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Auto-Zulieferer: Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig

Zulieferbetriebe aus der Automobilbranche sind sich einig: der Standort Deutschland verliert rapide an Wettbewerbsfähigkeit.
05.03.2023 08:00
Lesezeit: 5 min
Auto-Zulieferer: Deutschland ist nicht mehr wettbewerbsfähig
Deutschland ist Auto-Zulieferern zufolge nicht mehr wettbewerbsfähig. (Foto: dpa) Foto: Arno Burgi

Eine große Mehrheit der deutschen Zulieferer aus dem Automobilbereich hält den Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich für nicht mehr wettbewerbsfähig.

Zu diesem Ergebnis kommt eine interne Umfrage, die der Verband der Automobilindustrie (VDA) unter 116 Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat und aus der die Berliner Morgenpost zitiert. Demnach geben 88 Prozent der befragten Betriebe an, dass Deutschland aus ihrer Sicht nicht mehr wettbewerbsfähig sei. Nur sieben Prozent bezeichnen den heimischen Standort noch als konkurrenzfähig.

Cocktail aus Negativfaktoren

Die VDA-Mitglieder verweisen auf mehrere Faktoren, die die hiesige Standortqualität mindern: enorm hohe Energiepreise, zu viel Bürokratie, zu hohe Steuern und Abgaben, schwierige Finanzierungsbedingungen sowie ein Mangel an Fachkräften.

Zumindest auf dreien dieser Felder könnte die Bundesregierung aus eigener Kraft relativ schnell Verbesserungen herbeiführen:

So sind die im internationalen Vergleich sehr hohen Energiepreise in Deutschland letztlich eine direkte Folge der Energiewende, insbesondere der Abschaltung von Atom- und Kohlekraftwerken und deren Ersatz durch schwankungsanfällige Strom-Erzeugungssysteme wie Windräder und Solarparks. Der Entschluss der Bundesregierung, kein Gas und Öl mehr aus Russland zu beziehen - obwohl andere europäische Länder dies weiter tun - hat die Situation zusätzlich verschärft und zu einer Krise bei der Energieversorgung geführt.

Lesen Sie dazu: Autobauer: Hohe Energiepreise verdrängen Industrie aus Europa

Auch auf die Ausgestaltung des Steuerssystems sowie auf die überbordende Bürokratie, welche Unternehmensverbände immer wieder als großen Nachteil des deutschen Standortes bezeichnen, hat die Politik direkten Einfluss. Die Bundesregierung und die Landesregierungen könnten deshalb vergleichsweise rasch Erleichterungen beschließen. Allerdings stößt die EU mit ihren zahlreichen Regulierungsvorschriften und Verboten zunehmend in das deutsche Recht vor und ist deshalb für einen Teil der bürokratischen Last mitverantwortlich.

Verbrenner-Verbot löst Kahlschlag aus

Aus Sicht der Automobilbranche und insbesondere seiner Zulieferer dürfte das größte Problem jedoch in dem von der Politik verordneten Verbot von Verbrennungsmotoren liegen. Schätzungen zufolge wird dieses europaweit zum Abbau hunderttausender Arbeitsplätze in der Autoindustrie führen. Schon streichen Zuliefer-Unternehmen wie Schäffler tausende Arbeitsplätze, weil der Bau von Elektroautos weitaus weniger Komponenten und Expertise benötigt als der Bau von Fahrzeugen mit Verbrennungsantrieb.

Bemerkenswert ist, dass die politisch geforderte Alternative zu Verbrennern, nämlich Elektroautos, trotz staatlichen Milliarden-Subventionen aus Steuergeldern bis heute nicht wettbewerbsfähig sind - weder was die Reichweiten noch was das Ladeproblem betrifft. Die nicht vorhandene Wettbewerbsfähigkeit zeigt sich unter anderem darin, dass die Verkaufszahlen einbrechen, weil die Bundesregierung die Fördersummen kürzt.

Der Auftragseingang bei E-Autos sei deutlich rückläufig, teilte der Branchenverband ZDK am Mittwoch mit. Diese Tendenz sei schon seit dem dritten Quartal 2022 zu verzeichnen und setze sich zu Beginn dieses Jahres fort, wie eine Umfrage der Zeitschrift kfz-betrieb ergebe. Vor allem die Nachfrage nach Plug-In-Hybriden, die sowohl mit Strom als auch mit einem Verbrennungsmotor angetrieben werden, gehe stark zurück. Aber auch batteriebetriebene Fahrzeuge würden weniger stark nachgefragt.

Die Förderung für Plug-in-Hybride wurde zum Jahresauftakt ganz gestrichen. Rein elektrische Fahrzeuge mit Nettolistenpreis bis zu 40.000 werden nur noch mit 4.500 statt mit 6.000 Euro bezuschusst, bei einem höheren Nettolistenpreis bis 65.000 Euro sinkt die Subvention auf 3.000 von 5.000 Euro. Auch der Auto-Branchenverband VDA rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang des Marktanteils von Elektroautos.

Angesichts der absehbaren Schäden, die das Verbot von Verbrennungsantrieben in der EU anrichten dürfte, regt sich verstärkt Widerstand und Verkehrsminister Wissing versucht inzwischen, das Verbot aufzuweichen.

