische Solarbranche mit Subventionen massiv unterstützt und mit dieser Politik ganz wesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat, erfährt die dortige Wasserstoffindustrie bislang keine vergleichbare Unterstützung. Bislang gibt es lediglich einen staatlichen Entwicklungsplan, Geld, in Form nennenswerter Subventionen, fließt bislang jedoch nicht. An dieser Stelle haben die USA den Spieß einmal umgedreht, deren Wasserstoffpolitik wirkt deutlich wie eine Kopie des chinesischen Originals.

Europa verliert den Anschluss

Während die USA mit großen Schritten vorangehen, droht Europa einmal mehr an sich selbst zu scheitern. Zwar ist das Interesse an dieser aufstrebenden Industrie groß - ein nach in hiesigen Maßstäben in Windeseile erbautes wasserstofffähiges LNG-Terminal an der heimischen Nordseeküste samt vollfunktionsfähiger Infrastruktur kündet ja schon beinahe von nicht mehr für möglich gehaltener Tatkraft -, jedoch scheinen die Ziele der EU zu ambitioniert und kaum erreichbar.

Im Wege stehen, wie sollte es anders sein, zuvorderst bürokratische Hürden. Der vorgesehene Plan zur Produktion von zehn Millionen Tonnen Wasserstoff pro Jahr bis zum Ende des Jahrzehnts erscheint mehr als fragwürdig, wenn in Brüssel noch nicht einmal darüber entschieden worden ist, welche Produktionsmethoden überhaupt als vollständig „grün“ gelten sollen.

Unternehmen und Investoren tun sich unter solchen Voraussetzungen durchaus schwer, große Wasserstoffprojekte anzugehen, und üblicherweise verlagern sich unter derartigen Umständen Marktanteile in andere Regionen. Während der Gewinner des Rennens um die Dominanz bei dieser Zukunftstechnologie noch zwischen China und den USA auszuspielen ist, scheint sich Europa von vornherein gar nicht daran beteiligen zu wollen.

                                                                            ***

Markus Grüne (49) ist langjähriger professioneller Börsenhändler in den Bereichen Aktien, Derivate und Rohstoffe. Seit 2019 arbeitet er als freier Finanzmarkt-Journalist, wobei er unter anderem eigene Börsenbriefe und Marktanalysen mit Fokus auf Rohstoffe publiziert. 


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