In Deutschland ist Cannabis längst kein Tabu-Thema mehr: Mit einem geschätzten jährlichen Konsum von 500 bis 800 Tonnen und einer Gesamtzahl von etwa 3,3 Millionen Konsumenten wird die Forderung nach einer Legalisierung immer lauter.
Am 12. April 2023 stellten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) die aktuellen Pläne der Ampelkoalition zur Cannabis-Legalisierung (Eckpunkte zur Cannabis-Legalisierung) vor.
Lauterbach äußerte sich hierzu wie folgt: „Cannabis ist ein weit verbreitetes Genussmittel. Es wird in Deutschland oft illegal angeboten und genutzt. Damit gefährdet es häufig die Gesundheit (…). Die Schwarzmarktware ist häufig verunreinigt und schafft zusätzliche Gesundheitsgefahren (…). Deswegen wagen wir die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in klaren Grenzen und drängen den Schwarzmarkt zurück, flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche. Der Gesundheitsschutz steht dabei im Vordergrund (…).“
Cannabis-Social-Clubs (CSCs): Legalisierung für den Eigenanbau?
Kernpunkt der Legalisierung ist die Einführung sogenannter „Cannabis-Social-Clubs (CSCs)“. Diese nicht gewinnorientierten Einrichtungen können ihre Mitglieder künftig mit Cannabisprodukten aus eigenem Anbau versorgen. Nach den Plänen der Ampelkoalition sollen sich dort bis zu 500 Mitglieder zusammenschließen können, um Cannabis für den Eigenkonsum anzubauen.
Personen über 21 Jahren dürfen innerhalb des Vereins bis zu 25 Gramm Gras täglich und bis zu 50 Gramm pro Monat erwerben. Für Personen unter 21 Jahren ist der Erwerb auf 30 Gramm begrenzt und Minderjährige sollen weiterhin keinen Zugang zu Cannabis haben. Auch können Mitglieder bis zu sieben Samen für den persönlichen Anbau zu Hause zu erwerben.
Ähnliche Modelle gibt es auf Malta und in Spanien. Malta ist seit Februar 2023 das erste europäische Land, das Cannabis-Social-Clubs vollständig legalisiert hat. Allerdings mit strikten Auflagen und extrem hohen Gründungsanforderungen - weshalb es bislang noch keinen einzigen CSC auf der Insel gibt.
Begünstigen CSCs kriminelle Strukturen und fördern den Schwarzmarkt?
In Spanien sind CSCs bereits weit verbreitet, da der Cannabis-Anbau zur eigenen Versorgung dort nicht strafbar ist. Allein in Barcelona gibt es mehrere hundert solcher Clubs. Allerdings sind die Clubs nur geduldet und nicht legalisiert, was laut Experten kriminelle Strukturen begünstigen könnte.
Fraglich ist, ob eine hauseigene Cannabis-Produktion von CSCs überhaupt ausreichen kann, um den Gesamtbedarf an Drogen zu decken. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Einrichtungen zusätzlich Cannabis vom Schwarzmarkt beziehen.
Erfahrungen aus Spanien zeigen, dass die Kriminalität im Zusammenhang mit Cannabis eher zugenommen hat. Die spanische Polizei beschreibt die Region Kataloniens mittlerweile als das Epizentrum des illegalen Cannabismarktes in Europa. Nach Angaben des Innenministeriums wurden im Jahr 2022 allein in Katalonien fast 600.000 Cannabis-Pflanzen beschlagnahmt.
Einige Experten und Politiker sprechen sich daher für staatlich kontrollierte Anbaustellen in Deutschland aus. Andere schlagen vor, dass private Unternehmen, welche eine Lizenz vom Staat erhalten, für den Anbau von Cannabis verantwortlich sein sollten.
Eigenanbau erlaubt! Drohen jetzt Cannabis-Plantagen in der Nachbarschaft?
In jedem Fall muss die deutsche Regierung Maßnahmen treffen, dass die Kriminalität mit Cannabis durch eine Legalisierung nicht zunimmt. In diesem Zusammenhang erscheint problematisch, dass die Politik den Anbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zu Hause erlauben will. Denn dies führt zu der Frage, wie viel Cannabis sich hierdurch legal in Eigenregie produzieren ließe.
Unter optimalen Bedingungen könnte etwa ein halbes Kilo Cannabis pro Jahr aus drei Pflanzen gewonnen werden. Wenn mehrere volljährige Personen in einem Haushalt leben, wären sogar größere Cannabis-Plantagen völlig legal. Personen könnte so in Versuchung geraten, die legal angebauten Drogen illegal weiter zu verkaufen. Im schlimmsten Fall gelangen dadurch erhebliche Mengen an Cannabis auf dem Schwarzmarkt, die nicht kontrolliert und reguliert werden können.
