Politik

Streiks gegen Macrons Rentenreform legen Frankreich lahm

Lesezeit: 2 min
19.01.2023 11:28  Aktualisiert: 19.01.2023 11:28
In Frankreich kommt der Zugverkehr zum Erliegen, viele Schulen bleiben geschlossen. Grund sind landesweite Streiks gegen die Rentenreformpläne von Präsident Macron. Aufgrund der Streiks muss das Land sogar mehr Strom aus dem Ausland beziehen.
Streiks gegen Macrons Rentenreform legen Frankreich lahm
Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich, hält während einer kollektiven Preisverleihung für prominente Sportler im Elysee-Palast eine Rede. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

In Frankreich haben landesweite Streiks gegen die Rentenreformpläne der Regierung große Teile des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Der Zugverkehr kam am Donnerstag weitgehend zum Erliegen. Der öffentliche Nahverkehr war stark gestört. Laut dem Bahnbetreiber SNCF verkehrten kaum Regionalzüge und die Hochgeschwindigkeits-TGV-Linien waren deutlich ausgedünnt.

Zudem blieben viele Schulen geschlossen und Raffinerien wurden blockiert. Gewerkschaften hatten die Beschäftigten aufgerufen, die Arbeit niederzulegen und gegen die von Präsident Emmanuel Macron geplante Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters um zwei auf 64 Jahre auf die Straße zu gehen.

Zugverkehr, Raffinerien und Schulen werden bestreikt

Zahlreiche Protestkundgebungen im Land sollen der Forderung nach einer Abkehr von den unpopulären Reformplänen Nachdruck verleihen, die als ein Schlüsselprojekt in Macrons zweiter Amtszeit gilt. Die Streiks wirkten sich auch auf die Stromerzeugung aus. Daten des Versorgers EDF und des Netzbetreibers RTE zeigten, dass sie um 7,8 Gigawatt (GW) zurückging, was etwa zwölf Prozent der gesamten Stromversorgung entspricht.

Frankreich musste daher verstärkt Strom aus Großbritannien, Belgien, Deutschland, der Schweiz und Spanien importieren. Und Atomkraftwerke im Land würden wahrscheinlich hochgefahren, um die Netzstabilität tagsüber zu gewährleisten, meint Analyst Emeric de Vigan: "So funktionieren Streiks in Frankreich: Streikende dürfen die Versorgungssicherheit nicht gefährden."

Die Gewerkschaft CGT erwartet, dass sich mindestens 70 Prozent ihrer Beschäftigten im Raffineriesektor an den vier Raffineriestandorten des Konzerns TotalEnergies der Streikaktion anschließen. Es sei keine Unterbrechung der Kraftstoffversorgung an Tankstellen zu erwarten, wenn die Gewerkschaften sich an ihren Streikplan hielten, erklärte TotalEnergies.

Landesweite Proteste gegen Macrons Rentenreform

Der CGT-Raffinerie-Gewerkschaftsverband hat diese Woche zu einem einzigen Streiktag und zu weiteren Arbeitsniederlegungen nächste und übernächste Woche aufgerufen. Der Donnerstag ist laut CGT nur der Auftakt der Protestwelle, dem weitere Streiktage folgen würden.

Die Regierung verteidigt ihre Pläne damit, dass sie die Rente zukunftssicher machen wolle. „Diese Reform ist nötig und fair“, sagte Arbeitsminister Olivier Dussopt im Fernsehsender LCI. Die Gewerkschaften argumentieren, dass es andere Möglichkeiten gebe, beispielsweise Super-Reiche stärker zur Kasse zu bitten oder die Arbeitgeberbeiträge anzuheben.

Der Rückhalt in der Bevölkerung für die Protestwelle ist groß: In einer Umfrage nach Bekanntgabe der Reformpläne durch Ministerpräsidentin Elisabeth Borne hielt ein Großteil der Befragten Streiks als Protestmittel für angebracht. In Frankreich gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Versuche der Regierung, das Rentensystem zu reformieren – es ist eines der großzügigsten und teuersten in Europa.

Ob die Gewerkschaften genügend Arbeitnehmer mobilisieren können, um das Vorzeigeprojekt Macrons zu kippen, ist laut Experten eine offene Frage: „Was niemand wissen kann, und nicht einmal die Gewerkschaften wissen, ist, ob der Groll der Franzosen groß genug ist, um das Land zu blockieren“, sagte der Politologie-Professor Bruno Palier von der Pariser Hochschule Sciences Po.

Die Gewerkschaften hatten Mitte der 90er Jahre mit einer mehrwöchigen Streikwelle erfolgreich den Versuch der damaligen konservativen Regierung torpediert, das Renten- und Sozialversicherungssystem neu auszurichten. Und Ende 2019 sah sich Macron bei seinem ersten Versuch einer Rentenreform bereits mit massiven Protesten konfrontiert, bevor er angesichts der aufgekommenen Pandemiewelle die Pläne auf Eis legte.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ressource Nummer 1 auf unserem blauen Planeten – das Geschäft um Trinkwasser
28.04.2024

Lange war es eine Selbstverständlichkeit, dass es genug Wasser gibt auf der Welt. Und bei uns ist das ja auch ganz einfach: Hahn aufdrehen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Konfliktlösung ohne Gericht: Verbraucherschlichtung als Chance für Ihr Business
27.04.2024

Verabschieden Sie sich von langwierigen Gerichtsverfahren! Mit dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) senken Sie Ihre Kosten,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Krieg in der Ukraine: So ist die Lage
27.04.2024

Wegen Waffenknappheit setzt der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskyj, auf Ausbau der heimischen Rüstungsindustrie, um sein Land...

DWN
Finanzen
Finanzen Hohes Shiller-KGV: Sind die Aktienmärkte überbewertet?
27.04.2024

Bestimmte Welt-Aktienmärkte sind derzeit sehr teuer. Diese sind auch in Indizes wie dem MSCI World hoch gewichtet. Manche Experten sehen...

DWN
Finanzen
Finanzen EM 2024 Ticketpreise explodieren: Die Hintergründe
27.04.2024

Fußball-Enthusiasten haben Grund zur Freude: Es besteht immer noch die Chance, Tickets für die EM 2024 zu erwerben. Allerdings handelt es...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Deutschland als Unternehmensstandort: Zwischen Herausforderungen und Chancen
27.04.2024

Trotz seines Rufes als europäischer Wirtschaftsmotor kämpft Deutschland mit einer Vielzahl von Standortnachteilen. Der Staat muss...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands herrenlose Häuser: Eine Chance für den Markt?
27.04.2024

Herrenlose Immobilien - ein kurioses Phänomen in Deutschland. Es handelt sich hier um Gebäude oder Grundstücke, die keinen...

DWN
Finanzen
Finanzen Reich werden an der Börse: Ist das realistisch?
27.04.2024

Viele Anleger wollen an der Börse vermögend werden. Doch ist das wahrscheinlich - oder wie wird man tatsächlich reich?