Deutschland

Urteil im Fall Lina E.: Linksextremisten kündigen bundesweite Randale an

Die Studentin Lina E. wurde vom Oberlandesgericht Dresden wegen linksextremistischer Gewalttaten zu einer Haftstrafe von mehr als 5 Jahren verurteilt. Die linke Szene droht nun mit bundesweiten Vergeltungsmaßnahmen.
01.06.2023 13:21
Aktualisiert: 01.06.2023 13:21
Lesezeit: 3 min
Urteil im Fall Lina E.: Linksextremisten kündigen bundesweite Randale an
Demonstranten aus dem linken Spektrum protestieren gegen das Urteil im Prozess gegen Lina E. (Foto: dpa) Foto: Jan Woitas

Die Studentin Lina E. war am Mittwoch zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht Dresden sprach die aus Kassel stammende 28-Jährige wegen mehrerer Angriffe auf tatsächliche oder vermeintlich Rechtsextreme der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung schuldig.

Lina E.: Anführerin der sogenannten „Hammerbande“

Drei mitangeklagte Männer erhielten Strafen zwischen zwei Jahren und fünf Monaten sowie drei Jahren und drei Monaten. Laut Bundesanwaltschaft haben die Täter zwischen 2018 und 2020 tatsächliche oder vermeintliche Anhänger der rechten Szene in Thüringen und Sachsen brutal zusammengeschlagen. Dabei wurden 13 Menschen verletzt, zwei davon potenziell lebensbedrohlich.

Für Empörung sorgte die Entscheidung des Gerichts, dass Lina E. trotz der mehrjährigen Freiheitsstrafe zunächst wieder auf freien Fuß kommt. Lina E. saß bereits zweieinhalb Jahre in Untersuchungshaft, müsste also noch etwa drei Jahre Haftstrafe verbüßen. Eine Fluchtgefahr erkannte das Gericht offenbar nicht. Dabei befindet sich ihr Lebensgefährte, der ebenfalls der „Hammerbande“ zugerechnet wird, bereits im Untergrund befindet.

Nun wird der Haftbefehl gegen sie gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt, bis das Urteil rechtskräftig ist. Lina E. muss sich nun zweimal wöchentlich bei der Polizei melden, darf den aktenkundigen Wohnsitz nur mit Zustimmung des Gerichts wechseln und muss Reisepass und Personalausweis abgeben. Ihr Anwalt kündigte bereits an, in Revision zu gehen.

Linksextremisten kündigen bundesweiten Rachefeldzug an

Schon lange vor dem Urteilsspruch hatte die linksextremistische Szene Vergeltungsaktionen angekündigt, wie Focus Online berichtet. Autonome Gruppen hätten demnach mit massiven Anschlägen gedroht und auch gleich die angepeilten Szenarien genannt: Für jedes Jahr Haft, das einer ihrer Gesinnungsgenossen bekommt, sollen Sachschäden in Höhe von einer Million Euro angerichtet werden. Als mögliche Ziele wurden Behörden, staatliche Einrichtungen, Unternehmen und Parteien genannt.

In mehreren Städten waren nach dem Urteilsspruch Protestaktionen geplant, darunter in Berlin, Bielefeld, Bremen, Dortmund, Dresden, Duisburg, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln, Mainz, Stuttgart und Leipzig. Bei Demonstrationen in Leipzig und Dresden in der Nacht zunächst weitgehend ruhig geblieben. Im Leipziger Stadtteil Connewitz brannte ein Auto. Ein Zusammenhang zum Demonstrationsgeschehen könne nicht ausgeschlossen werden, sagte eine Polizeisprecherin. Drei Tatverdächtige seien vorläufig festgenommen worden.

In Leipzig hatten laut Polizei am Mittwochabend rund 800 Menschen an einer Demonstration teilgenommen. Die angezeigte Teilnehmerzahl von 150 sei damit „eklatant überschritten“ worden. Ein geplanter Aufzug sei von der Versammlungsbehörde untersagt und nur eine stationäre Versammlung zugelassen worden.

Gründe seien unter anderem das vermummte und teils militante Erscheinungsbild der Demonstrierenden gewesen, die auch «Schutzbewaffnung» wie etwa spezielle Handschuhe mitgeführt hätten. Nach der Versammlung hätten die Teilnehmer versucht, die Absperrungen der Polizei zu durchbrechen. Es seien Flaschen, Steine und Pyrotechnik in Richtung der Einsatzkräfte geworfen worden. Auch gab es laut Polizei Fälle von Körperverletzung.