Außerdem besteht das Risiko, dass es bei der Produktion zu Fehlern kommt, wenn jeder Bürger Cannabis anbauen darf. Infolgedessen drohen gesundheitliche Risiken durch eventuelle Verunreinigungen, obwohl Lauterbach damit argumentiert, dass durch die Legalisierung gerade die Qualität von Cannabis sichergestellt werden soll.
Hohe Abgabemengen von 25 Gramm Gras in CSCs und unzureichender Jugendschutz!
Zudem erscheint die derzeit vorgesehene Abgabemenge von täglich 25 Gramm Gras pro CSC-Mitglied als sehr hoch. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Einzelperson, die verantwortungsbewusst mit Cannabis umgeht, diese Menge konsumieren wird. Die Gefahr besteht, dass ein leichter Zugang zu solch großen Mengen an Cannabis den illegalen Drogenhandel eher noch fördert.
Und auch beim Jugendschutz bleiben Zweifel. Obwohl der Zugang zu den Clubs nur für Erwachsene ab 18 Jahren vorgesehen ist, ist unklar, wie kontrolliert werden soll, dass Minderjährige keinen Zutritt haben und Cannabis aus den Clubs nicht an Jugendliche weitergegeben wird. Die von Lauterbach angekündigten „flankierenden Präventionsmaßnahmen für Jugendliche“ sind bislang nicht hinreichend konkretisiert.
Weitere Debatten über wirksame Maßnahmen zum Schutz von Minderjährigen vor den Risiken des Cannabiskonsums sind daher unverzichtbar. Es bedarf tragfähiger politischer Lösungen, insbesondere weil auch Experten vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen einer Cannabis Liberalisierung bei Jugendlichen warnen.
Cannabis und Autofahren: Kritik an THC-Grenzwert für Fahrtüchtigkeit
Im Bereich des Verkehrsrechts stellen sich weitere Fragen. Obwohl der Grenzwert für THC am Steuer mit 1 Nanogramm THC pro Milliliter Blut festgelegt ist, bezweifeln Kritiker die Zuverlässigkeit dieser Methode. Regelmäßige Konsumenten haben generell höhere THC-Werte im Blut, was zu einer Fehleinschätzung ihrer Fahrtauglichkeit führen kann.
Die Forderung, den THC-Grenzwert zu überprüfen und die Auswirkungen von THC-Konsum auf die Fahrtüchtigkeit neu zu bewerten, wird daher immer lauter. Andernfalls könnten einige Konsumenten ihren Führerschein verlieren - auch wenn sie in den letzten 24 Stunden vor dem Fahrantritt gar kein Cannabis konsumiert haben.
Im Moment bleibt es Autofahrern selbst überlassen, sich darüber im Klaren zu sein, dass der Konsum von Cannabis und das Führen eines Fahrzeugs nicht zusammengehören. Eine Überschreitung des THC-Grenzwertes wird als Straftat behandelt und kann weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen, wie hohe Geldbußen, Fahrverbote, Medizinisch-Psychologische Untersuchungen (MPU) und sogar Haftstrafen.
EU-Politik zur Kontrolle von Drogen: Kann Deutschland Cannabis legalisieren?
Unabhängig von diesen Bedenken gibt es auch EU-rechtliche Hindernisse, denn die EU hat bereits eine gemeinsame Politik zur Kontrolle von Drogen beschlossen. Deutschland könnte eine Cannabis-Legalisierung daher nur mit der Zustimmung der anderen EU-Staaten durchsetzen!
Zwar werden die Niederlande und Portugal oft gerne als Vorbilder in der Debatte über die Legalisierung von Cannabis angeführt - aber auch diese befinden sich in einer rechtlichen Grauzone. Der Verkauf von Cannabis in sogenannten „Coffeeshops“ wird in den Niederlanden geduldet, ist aber nicht offiziell legalisiert. In Portugal wurde der Besitz geringer Cannabis-Mengen entkriminalisiert, aber der Verkauf und die Produktion bleiben illegal.
Eine vollständige Cannabis-Legalisierung ist bislang nur in einigen Ländern außerhalb Europas wie Kanada, Uruguay und einigen US-Bundesstaaten zur Realität geworden. In den USA haben mittlerweile 18 Bundesstaaten sowie der District of Columbia den Freizeitkonsum von Cannabis mit unterschiedlichen Regelungen legalisiert. Colorado hat von 2014 bis Ende 2021 mehr als 1,7 Milliarden US-Dollar an Steuereinnahmen aus dem Verkauf von Cannabis erzielt.
Auch Deutschland könnte durch die Legalisierung von Cannabis erhebliche Steuereinnahmen generieren und neue Geschäftsmöglichkeiten schaffen. Eine Studie des Deutschen Hanfverbands prognostizierte allein durch die Freigabe von medizinischem Cannabis für den Eigenanbau bis zu 90 Millionen Euro Mehreinnahmen an Steuergeldern. Vor diesem Hintergrund könnte eine Cannabis-Legalisierung zweifelsohne auch Chancen für Deutschland bieten.