Lesen Sie dazu: EU-Kommissar warnt vor den Folgen des Verbrenner-Verbots

Industrie warnt vor Steuererhöhungen

Mit Blick auf die finanzpolitische Debatte innerhalb der Bundesregierung warnte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) kürzlich vor weiteren Belastungen. „Der deutsche Staat hat kein Einnahmeproblem“, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Steuerquote sei auf dem höchsten Niveau seit Jahrzehnten. „Neue Steuerbelastungen oder gar Steuererhöhungen sind Gift für die Wirtschaft.“

Im Zuge der Aufstellung des Etats für 2024 sind Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) aneinandergeraten. Im Kern geht es um die Frage, ob und wie mehr Einnahmen geschaffen werden können und welche Vorhaben Priorität haben sollen. Die Ressorts haben zusätzliche Wünsche in Milliardenhöhe. Während Habeck dabei auch zusätzliche Staatseinnahmen ins Spiel brachte, lehnt Lindner Steuererhöhungen ab.

Russwurm plädierte für „strukturelle Verbesserungen und Entlastungen“ zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. „Es muss darum gehen, industrielle Wertschöpfung, Beschäftigung und Wohlstand im Industrieland Deutschland zu erhalten.“ Es sei Aufgabe der Bundesregierung, Projekte und Ausgabenwünsche zu priorisieren.

„Die Wirtschaft muss sich auf den Koalitionsvertrag verlassen können, der Steuererhöhungen oder sonstige strukturelle Belastungen für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen ausschließt“, erklärte Russwurm. „Im Mittelpunkt müssen Zukunftsinvestitionen in digitale Transformation und Klimaschutz sowie eine nachhaltige und verlässliche Energieversorgung stehen. Das Ziel ist klar: mehr Investitionen am Standort Deutschland.“

Die Verschlechterung bei zentralen Standortfaktoren schreckt viele Unternehmen inzwischen von Investitionen in Deutschland ab – zumindest ist auch dies ein Ergebnis der Umfrage. Demnach „möchten 28 Prozent der Unternehmen ihre Investitionen ins Ausland verlagern. 14 Prozent möchten ihre Investitionstätigkeiten in diesem Jahr sogar ganz streichen, weitere 28 Prozent werden ihre Investitionen verschieben. Nur 2 Prozent der befragten Zulieferer wollen in diesem Jahr mehr investieren“, schreibt die Berliner Morgenpost.

Entspannt hat sich die Lage dagegen bei der Versorgung mit Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten. 42 Prozent der befragten Unternehmen berichten hier von einer Verbesserung und nur noch 12 Prozent erkennen eine Verschlechterung im Vergleich zum Vorjahr.

Bedenklich ist allerdings, dass 44 Prozent der VDA-Zulieferer keine Veränderung der Situation registrieren. Da es beim Bezug von Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten im Jahr 2022 teilweise erhebliche Probleme gab, spiegelt dieser Wert per se keine positive Entwicklung wider.

Auch Großkonzerne werden nervös

In den vergangenen Monaten hatten mehrere Großkonzerne angekündigt, künftig verstärkt im Ausland zu investieren. Allen voran die hohen Energiepreise und die Steuerbelastung mache Deutschland als Wirtschaftsstandort zunehmend unattraktiv, ließ beispielsweise der unter Druck geratene Chemiekonzern BASF verlauten. Insgesamt drohe Europa von anderen Kontinenten abgehängt zu werden, wenn sich nicht schnell etwas ändere.

Wegen dem von der Bundesregierung verhängten Boykott russischen Erdgases muss BASF nun eine seiner beiden Ammoniakanlagen im Stammwerk Ludwigshafen stilllegen.

Arbeitgeber: Deutschland verliert an Wettbewerbsfähigkeit

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht Unternehmen in Deutschland zunehmend unter Druck. Dulger sagte Anfang Februar vor Journalisten in Berlin, Digitalisierung, Dekarbonisierung und demografischer Wandel überlappten sich, der internationale Wettbewerb sortiere sich gerade neu. Deutschland verliere an Wettbewerbsfähigkeit.

„Deutschland steht vor dem größten wirtschaftlichen Umbruch seit Bestehen der Bundesrepublik“, sagte Dulger. Er sprach von einem „Krisencocktail“ aus Strukturwandel, Krieg, Inflation, Energieunsicherheit und Corona.

Das Land befinde sich an einem kritischen Punkt. Die Politik müsse die richtigen Weichenstellungen vornehmen. „Der Tanker Deutschland muss auf neuen Kurs gebracht werden.“

Dulger forderte mehr Dynamik in der Wirtschaft und mehr Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Grundlage seien Bildung, Innovation, Technologieoffenheit, aber auch ein flexibler Arbeitsmarkt. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände bemängelte hohe Energiekosten, eine verschlafene Digitalisierung und immer mehr Bürokratie. „Wir verlieren im Moment Strukturen ins Ausland.“

Die Unternehmen bräuchten mehr Freiräume und müssten entlastet werden, sagte Dulger. „Wir brauchen weniger Regulierung, wir brauchen mehr Tempo, wir brauchen mehr Ehrgeiz.“ Er fügte hinzu: „Wir brauchen mehr Lust aufs Arbeiten.“ Die Arbeitswelt verändere sich. Es brauche mehr Möglichkeiten für mobiles Arbeiten, aber auch flexiblere Arbeitszeiten. Das Arbeitszeitgesetz sei veraltet.

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