Den Versuch, Barrikaden zu errichten, hätten die Beamten durch schnelles Einschreiten unterbunden. Ein Polizeihubschrauber sei mit einem Laser-Pointer geblendet worden. Vier Beamte seien durch geworfene Gegenstände leicht verletzt worden. Die Polizei nahm mehrere Straftaten auf. Gegen Mitternacht habe sich die Situation beruhigt.

Innenministerin Faeser warnt Linksextremisten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat nach dem Urteil gegen die 28-jährige Lina E. die Gefahr des Linksextremismus hervorgehoben. „In linksextremistischen Gruppen sind Hemmschwellen gesunken, politische Gegner auch mit äußerster Brutalität anzugreifen“, erklärte Faeser am Mittwoch in Berlin. „Diese Radikalisierungs- und Gewalt-Spirale darf sich nicht weiterdrehen.“

Zugleich drohte die SPD-Politikerin der linken Szene mit Konsequenzen, sollte es zu Krawallen infolge des Urteils des Oberlandesgerichts Dresden kommen, das Lina E. am Vormittag nach Medienberichten zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilte.

„Im demokratischen Rechtsstaat darf es keinen Raum für Selbstjustiz geben“, erklärte Faeser. Der Kampf gegen Rechtsextremismus werde mit "wachsamen und starken Sicherheitsbehörden“ geführt. „Gewalt ist niemals ein legitimes Mittel politischer Auseinandersetzung. Kein Ziel rechtfertigt politische Gewalt“, betonte die Ministerin.

Verfassungsschutz: Nur „Glück“, dass es bisher keine Toten gab

Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, erklärte unmittelbar nach dem Urteil gegen Lina E. und deren Komplizen, dass er die Schwelle zum Terrorismus aktuell „noch nicht überschritten“ sehe. „Aber wenn sich die Radikalisierungsspirale weiterdreht und die Taten immer brutaler und hemmungsloser werden, dann rückt der Moment näher, in dem man auch von Linksterrorismus sprechen muss.“

Haldenwang weiter: „Besorgniserregend ist auch, dass eine zunehmende Anzahl gewalttätiger Linksextremisten versucht, sich der Strafverfolgung zu entziehen und möglicherweise untergetaucht ist.“ Innerhalb der gewaltorientierten linksextremistischen Szene seien Hemmschwellen gefallen, „und man kann von Glück sagen, dass bisher noch kein Opfer zu Tode gekommen ist“, so Haldenwang.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Panorama
Panorama Feiertage 2026: Alle Termine, Brückentage und Regeln – wie Sie am besten profitieren
13.12.2025

Die Feiertage 2026 liegen günstig und ermöglichen viele lange Wochenenden. Wer früh plant, kann deshalb Brückentage optimal nutzen....

DWN
Immobilien
Immobilien Immobilienrendite: Es lohnt sich wieder zu vermieten
13.12.2025

Eine Mietimmobilie als Kapitalanlage kann wieder eine interessante Investition sein. Doch nicht überall macht das Sinn. Wo sich das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Prominenter China-Experte zeichnet düsteres Bild für Europa: „Es wird ziemlich schlimm“
13.12.2025

Europa wähnt sich sicher, doch die nächste ökonomische Erschütterung rollt bereits heran. Der prominente China-Analyst Dan Wang...

DWN
Finanzen
Finanzen Falsche Gehaltsgruppe: Was kann ich tun, wenn meine Gehaltseinstufung nicht zum Tarifvertrag passt?
13.12.2025

Viele Beschäftigte merken erst spät, dass ihre Gehaltsgruppe im Tarifvertrag nicht zur Arbeit passt. Das kann monatlich bares Geld...

DWN
Technologie
Technologie Lidl krempelt den Einkauf um: Warum die Scan-and-Go-Technologie den Handel umdreht
13.12.2025

Litauens Handelsketten treiben den digitalen Umbruch voran. Das Selbstscansystem Scan & Go kommt nun in die Lidl Filialen. Bisher wurde...

DWN
Politik
Politik Billigfluglinien bereiten sich bereits auf Flüge in die Ukraine vor
13.12.2025

Wizz Air, Ryanair und EasyJet bringen sich in Stellung. Europas Billigfluglinien planen bereits ihre Rückkehr in die Ukraine und rechnen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa-Krise vertieft sich: JPMorgan warnt vor dramatischen Folgen für Amerika
13.12.2025

Die Warnungen von JPMorgan Chef Jamie Dimon treffen Europa in einer Phase wachsender politischer Unsicherheit. Seine Kritik an der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...